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SZ
- To: debate@fitug.de
- Subject: SZ
- From: Thomas Hafner <snarf@cublx1.cube.net>
- Date: Sun, 23 Aug 1998 22:15:38 +0200
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- Sender: owner-debate@fitug.de
Hi,
FYI, SZ vom 24.08.98
\Thomas\bye
_Interview mit Präsident Roland Koller zur Kriminalität in den
internationalen Computernetzen _
Münchner Polizei empfiehlt sich als Internet-FBI
_Langjährige Erfahrung und Erfolge als Referenz vorzuweisen /
Bundesländer müßten sich finanziell beteiligen _
Das Internet ist ein gefragtes und zukunftsorientiertes Medium. Es
darf aber nicht zum rechtsfreien Raum für Kriminelle werden. Die
Aufdeckung des Kinderpornoringes in Zandvoort hat in dieser Beziehung
nur die Spitze des Eisberges sichtbar gemacht. Münchens
Polizeipräsident Roland Koller kann sich vorstellen, sein
Spezial-Kommissariat 343 zu einer Art Bundespolizei für die Jagd auf
Internet-Gangster zu machen.
SZ: Das Internet ist ein neues Kommunikationsmedium, das sich geradezu
rasant entwickelt. Die Polizei hat da nicht bremsend einzugreifen
– ganz abgesehen davon, daß sich die Ordnungshüter damit
überheben würden . . .
Koller: . . . aber, wie andere Medien auch, wird das Internet für
kriminelle Handlungen mißbraucht. Hier hat die Polizei einzuschreiten.
Sie muß sofort damit beginnen und kann nicht abwarten, obwohl viele
rechtliche und faktische Fragen noch ungelöst sind und immer wieder
neue auftauchen.
SZ: Das Polizeipräsidium München hat die Gefahrenseite dieses Mediums
sehr früh erkannt und kann schon achtbare Erfolge vorweisen.
Koller: Bereits 1989 regten wir die zentrale Auswertung des damaligen
btx-Systems auf Kinderpornographie an und waren dann maßgeblich an der
Planung eines Pilotprojektes für verdachts- beziehungsweise
anlaßunabhängige Recherchen beteiligt, das im Auftrag des bayerischen
Innenministeriums gemeinsam mit dem LKA durchgeführt wird. Bayern hat
damit als einziges Bundesland auf diesem Sektor konkrete polizeiliche
Maßnahmen und Ergebnisse vorzuweisen.
SZ: Wievielen Tätern konnten sie schon mit der Maus auf die Spur
kommen?
Koller: In rund 600 Fällen haben unsere Beamten Ermittlungen
eingeleitet – zum größten Teil ging es um Pornographie, auch mit
Tieren, insbesondere aber um Kinderpornos. Wir stoßen natürlich auch
auf andere Straftaten, etwa die Verbreitung extremistischen
Gedankenguts, Glücksspiel, Waffen- und Rauschgifthandel.
SZ: Sind ihre Beamten speziell ausgebildet oder autodidaktische
Seiteneinsteiger?
Koller: 2000 Stunden Recherche und 358 Ermittlungsverfahren allein im
letzten Jahr haben unsere Leute zu Internet-Experten gemacht. Wegen
unserer Vorreiterstellung auf diesem Gebiet werden unsere Beamten
national und international für Fachfragen herangezogen und sind auch
als Referenten sehr gefragt. Der Leiter des Kommissariats 343 und sein
Stellvertreter haben außerdem in ihrer Freizeit ein Fernstudium für
Informatik und Kommunikation an der TU Chemnitz erfolgreich
absolviert. Vor kurzem haben sie ihre Anerkennung als polizeiliche
EDV-Sachverständige beantragt, weil sie dann ihr Expertenwissen auch
als Gutachter vor Gericht einbringen können. Vergleichbare
fachspezifische Erfahrungen dürften Sie derzeit bei kaum einer anderen
Polizeidienststelle vorfinden.
SZ: Bei so viel Fachkompetenz würde es sich doch anbieten, daß das
Polizeipräsidium München die Funktion einer zentralen
Auswertungsstelle übernimmt. Denn müßten Dienststellen mehr oder
weniger auf eigene Faust und unkoordiniert durch das World Wide Web
jagen, könnte es doch leicht passieren, daß Beamte, ohne von einander
zu ahnen, an ein und demselben Fall recherchieren?
Koller: Ganz klar, es besteht ein Bedürfnis nach zentraler
,Surfarbeit’. Die Ermittlungen an Ort und Stelle müssen dann
selbstverständlich wieder weitgehend dezentral durchgeführt werden.
Aber es gilt, Maßnahmen diverser Polizeibehörden in denselben Fällen
zu verhindern beziehungsweise zu koordinieren. Für die zentrale
Kriminalitätsbekämpfung bestehen jedoch gesetzliche
Zuständigkeitszuweisungen für das Bundeskriminalamt und die
Landeskriminalämter. Erforderliche Organisationsänderungen dieser
Größenordnung liegen in den Händen der politischen
Entscheidungsträger. Zudem hätten wir noch einiges mehr an Personal
und Ausstattung in unsere Dienststelle zu investieren. Eine bundesweit
zuständige Dienststelle müßte wohl auch teilweise von den anderen
Bundesländern mitfinanziert werden. Um Ihre Frage konkret zu
beantworten: Ja, wir würden so eine Zentralfunktion bei entsprechender
,Aufrüstung’ als Herausforderung sehen und keinesfalls ablehnen.
–––––– ––
Interview: Ekkehard Müller-Jentsch
Photo: Andreas Heddergott / SV-Archiv
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