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Netznutzung: lernbar von jung und alt



Holger Veit zu:
(...)
>> > [...Umfrage unter nicht-Nettlern als Reality-Check...]
(...)
>> Ich hatte den Eindruck, daß diejenigen Geeks, die gern mit
>> Suchmaschine+Drucker andere verblüffen, bereits ganze Arbeit geleistet
>> hatten.  Wie das nun bei über 40jährigen ist, bleibt für mich erstmal offen.
>
>Frag' doch Wau als Vertreter der ueber 40-Jaehrigen :-)

Zu kurz gefragt, ich machs mit +=20

Mein Pfadfinderfuehrer, ueber 60, und seine Frau sind
aktiv im Netz. Sie hat sich auf ihre alten Tage das
Programmieren selbst beigebracht und eine komplette
Reisebueroverwaltung mit Access programmiert,
waehrend er noch am Rumbasteln war, ob das nicht
mit einer Schreibmaschine mit Textspeicher zu
loesen waere. Sie hat das amuesiert beobachtet
und das ACCESS-Ding durchgezogen.
Win95, ca. 8 Plaetze.

Vorher war das komplizierteste, mit dem sie zu tun
hatte, Aufsicht und Kontrolle bei Verkabelung einer
Telefonvermittlungsstelle in Suedafrika. Sowas hatte
sie vorher auch noch nie gemacht. Der Job beruhte
auf einem Uebersetzungsfehler: bei der Uebersetzung
ihrer Arbeitspapiere mit sowas wie "Post, technischer
Innendienst" (Auskunft) verschwand das "Innen" :-)

Seither habe ich vor diesem MS-Produkt Respekt
(vor der Frau sowieso).
Wenn eine Frau, die am Sonderplatz der Auskunft
gearbeitet hat (menschliche Suchmaschine vor
Existenz des Internet) und sich ohne Abitur und ohne
sonstige grosse Vorbildung das Wissen um eine
Datenbankerstellung mit komplexen Abhaengigkeiten
selbst aneignen kann, dann muss ACCESS was taugen.

Mit ihr habe ich oft gesprochen ueber die Entwicklung
des Netzes und die Veraenderungen. Sie hat mich
aufmerksam gemacht auf die Mailingliste von der
Wahrheitskommission in Suedafrika und da habe ich
einige interessante Dinge erfahren, so als Unterschied
der "Wende" DDR ./. RSA und Umgang Taeter ./. Opfer.

Er ist der Aelteste, gewaehlt fuer die CDU, in der
Stadtverordnetenversammlung und verblueffte
letzten Sommer bei der Diskussion ueber
Baugelaendeplanung die anderen, weil er selbst
erstellte Laserprinter-Ausdrucke vom Gelaende
verteilte.
Keine ideale Aufloesung, aber ausreichend, um sich
ein Bild von der Lage zu machen und besser zu
entscheiden als ohne die Ausdrucke.

Auf die Frage, woher er die Aufnahmen habe,
verblueffte er die anderen, indem er sagte
"das sind russische Sat-Aufnahmen" und auf die
Nachfrage, woher er die denn habe, sagte er
"aus dem Kaufhaus".

Ein Stueck weit habe ich diesen Stil von ihm
gelernt: er hat die Wahrheit "D-Sat" unglaublich
blumig umschrieben, sodass der Rest der Meute
ernsthaft nachdenken musste, ob das denn stimmt.

Beim Nachdenken ueber Unglaubliches merkten einige,
was sich in der Welt eigentlich veraendert hat,
ohne dass er das zu sagen brauchte.
Bob Jungk sagte mir einmal "wenn die anderen
anfangen, nachzudenken, hat man schon halb gewonnen".

Ich glaube auch, dass ich meiner 83jaehrigen Tante
das Netz erklaeren kann und dass sie das als grosse
Erweiterung ihrer Moeglichkeiten wahrnehmen wuerde.
Aber ihr wuerde ich lieber einen 20" Monitor hinstellen
als einen kleinen und die Knete habe ich nicht.
Das teuerste ist der Monitor und das wichtigste
sind die Augen.

Kurz:
Das Alter ist nicht die Frage.
Ich beobachtete bereits vor ein bis zwei Jahren, dass
so langsam 50jaehrige Vorarbeiter und Abteilungsleiter
das Netz entdecken und ihre ersten Gehversuche
darin machten.
Im Dezember 1995 erfuhr ich aus den USA, dass dort
die "Granny-Hackers", also die Omis, beginnen, das
Netz zu bevoelkern und kreative Merkwuerdigkeiten
anstellen. Das muss nicht gleich soweit gehen wie in
Grossbritannien, wo ein Rentnerinnen-Treff in eine
US-Abhoerstation eindrang und darueber eine Bild-
Reportage erstellte (Film wurde auf Chaos-Congress
gezeigt), aber so als grobe Richtungsangabe

Bei einem Chaos-Treff irgendwo in Norddeutschland ist,
wie ich dieser Tage per Telefonbericht erfuhr, ein ueber
60jaehriger ehemaliger Postler und Funkamateur ein
wichtiger Kristallisationspunkt.

Soviel aus meiner Sicht als nicht mehr Bivi, sondern Uhu.

Das Wissen ueber die Nutzung der Netze ist lernbar,
von jung und alt.
wau

--
Die begruendbare Annahme,dass alles,was..heute..Semantik..,in Zukunft
als Syntax definierbar.., gewinnt mit jeder erfolgreichen Simulation von
Denkvorgaengen..beweist aber nicht..Denkfaehigkeit d.Maschine im mensch-
lichen Sinn.   http://caad.arch.ethz.ch/CAAD/xhtml/aem/aem.html