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Re: Kostenabwaelzung: Beispiel Patentwesen



On 16 Sep 98 at 18:26, PILCH Hartmut wrote:

> Ein anderes Beispiel fuer Abwaelzung von Kosten auf die
> Oeffentlichkeit ist das Europaeische Patentamt.  Seine Bediensteten
> verdienen doppelt so viel wie deutsche Beamte, Patentgebuehren sind
> sehr hoch, aber das Patentamt beharrt weiter darauf, kein Geld zu
> haben, um die Patentschriften, in deren weitestmoeglicher
> Verbreitung sein Daseinszweck liegt, per Internet zugaenglich zu
> machen.  Stattdessen bezeichnet es sie als "proprietary compiled
> information of the European Patent Office" und verkauft sie in Form
> von 400 MS-abhaengigen CDs pro Jahr (in Grafikformat) fuer 5000 DM
> an interessierte Kaeufer, mit strengen Kopierverbotsklauseln. s.
> mein Protest unter http://www.a2e.de/protest/patinfode.html

Das EPA wird - wie andere Patentaemter auch - in absehbarer Zeit 
Patentdaten _kostenlos_ ins Web stellen.

   http://www.epo.co.at/news/pressrel/5_97.htm
   http://www.european-patent-office.org/news/pressrel/dips1.htm
 
> Noch krasser finde ich, dass der neue deutsche Praesident des EPA,
> ein ehemaliger Staatssekretaer des Bonner Justizministeriums namens
> Kober, die Patentanmelder von der Pflicht, ihre Patente in die
> jeweilige Landessprache uebersetzen zu lassen, befreien und Englisch
> zur Einheitssprache erheben will.  Das bedeutet auch ein Abwaelzen:
> die Erfinder Griechenlands koennen nicht in ihrer Landessprache
> lesen, was sie tun und lassen duerfen.  Die Uebersetzung (bzw der
> Leseaufwand einer fremden Sprache) muss von Tausenden von
> Einzelpersonen getragen werden, waehrend die Patentanmelder (vor
> allem die Grossunternehmen, die das Gehoer der Politiker erreichen
> und ihnen die Phrasen liefern) noch billiger ueberall zu ihren
> Gunsten Huerden aufbauen und die Weltkultur vereinheitlichen
> koennen.

Ich glaube nicht, dass der Vorschlag von Kober kommt. Meines Wissens 
kam das aus der Ecke der deutschen Industrie. Im uebrigen ist da 
ueberhaupt noch nichts beschlossen.

Das Problem ist, dass es einerseits ungeheuer teuer ist, eine 
komplette Patentschrift in alle europaeischen Sprachen uebersetzen zu 
lassen, wenn man gleichzeitig merkt, dass die Uebersetzungen nur 
*ganz selten* tatsaechlich nachgefragt werden. Uebliche Preise 
fuer das Anfertigen von Uebersetzungen sind z.B. DM 0,40 pro Wort. 
Bei einigen tausend Worten und zehn und mehr Sprachen kommen da ganz 
huebsche Suemmchen zusammen ...

Derzeit tobt hinter diversen Kulissen ein Kampf um einen Kompromiss 
in der Sprachenfrage. Vielleicht wird es auf eine Loesung 
hinauslaufen, dass man jemand aus einem Patent nur dann verklagen 
darf, wenn man vor Klageerhebung dem Patentverletzer eine 
Uebersetzung in der Landessprache um die Ohren gehauen hat. Aber 
mindestens ein halbes Dutzend anderer Vorschlaege ist noch in der 
Diskussion. Eins scheint jedenfalls klar: So wie es heute ist, 
naemlich dass das komplette Patent in alle Landessprachen seines 
raeumlichen Geltungsbereiches uebersetzt werden muss, wird es auf 
keinen Fall weitergehen. Die Industrie steht wegen der Kosten auf den 
Barrikaden.

Irgendwie ist das Thema hier etwas offtopic. Ich glaube jedenfalls 
nicht, dass man es in der EU auf Dauer wird durchhalten koennen, 
alles und jedes in alle Landessprachen uebersetzen zu lassen. Und ich 
koennte mit Englisch als Einheitssprache fuer bestimme 
Verlautbarungen leben - und weiss gleichwohl, dass es andere nicht 
koennten. Aber Patente wenden sich ausschliesslich an 
Gewerbetreibende, nie an Privatpersonen. Und Gewerbetreibenden kann 
man u.U. etwas mehr an Kenntnissen abverlangen.

> Von japanischen Patentspezialisten hoerte ich, dass die Ausweitung
> des Patentrechts auf Software dort gerade im Gange ist und
> Patentamtschef Araki das ganze forciert.  Das geht wiederum auf
> Kosten der Programmierer freier Software, die sich einen Stab von
> Juristen leisten muessen, ohne selbst Geld zu verdienen.  Auch die
> Patentinformationen des Japanischen Amtes sind proprietaer. 
> Anmeldung geht nur ueber MS Windows.  (beim EPA gibt es wenigstens
> als Alternative zur Windows-Maske einen Papierantrag). Nur Amerika
> ist offener. 

Die Oeffnung des Patenrechtes fuer Software betrifft nicht nur Japan. 
Durch die Praxis der Rechtsprechung sind softwarebezogene Erfindungen 
in US, EP, DE und JP (und auch anderswo) _de facto_ in weitem Umfang 
bereits jetzt patentfaehig. Einige noch bestehende Hindernisse werden 
demnaechst durch Gesetzesaenderungen beseitigt werden, so dass in der 
Tat in den kommenden Jahren mit einer drastischen Zunahme an 
softwarebezogenen Patenten und entsprechenden Rechtsstreitigkeiten zu 
rechnen sein wird. Waehrend Markenrechtsverletzungen im und durch das 
Internet bereits heftig oeffentlich diskutiert werden, harren die 
durch das und im Internet moeglichen Patentverletzungen noch ihrer 
oeffentlichen Entdeckung.

Axel H. Horns