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Re: de.alt.dateien.weibsbilder offen oder ...



J.Meyer.SELK@t-online.de (Juergen Meyer) writes:
>Aber für die Nutzung dieser Bücher/Artikel haben die Anbieter, die sie
>zur Nutzung bereithalten, die Verantwortung.

Ja, klar. In einer Buecherei haben sie diese Buecher ja auch
manuell selektiert, bestellt, katalogisiert und in die Regale
eingestellt. Das ist bei den Newsartikeln nicht passiert: Der
Newscache hat sie angesogen und wegsortiert, der Newscache
schmeisst sie auch wieder weg, wenn sie eine zeitlang dort
gestanden haben. Bei Providersens hat weit mehr als 90% der
Artikel niemand angesehen - Betreiber nicht und Kunde auch
nicht.

>>Ein Name "lockt" keine Inhalte an. Inhalte sind da.

>Hmm.... wie war das mit der von Dir (?) angeleierten NG mit dem
>spannenden Namen (sorry, keine Lust, zu buddeln), um über Zensur im
>Netz?) zu diskutieren?
>Täusche ich mich oder tauchte die im Somm-Urteil als NG mit
>Kinderpornos auf?

Ja, die Gruppe taucht oft in Zusammenhang mit Listen von
kinderpornographischen Gruppen auf. Sie ist das aber niemals
gewesen, sondern war bis zu ihrer Loeschung immer ein
Diskussionsforum ueber die Moeglichkeiten, Gefahren und Folgen
von Zensur, wie man Namen, Beschreibung und Charta leicht
entnehmen kann. Gegen Ende, als der bestimmungsgemaesse Traffic
in der Gruppe wegen der Schaffung der Eingruppierung
de.soc.zensur nachliess, kam es dazu, dass einige Autoren
pornographische oder kinderpornographische Artikel unter anderem
mit dem Etikett dapsc versehen haben. Glaubst Du, die Artikel
sind wegen der Existenz von dapsc gepostet worden (->
Vorhandensein des Labels schafft Inhalte) oder glaubst Du, die
Artikel waeren anyway gepostet worden, nur bei Nichtexistenz von
dapsc anders einsortiert worden (-> Labels bestimmen nur die
Sortierung, aber nicht die Existenz von Inhalten).

>Ansonsten: natürlich sind die Inhalte da. Aber sie werden, soweit ich
>sehe, schon da abgeladen, wo man aufgrund von Namen und Charta
>Interessierte für seine Artikel/binaries vermutet. Flasch?

"Abladen" ist glaube ich kaum das richtige Wort fuer das
Versehen eines Inhaltes mit einem Schlagwort. Ist das Versehen
von Webseiten mit einem PICS-Label das "Abladen von Inhalten"?
Es handelt sich genauso wie ein Newsgroups-Header, ein
Keywords-Header oder ein Eintrag in einer Kategorie einer
Suchmaschine um eine Klassifizierung von Inhalten (also ein
"Abheften"), aber nicht um eine Verbreitung von Inhalten (mithin
ein "Abladen").

>>Um Artikel von Kristian Koehntopp zu bekaempfen, ist das
>>Entfernen der Newsgroup de.autoren.koehntopp.kristian der
>>vollkommen falsche Ansatz.

>Es geht doch nicht darum, bestimmte Inhalte aus der Welt zu schaffen.

Doch, ganz genau darum geht es! Und um das Zumauern bestimmter
Kommunikationskanaele fuer Inhalte!

Der Zensurreflex, der in der gesamten Mediendiskussion immer
wieder gesabbert wird, ist der kindliche Glaube, dass das Boese
in der Welt verschwinden wird, wenn man die Augen zu macht. Wir
erleben in den vergangenen fuenf und in den naechsten zwanzig
Jahren eine radikale Verkuerzung der Publishing Pipeline fuer
Inhalte aller Art, deren Endergebnis die mittlerfreie
Kommunikation ist. Beispiele fuer diese Entwicklungen findest Du
zuhauf:

- Jeder kann heute eine Website erzeugen und mit dieser
  Hunderttausende von Rezipienten erreichen, wenn der Inhalt gut
  ist (freshmeat.net, slashdot.org, phplib.shonline.de sind
  Beispiele aus meinem persoenlichen Erfahrungskreis, die das
  demonstrieren: zero funding, millions of recipients und Verlage
  - klassische Mittler! - geben fuer schlechtere Effekte Millionen
  aus!)

- Jeder kann heute mit minimalen Aufwand Musik produzieren und
  reproduzieren, ohne Mittler wie Studios, Plattenfirmen oder
  Manager einschalten zu muessen. Techno, die ModTracker-Szene,
  die mp3.com vs. die RIAA-Prozesse sind Beispiele dafuer.

- und die Streitereien um die Verantwortlichkeiten bei Inhalten
  im Rahmen der Auslegung des IUKDG sind auch nur ein Beispiel
  dafuer.

Wir sind mitten in einem Kulturkampf, der aus der Vernichtung
der Mittlerstrukturen (Fernsehen, Verlage, Druckereien,
Plattfirmen) resultiert: Die existierenden Reproduktionssysteme
und Distributionskanaele werden nicht mehr benoetigt, da wir nun
nichtstoffliche Waren direkt zwischen den Autoren und
Rezipienten handeln koennen. Letzter Verbleibender Mittler sind
noch die Banken zwecks Transaktion des Gegenwertes fuer dieses
Industriegut, aber auch das Geldsystem ist gefaehrdet. Beispiele
dafuer:

- die ausstehende Genehmigung des Digicash von David Chaum &
  Deutsche Bank durch die Bundeszentralbank wg. Gefahr der
  Schaffung einer Schattenwaehrung.

- die bevorstehende Auseinandersetzung zwischen Befuerwortern
  des Einsatzes von kryptotechnologie zum Schutz der Privatheit
  von Kommunikation auf der einen Seite und dem
  Bundesfinanzminister auf der anderen Seite: Werden
  nichtstoffliche Waren und Geld erst einmal online gehandelt,
  und sind diese Transaktionen kryptographisch geschuetzt, kann
  der Finanzminister nicht mehr Nachweisen, dass ein Austausch
  von Guetern und Werten stattgefunden hat und kann diesen
  dann auch nicht mehr besteuert. Krypto und Onlinehandel in
  dieser Kombination muessen der Alptraum eines jeden
  Finanzministers sein.

Mithin werden wir einen Paradigmenwechsel, vulgo ein Gemetzel
erleben in den naechsten Jahren (dazu auch mein Text in der
Datenschleuder, der das Thema der mittlerfreien Kommunikation
schon anreisst, aber noch lange nicht erschoepft - die
Implikationen sind viel weitreichender!)


Aber ich schweife ab: Du schriebst

>Es geht doch nicht darum, bestimmte Inhalte aus der Welt zu schaffen.

Doch, darum geht es, sagte ich. Mittlerfreie Kommunikation ist
eine direkte Kommunikation zwischen dem Autor und dem
Rezipienten ohne eine Kontrollinstanz gleich welcher Art
dazwischen. Es ist eine nichtoeffentliche Oeffentlichkeit, bei
dem dem Rezipienten idealerweise der immergleiche Inhalt in
einer fuer ihn personalisierten Form dargereicht wird, d.h.
jeder Rezipient nicht wie in einem Massenmedium schon an einem
gemeinschaftlichen Kommunikationsprozess teil, aber jeder
Rezipient bekommt eine eigene, zum Teil radikal auf den
Rezipienten angepasste Version des selben "Mem"s (wie Gen, nur
auf Ideen bezogen). Websites, die personalisierte Inhalte und
personalisierte Inhaltsauswahlen anbieten sind der Vorbote
solcher Systeme. Die Privatheit des Kanals zwischen Autor und
Rezipient wird dabei durch starke Kryptographie geschuetzt und
dem Autor stehen die zur Publikation notwendigen Werkzeuge
persoenlich zur Verfuegung (Datenbanken, Editoren, Server,
Leitungskapazitaet), sodass bei der Produktion und Aufbereitung
der Inhalte auch keine Dritten Parteien (Verleger, Editoren,
Lektoren, Drucker, Sendeanstalten, Distributoren,
Wiederverkaeufer) mehr involviert sind.

Dem gesellschaftlichen Bewertungs- und Kontrollsystem fuer
Inhalte, das bisher bestimmte extreme Formen der
Meinungsaeusserung kontrolliert hat, ist dann nicht mehr
existent: Die Kommunikation zwischen Autor und Rezipient ist
massenhaft, aber ungefiltert (und personalisiert: Jeder bekommt
es nur so radikal und hardcore, wie er es vertraegt... 1/2 :-).

Den gesellschaftlichen Kraeften, die Massenmedien und
Kommunikationskanaele als Mittel zur Etablierung, Durchsetzung
und Kontrolle bestimmter gesellschaftlicher Normen und Werte
sehen wird damit aber die technische Grundlage entzogen ->
Kulturkampf mit dem Ziel der Vernichtung dieser Inhalte und dem
Sekundaerziel der Zuschuettung der
unkontrollierten/unkontrollierbaren Kommunikationskanaele. Es
geht ausschliesslich darum, bestimmte Inhalte aus der Welt zu
schaffen!

>Ich versuch's noch mal anders.
>Es geht nicht um die Verhinderung von Inhalten, es geht um
>Verhinderung von allgemeiner Verfügbarkeit. (s.o.)
>Und wer die Verantwortung dafür trägt (neben dem Autor).

Da ist niemand mehr. Das versuche ich die ganze Zeit klar zu
machen.

Heute ist da vielleicht noch jemand. Aber die Schicht zwischen
Autor und Rezipient wird immer duenner. Heute schon ist sie
zero, wenn die Kommunikationspartner erst einmal einander
gefunden haben und diese Art der Privatheit wuenschen.

>Wenn er jetzt feststellt oder darauf verwiesen wird, daß vergleichbare
>Artikel in dieser NG die Regel sind, hat er IMHO ein Problem.
>Er kann dann entscheiden, was er tut: händisch einzelne Sachen
>rauslöschen. Schwierig, personell und finanziell.

Fein, angenommen dem waere so:

Wenn der Serverbetreiber nun feststellt, dass vergleichbare
Artikel desselben Absenders die Regel sind, soll er dann alle
Artikel mit diesem Absender unterschiedslos loeschen, egal in
welcher Newsgroup?

>>Das ist nicht sehr schwer: Jeder einzelne Artikel hat eine
>>eindeutige Kennung, die Message-ID (so etwas wie eine
>>Buchstandortangabe in einer Buecherei), ueber die er sofort und
>>eindeutig aufgefunden und gelesen und geloescht werden kann. 

>Irgendwie hatte ich bisher den Eindruck, daß das ne Illusion sei.

Nein, das ist die Basis des Newssystems. Das Newssystem kopiert
alle Artikel (die gewissen, einstellbaren Selektionskriterien
genuegen) durch die Gegend, naemlich zu allen Nachbarn des
Newssystems. Damit das nicht endlos so weitergeht, muss das
Newssystem feststellen, welche Artikel es schon hat. Da es nicht
jeden neuen Artikel mit allen vorhandenen Artikeln vergleichen
kann (So wie Kinder Fussballbilder tauschen: "Hast Du den
schon?" *blaetter, such, vergleich* "Noe!"), muss eine
Aequivalentrelation auf einem besser durchsuchbaren Kriterium
definiert werden. Man nimmt die Message-ID dafuer ("Mit fehlen
noch Bilder 118, 120 und 130-159." "Also, die 149-159 haette ich
ja."). Zwei Artikel werden nicht mehr byteweise gegeneinander
verglichen, sondern sie gelten per Definition als gleich, wenn
sie dieselbe Message-ID haben. Message-IDs sind kuerzer und
koennen schnell (mit annaehernd konstanter Komplexitaet, also
von der Anzahl der gespeicherten Artikel unabhaengig)
gegeneinander verglichen werden.

Das bedeutet, dass Message-IDs nach Konstruktion der Ansatzpunkt
fuer eine Regulierung des Newssystems sind. Sie sind nach
Konstruktion sogar _der_ _einzige_ _Ansatzpunkt_: Sie sind die
einzige ausgezeichnete Headerzeile in einem Newsartikel, alle
anderen - insbesondere die Newsgroups-Zeile - sind gleich. Das
ist die andere Nachricht, die ich hier versuche, in die Schaedel
reinzuhaemmern.

>Aber bleiben wir beim Beispiel:
>detebe wird mit jugendgefährdenden Artikeln vollgepustet. Die Eltern
>eines Minderjährigen, der das Teil von Dir/euch bezieht, erstatten
>Anzeige - weil ihr es zugänglich gemacht habt.
>Die Staatsanwaltschaft unterrichtet Dich, Du hast jetzt Kenntnis.

Die Staatsanwaltschaft koennte mich und alle anderen
Newsserverbetreiber von der Existenz dieser Artikel
unterrichten, indem Sie das Newssystem dazu verwendet. Sie
erzeugt einen neuen Artikel, der unter anderem die Headerzeilen

Control: cancel <id_des_boesen_artikels@boeser.host.de>
Approved: wir_sind_die_guten@staatsanwalt.de

erzeugt. In dem Moment, in dem ein normal konfiguriertes
Newssystem einen solchen Artikel zur Kenntnis nimmt,
verschwindet der Artikel mit der ID
<id_des_boesen_artikels@boeser.host.de>. Keine Schmerzen mehr.

Der Staatsanwalt kann auch bei jedem Provider einzeln anrufen
und die ID manuell durchbuchstabieren, wenn er lustig ist und
nicht lesen und schreiben kann (Newsartikel meine ich), aber
warum, wenn doch schon ein wesentlich leistungsfaehigeres und
vollautomatisches System existiert?

>Aber deshalb, soweit ich verstehe, dann die Konsequenz, daß Provider
>bestimmte Gruppen nicht mehr anbieten.

Gruppen, okay. Wieder meine Frage von oben: Wieso gerade Gruppen
und nicht Autoren, Schluesselworte oder - einzig sinnvoll -
Message-IDs.

>Und, jedenfalls aus meiner Sicht: ein Newsprovider, der anfängt, nach
>_seinem_ Rechts- oder Moralverständnis einzelne Artikel zu canceln,
>kann sich schon mal den Sarg anpassen lassen.

Es cancelt nicht irgendwer, sondern die BJS oder sonst eine
befugte Stelle. Und meinetwegen cancelt sie nicht, sondern
generiert PGP-Signierte NoCeM-Nachrichten - das ist effizienter,
faelschungssicher und feiner konfigurierbar. Das geht mit
Crosspostings und Spam in cl.* (Frank Ellert betreibt dort einen
vorbildlichen Bewertungsdienst) und mit Controlmessages
weltweit.

>>funktionsfaehig. Warum benutzt der so besorgte Staat ihn dann
>>nicht, sondern versteift sich auf untaugliche Massnahmen, die an
>>der vollkommen falschen Stelle ansetzen (Loeschung von
>>Newsgroups)

>Nein, nicht der Staat setzt darauf. Der will die Abrufbarkeit der
>konkreten Inhalte unterbinden - nicht die NG kippen.

Mit konstruktionsbedingt untauglichen Mitteln. Warum?

Kristian