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Re: [telepolis] Verlust der Geschichte (fwd)




Hartmut schrieb:

>> Diese Forderung nach einem Satz "offizieller", archvierbarer,
>> offengelegter und automatisch erschließbarer Dokumentenstrukturen
>> muss nachdruecklich immer wieder auf die politische Agenda gesetzt
>> werden. Man sieht dieser Forderung, die so pragmatisch daherkommt,
>
>Vorletzte Woche druckte "L'Expansion" (frz Wochenzeitschrift) einen
>langen Leserbrief ab, der ebendies anmahnte.  Erfreulich, wie 
>ca 15 Jahre nach Verabschiedung von ISO 8879 (SGML) sich etwas zu
>bewegen beginnt.

Dass 15 Jahre vergehen muessen... es gilt hier nicht einfach
abgeklaert den Kopf zu wiegen und kurzschluessig Dummheit zu
unterstellen. Ich empfehle, diese 15 Jahre Widerstand, Ignoranz und
wohlfeilen Vorurteile als einen Indikator fuer die Dramatik, die mit
der Umstellung einherginge, zu lesen. Das Management von Betrieben
hat inzwischen durchgaengig EDV, Quasi-Standard-Officeprogramme und
vielfach Internet eingefuehrt, die Mitarbeiter wissen zunehmend
besser die Technik anzuwenden. Damit einher geht, so weit ich das
beobachten kann, vielfach die Ansicht, dass nun fuer laengere
Zeit die Anforderungen an moderne Kommunikationsinfrastruktur
eigentlich erfuellt seien und endlich wieder Ruhe einkehren koenne.
Es wird sozusagen Entwarnung signalisiert, kognitiv stehen die
Zeichen auf Entspannung. Faktisch jedoch sind die Minen zur
Modernisierung der Organisationen und der Gesellschaft insgesamt
gelegt. Die Technisierung der Kommunikation faengt jetzt erst an.
Bislang wurde nur alles getan, um die alten Papiertechniken auf den 
neuen Maschinen zu simulieren.

>...
>SGML geht hier noch nicht sehr weit.  Man kann Texte noch weiter zu
>Programmen machen und die Gewinnung von Informationen dadurch erleichtern. 
>Ich habe eigene SGML-Uebersetzungswerkzeuge in Lisp programmiert und bin
>dazu uebergegangen, Dokumente gleich in Lisp zu schreiben. 
>
>Logiksprachen (http://xiron.pc.helsinki.fi/lojban/)  erlauben das
>eindeutige Parsen syntaktischer Strukturen und damit eine recht klare
>Sinnbestimmung und automatische Uebersetzung von Rechtsdokumenten. 
>Insbesondere fuer Patentdokumente waere das ideal.  Die Vielsprachigkeit
>bietet hier die Chance fuer einen enormen Rationalisierungsschub.  Sie
>muss deshalb ebenso aufrecht erhalten werden wie die Vielfalt der
>Computersysteme.
>
>SGML ist ein gutes Nahziel und fuer Behoerden geeignet.

Ja, Klasse - Du machst das, was ich eigentlich schon immer angehen
wollte! Ich werde mich so bald wie moeglich um lojban kuemmern.
Vielen Dank fuer diesen Hinweis.

Ich mag es ja gar nicht so recht tun... - weil ich befuerchte, 
schon mal darauf hingewiesen zu haben - aber es gehoert hier einfach 
hin: 
Rost, Martin, 1996c: Vorschläge zur Entwicklung einer
Diskurs-Markup-Language; in: Heibach, Christiane/ Bollmann, Stefan
(Hrsg.), 1996: Kursbuch Internet - Anschlüsse an Wirtschaft und Politik,
Wissenschaft und Kultur: Bollmann-Verlag
http://www.netuse.de/~maro/mr_dml.html
Darin diskutiere ich die Aspekte einer wissenschaftlichen DML,
ausgehend vom SGML-Paradigma der Trennung von Layout, Struktur und
Daten. (Meine ganz persoenliche, schlagartig fuer Licht sorgende 
Kurzdefinition fuer Struktur in diesem Zusammenhang ist: 
Absendeadresse ist nicht Empfaengeradresse.)

Nicht laenger flachstrukturierte, passive Texte zu schreiben, sondern
diese als Programme zu entwerfen und so aus ihnen Textmaschinen zu
machen, geht mir seitdem ebenfalls durch den Kopf. Die
praedikatenlogisch orientierte Aufbereitung von Dokumenten ist der
eine Job, die Strukturierung der Anschluesse der Dokumente an andere
Dokumente (u.a. auch deshalb, weil sie nicht allein der gleichen
"Semantik-Klasse" angehoeren) ist der andere. Faszinierend faende
ich unter dem letzten Aspekt eine Kapselung von Dokumenten etwa in
Form von Java-Beans, die quasi-autonom die Interfaces (= die
Adressierbarkeiten) zu anderen derartig gekapselten Texten
auszuhandeln in der Lage waeren. Damit liessen sich die
Unzulaenglichkeiten von (bislang im Web ja sogar nur
unidirektionalen) Links, an denen Messages entlang geschickt werden
muessten (z.B. um Hypertexte updaten und deren Bezuege untereinander
konsistent halten zu koennen) vermutlich beheben. Anders
ausgedrueckt: Java-Beans dynamisierten die Adressen fuer die 
Anchor-Punkte auf Linkgeber- und Linknehmerseite.

SGML ist demnach vermutlich schon nicht mehr die beste der moeglichen
Antworten, wie die Daten des kollektiven Gedaechtnisses optimal
(naemlich dynamisch zugaenglich und nicht bloss als dump)
aufzubereiten waeren.

Gruss, Martin