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Re: [FYI] Wahlkampfversprechen



On Wed, Sep 09, 1998 at 08:32:53AM +0200, Torsten Jerzembeck wrote:
> Olaf Boos wrote:
> >Hmmm, es sind allerdings *zwei* Punkte zu klaeren:
> >1) Wie kommt eine Schule ans Internet?
> >2) Wer bildet die Lehrer entsprechend aus, damit sie das Ganze
> >   betreuen koennen?
> >Punkt 1) ist relativ simpel, wenn nur die notwendigen Gelder bereit-
> >gestellt werden. Aber wie sieht es mit Punkt 2) aus? Nur mal so
> >angemerkt.
> 
> Und genau an Punkt 2 liegt das Problem. Es nützt nämlich _gar_ _nichts_,
> entsprechende Hard- und Software gesponsort zu bekommen (und meinetwegen
> auch noch die Providergebühren dazu), wenn nicht entsprechend ausgebilde-
> tes Lehrpersonal da ist.

Hier im Saarland gibt es ein Projekt zur Lehrerschulung. Das ganze
basiert auf dem schoenen Wort "kooperativer Kompetenzaustausch"
zwischen Hochschule und Schulen.
Bei diesem Projekt versuchen Studierende der fachrichtung 
Informationswissenschaft der Uni des Saarlandes Lehrern die
Nutzung des Internets beizubringen (ich schreibe extra "versuchen",
in einigen Faellen ist es ziemlich hoffnungslos :-)
Saarlaenische Lehrer aller Schulen koennen freiwillig an diesen
Fortbildungen teilnehmen, sie bekomen dafuer kein Ausgleich an
Freistunden o. ae., machen das also in ihrer Freizeit. die Beteiligung
ist ueberwaeltigend (wir mussten unser Bild vom "faulen Lehrer"
etwas revidieren). Nach einer ersten Projektphase, in der das
Projekt nicht gefoerdert wurde, gibt es mittlerweile auch Geld
vom Land. Im Web unter: http://www.phil.uni-sb.de/IFP2/

> Und mit "entsprechend ausgebildet" meine ich
> jetzt nicht (nur) "im Umgang mit den Geräten geschult", sondern gerade
> beim Thema Internet "in der Wissensvermittlung über ein und mit einem
> neuen Medium geschult". 

Genau aus dem Grund macht die Informationswissenschaft diese
Schulungen und nicht die Informatik. Thema der Informationswissenschaft
ist genau "Wissensvermittlung ueber ein neues Medium".
Zunaechst wollten wir das ganze als reines Web-Informationssystem
aufbauen. Webseiten, die sich mit verschiedenen Themen aus dem
Bereich "Lernen und Multimedia", Nutzung von Internetdiensten, aber
auch Dingen wie "so kommt die Schule ans Netz" (natuerlich mit 
Linux ;-) beschaeftigen und die sich Lehrer anschauen koennen.
Wir haben mit dem Aufbau dieses Angebots vor ca. 2 Jahren begonnen,
haben aber bald gemerkt, dass das unserer Zielgruppe nichts nuetzt,
da noch zu wenig Lehrer die Moeglichkeit hatten, sich den Kram
ueberhaupt anzuschauen. Deswegen ist dieses Webangebot auch nie
richtig fertig geworden (man merkt es). Wir hatten damals auch
schon ein paar Lehrer an die uni eingeladen um mit ihnen ueber
das Angebot zu diskutieren und die gestaltung nach ihrer Beduerfnissen
ausrichtun zu koennen. Wir haben uns natuerlich davon erhofft
auch etwas ueber deren Ideen zum Thema "Einsatz des Internets
in der Schule" zu erfahren. Dabei haben wir jedoch gesehen, dass
die meisten mit "internet" wenig anfangen konnten (das Web kannten
sie vielleicht noch) und deswegen auch nicht wussten, was sie
damit machen sollen. Daraus entstand die Idee, Schulungen fuer
Lehrer an der Uni durchzufuehren. Darin wird versucht Nutzungskompetenz,
aber auch ein bischen technisches Grungverstaendnis fuer die Funktion
des internets und insbesondere eines moeglichen Schulnetzes, zu
vermitteln. In Fortgeschrittenenkursen wird dann auch HTML gemacht.
Diese Kurse begannen vor gut einem jahr. Ueber die Weiterfuehrung
des Projekts wird derzeit verhandelt.
Fuer die Zukunft ist wohl vorgesehen, dass wir hier an der Uni
"Multiplikatoren" schulen, die dann ihrerseits in den Schulen
ihren Kollegen etwas ueber das Netz erzaehlen koennen. Uns
waere das sehr recht, wir koennten die Schulungen etwas
anspruchsvoller und interessanter machen und koennten sicher
sein, dass alle Teilnehmer die Maus benutzen koennen...
Aufbauend darauf gibt es Ueberlegungen im ganzen Land
an Schulen "Kompetenzzentren" einzurichten. Das sollen
Schulen sein, die technisch gut ausgestattet sind, an denen
dann die "Multiplikatoren" ihre Kollegen schuken koennen. 
Kompetenzzentren kann es dann natuerlich zu verschiedenen
Themen geben (Nutzung, Anbindung des Schulnetzes, Erstellung
eigener Inhalte...).
Das Problem hierbei ist natuerlich auch wieder, dass diese
"Multiplikatoren" das nicht freiwillig tun werden, also
zumindest mit Freistunden in entsprechendem Umfang entschaedigt
werden muessten. Bei Lehrermangen allerorten geht das natuerlich
auch wieder nicht...

> Wer bitte soll das sein, in Zeiten, wo Plan-
> stellen eingespart, kaum neue Lehrer eingestellt und Klassen vergrößert
> werden? Wenn man sich die Fälle, in denen wirklich qualifizierter
> Unterricht in diesem Bereich erteilt wird, mal genauer ansieht, stellt
> man fest, daß der in den allermeisten Fällen auf Privatinitiative
> beruht (sprich: der Lehrer ist selbst interessiert, bringt sich die
> Sachen selbst bei und gibt sie dann weiter). Das ist zwar sehr lobenswert, 
> kann aber kein allgemeines Modell sein.

s.o. Ich halte das Modell, das hier angedacht wird, fuer recht gut.
Man bildet "Multiplikatoren" auf hohem und gesichertem Niveau (Pruefung!)
aus und laesst diese in Kompetenzzentren ihr Wissen weiter geben.
Ich bin gespannt, ob sich dieses Konzept hier im Saarland
realisieren laesst.

> Die meisten Leute, die das Modell "Internet in der Schule" betrachten,
> sind viel zu technikzentriert. Ein kleines Netz kann man zur Not mit den
> ausgemusterten 486ern der freundlichen Firma von nebenan, einer
> Linux-Distribution und einer Handvoll engagierter Schüler (in einer AG)
> mit Unterstützung des nächsten Bürgernetzes/der nächsten IN-Domain/vom
> ODS/wasweißichwoher hochziehen. Die technische Seite ist kein ernsthaftes
> Problem. Die wirklichen Probleme fangen dann an, wenn die Technik steht. 

Genau unsere Erfahrung. Aber seit den Investitionsruinen Sprachlabor
sollte man das wissen. Das Problem ist, dass sich noch sehr schlecht
beurteilen laesst, was und in welcher Form der Einsatz des Internets
im Unterricht bringt. Die bisherige Unterrichtsform laesst sich
nach unserer Erfahrung sehr schlecht mit dem Einsatz des Netzes
verbinden. Leider ist man da auch sehr wenig experimentierfreudig
(schliesslich draengt der Lehrplan und man hat es seit 25 Jahren
so gemacht, wieso soll man es jetzt ploetzlich anders machen). Die
Lehrer warten oft auf Vorgaben aus dem Bildungsministerium
(nach dem Motto: "in der x. Stunde wird die URL http://xxx.yyy.zz/...
behandelt"). So kann's aber nicht gehen. Die Schule wird sich schon
ziemlich aendern muessen...

Soviel aus der Praxis der Lehrerausbildung...

Gruss
Till

-- 
Till Kinstler                           till@gg15c1.phil.uni-sb.de
http://www.phil.uni-sb.de/~till/        till@phil.uni-sb.de
student of information science          tiki@stud.uni-sb.de
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