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Re: [NETLAW-L] Staat und Selbstregulierung



Da ich im Moment etwas unter Zeitdruck bin, habe ich die 
Diskussion nicht so eng verfolgt. Ich wollte nur anmerken, 
daß dieses Thema unter der Überschrift Internet-Governance 
zur Zeit in den USA heiß umstritten ist. 
Ich war eingeladen, an einer Konferenz von CPSR (Computer 
Professionals for Social Responsability) in Boston am MIT 
teilzunehmen, die sich dem Thema widmete. 
Titel: One Planet, One Net. 

Dort wurde ebenfalls beklagt, daß es bei der derzeitigen Konstruktion 
der Top-Level - Verwaltung durch eine gemeinnützige NGO keine 
Demokratie gäbe. Insbesondere die Besetzung bzw. spätere Ersetzung 
der Mitglieder des Gremiums sei vollkommen undemokratisch. 
Das letzte Paper der IANA (vor Jon Postels Tod) findet sich auf 
http://www.iana.org/ man vergleiche auch meinen Artikel in der 
JurPC http://www.jura.uni-sb.de/jurpc/ über Domain Namen.

Verglichen mit dem bisher diskutierten amerikanischen Modell 
hat der DENIC in allerneuester Zeit eine exzellente Politik betrieben.
Insbesondere die Umstellung der Organisation in eine e.G hat 
viele Wogen geglättet. Das DENIC steht also auf viel festeren 
juristischen Füßen als das InterNIC. 

Dennoch halte ich den Ansatz von Sierk Haman für wichtig. Auf besagter 
Konferenz hielt Prof. Lawrence Lessig einen exzellenten Vortrag über 
das Demokratiedefizit bei der Erstellung von technischen Normen, die 
tatsächliche soziale Auswirkungen haben. Er ging dabei auch auf die 
besagten Internet - Gremien ein. Er mahnte an, sich über die Werte 
klarzuwerden, die man mit technischen Normen transportieren will und 
die hinter all den Diskussionen stehen. Das gilt auch für die Werte, 
die hinter dem Internet-Allheilmittel Selbstkontrolle stehen.

Insofern ermutige ich Herrn Haman ausdrücklich, seine Probleme mit 
der Selbstregulierung weiterzuverfolgen. Im aktuellen Datenschutz-
Streit der EU mit den USA ist dies ein zentrales Thema. Die USA wollen 
einen Datenschutz im privaten Sector via Selbstkontrolle, was heftig 
kritisiert wurde.
Nach der OECD-Konferenz und der CPSR-Konferenz habe ich zu 
Freunden gesagt, daß ich Gedenke meine Visitenkarten umzuschreiben:
Rigo Wenning, Experte für freiwillige Selbstkontrolle und E-Commerce :)

Beide Begriffe sind derart leer und modisch sowie medial überhöht,
daß über die dahinter stehenden Werte nicht mehr diskutiert wird.
Gerade nach diesen Werten sollten wir Fragen. Hier stimme ich Lessig 
zu. Wenn alles gut geht, gibts davon demnächst mehr in JurPC.

Grüße aus Saarbrücken

Rigo Wenning

At 10:52 31.10.1998 +0100, Dr. Thomas Lapp, Rechtsanwalt wrote:
>Hartmut Semken schrieb:
>
>> Aber einer Forderung nach Verstaatlichung der Aufgabe der DENIC kann
>> ich mich nicht anschließen.
>> Dann müßte man auch andere Organisationen (mir schweben im Moment die
>> Kammern und ähnliche Verbände durch den Kopf) verstaatlichen.
>
>Mit Kammern meinen Sie sicher IHK, HWK, BRAK, etc. Diese Kammern sind
>Körperschaften des öffentlichen Rechts und nehmen als solche
>Selbstverwaltungsaufgaben wahr. Ihre Aufgaben und Befugnisse sind
>gesetzlich definiert und sie unterliegen -in engen Grenzen, aber
>immerhin - einer staatlichen Kontrolle.
>Das ist beim rein privatrechtlichen Verein DENIC anders.
>

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wiss.Mit. Ass. iur. Rigo Wenning, mailto:wenning2@rz.uni-sb.de
Institut fuer Rechtsinformatik von Prof. Dr. Maximilian Herberger
Tel: +49 681 302 4961 (3105) Fax: +49 681 302 4469
Admin. du  web juridique de Sarrebruck: http://www.jura.uni-sb.de/france/