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Re: Aus der Abgabepflicht folgt das Zugangsrecht



On Mon, Jul 13, 1998 at 06:26:49PM +0200, Wau Holland wrote:
> Andreas Borchert:
> >Das Problem Bibliothek von Babel vs Sortierung der Informationsflut laesst
> >sich meines Erachtens auf eine altbewaehrte Methode loesen: Lasst genau
> >das ueberleben, wofuer jetzt jemand bereit ist, es zu sammeln und
> >aufzubereiten. In Prinzip ist das auch ein Filter, jedoch ein voellig
> >dezentraler, da jeder, der Interesse daran hat, dass bestimmte Inhalte
> >ueberleben sollen, dies durch seine Aktivitaeten foerdern kann. Nach
> 
> Das ist ein kapitaler Fehler im Wortsinne:
> FDP-Politik des Spiels der freien Kraefte.

Das sehe ich nicht so. Statt einem dicken Bankkonto duerfte ein
kontinuierlicher persoenlicher Einsatz sehr viel effektiver sein und zu
einer deutlich hoeheren Qualitaet fuehren als sie durch eine zentrale
Foerderung moeglich waere.

Nicht nur die Familiengeschichte derer von Lambsdorff hat ueberlebt.
Ich kann einzelne Zweige meiner Familie (alles einfache Landwirte!)
bis ins 15. Jahrhundert zurueckverfolgen. Selbst orale Traditionen
haben es geschafft, Jahrtausende an Geschichte zu konservieren
(siehe z.B. Maori oder Roots). Dies kam jeweils zustande, weil
kontinuierliche Pflege vorlag. Auch Holgers Beispiele von den alten
Spielen ziehen nicht, da es zumindestens fuer einige davon auch heute
noch Liebhabergruppen gibt, die mit Hilfe von Emulatoren die alten
Spiele am Leben erhalten einschliesslich solcher Klassiker wie
Space Invaders etc.

> So geht die Menschheitsgeschichte den Bach runter.

Die Menschheitsgeschichte geht fruehestens dann den Bach herunter, wenn
sich niemand mehr dafuer interessiert und selbst dann geht es nicht so
einfach.

> >Natuerlich waere es denkbar, die Konvertierung bisherigen
> >Weltkulturerbes auf digitale Medien zu foerdern und zu forcieren.
> >Jedoch fuerchte ich, dass dies nicht die Qualitaet haette, die ueber
> >Eigeninitiative (wenngleich ueber deutlich laengere Zeit) moeglich
> >waere.
> 
> Das auf der Ebene der Deutschen Bibliothek ist nicht
> "denkbar", sondern "Pflicht" des Gemeinwesens.
> Begruendung:
> 
> Wenn der Staat von mir als Autor verlangt,
>      dass ich ihm ein Belegexemplar schenke,
> dann ist er verpflichtet, dies auch in (zZ)
>      binaerer Form zugaenglich zu machen.

Es waere zu begruessen, wenn es so realisiert werden wuerde.
Dennoch sehe ich mehrere Nachteile in diesem System:

* Es handelt sich dabei um eine zentrale Regelung, die jederzeit einen
  ``single point of failure'' darstellen kann.

* Die Auswahl und Aufbereitung laesst sich nur schwer beeinflussen.
  So ist beispielsweise das aktuelle Angebot der Deutschen Bibliothek
  ausgesprochen kuemmerlich, da nicht einmal eine kostenfreie Suche
  nach Titeln geschweige denn nach Inhalten moeglich ist.

* Das angesprochene Risiko einer Verfaelschung (jetzt oder irgendwann
  spaeter) wird durch zentrale Institutionen erleichtert.

* Sie kann nur Daten und Materialien aufnehmen und speichern. Mit
  etwas Glueck kann sie auch die Datenhaltung durch geeignete
  Kopieraktion auf dem jeweils aktuellen Stand halten. Aber sie ist
  absolut ungeeignet, die Inhalte zu pflegen.

* Die Ausrichtung dieser Bibliotheken ist national und somit bleiben
  erhebliche Luecken auf dem Globus, da es kaum ueberall wirksam
  arbeitende nationale Bibliotheken geben duerfte.

* Letztlich ist ein zentraler Dienst nicht beliebig skalierbar. Das
  ist nicht nur ein Problem der machbaren Speicherkapazitaet, sondern
  auch des Managements.

Ich habe nichts gegen eine Deutsche Bibliothek. Sie leistet eine nuetzliche
Aufgabe, jedoch ist sie als Loesung des angesprochenen Problems meines
Erachtens voellig ungeeignet.

Andreas.

-- 
_______________________________________________________________________________
Andreas Borchert, Universitaet Ulm, SAI, Helmholtzstr. 18, 89069 Ulm,  Germany

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