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[FYI] Der scharfe Schily (IV)



http://www.taz.de/~taz/981126.taz/is_T981126.242.html

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                      Vorbild Bayern

                      Auch Otto Schily läßt surfen: Das
                      Bundeskriminalamt richtet eine
                      Sonderdienststelle zur "anlaßunabhängigen
                      Kontrolle" des Internets ein

                      Wenn es um Kinderpornographie geht, will die
                      neue Regierung in Bonn nicht hinter der alten
                      zurückstehen - und Otto Schily schon gar nicht.
                      Anlaß bot dem Innenminister seine erste
                      Konferenz mit Länderkollegen vom vergangenen
                      Freitag. Nordrhein-Westfalens Innenminister
                      Behrens brachte eine Initiative ein, wonach beim
                      Bundeskriminalamt in Wiesbanden eine
                      "Zentralstelle zur Bekämpfung der
                      Internet-Kriminalität" eingerichtet werden möge.
                      Die neue Sonderabteilung soll - nach bayerischem
                      Vorbild - "anlaßunabhängige" Recherchen im
                      Internet durchführen. Zwar warnen Datenschützer
                      schon länger vor solchen Plänen. Ermittlungen
                      gegen beliebige Personen ohne konkreten
                      Tatverdacht sind kaum mit dem Schutz der
                      Privatsphäre vereinbar. "Anlaßunabhängige
                      Kontrollen" seien auch im Internet "ein
                      diffiziles Gebiet", sagte letzte Woche auch der
                      Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein.

                      Doch Otto Schily ließ sich davon nicht
                      beeindrucken. Die Zentralstelle werde "das
                      Internet und die Onlinedienste" nach
                      "strafrechtlich relevantem Material
                      durchforsten", sagte er nach der Konferenz in
                      Bonn. Sie werde ihre Erkenntnisse an die
                      Straverfolgungsbehörden der Länder weiterleiten
                      - angesichts der "schrecklichen und
                      verabscheuungswürdigen Vorgänge bei der
                      Kinderpornographie" sei die Amtshilfe "nicht zu
                      unterschätzen".

                      Das Bundeskriminalamt solle ihnen in zwölf
                      Monaten einen "Erfahrungsbericht" vorlegen,
                      beschlossen die Landesinnenminister außerdem.
                      Doch unabhängig davon, was die Netzpolizei in
                      Wiesbaden ermittelt, steht für die Regierungen
                      der Länder ohnehin fest, daß der
                      Kinderpornographie im Internet nur mit noch
                      schärferen Strafen und noch mehr Kontrolle
                      begegnet werden könne. Bayern hat kürzlich in
                      einer Bundesratsinitiative auch noch die
                      erweiterte Überwachung des Fernmeldeverkehrs,
                      die Anhebung der Mindeststrafe bei Verbreitung
                      von Kinderpornographie von drei auf sechs Monate
                      und die Anhebung der Höchststrafe bei Besitz von
                      Kinderpornographie von einem Jahr auf drei Jahre
                      gefordert.

                      [...]

                      Nach dem Wunsch vieler Politiker und
                      Kinderschutzinitiativen sollten die Fahnder auch
                      eigene Angebote ins Netz stellen dürfen, um
                      Konsumenten zu ermitteln und zu bestrafen - dies
                      tut das FBI nach Angaben des
                      Kinderporno-Spezialisten Detlef Drewes schon
                      lange. Die letzte Konsequenz solcher Szenarien
                      wäre ein Cross-Posting in die am häufigsten
                      frequentierten Usenet-Diskussionsforen mit einem
                      Verweis auf den Kinderporno-Server. Je weniger
                      dabei deutlich wird, daß man bei einem falschen
                      Klick in der Ermittlungsfalle landet, desto mehr
                      ahnungslose Surfer gehen ins Netz. Durch die
                      Protokolle der Provider und des Servers kann die
                      Identität ermittelt werden. Der Rest ist
                      Sammelarbeit. Das steigert die Aufklärungsquote
                      und ist ein gefundenes Fressen für die Medien:
                      ein neuer Schlag gegen die brutale
                      Kinderschänder-Mafia im Internet.

                      [...]

                      Auch die schärfere Verfolgung von Kinderpornos
                      im Netz trifft nicht den kommerziellen Markt.
                      Sie fördert eher - ungewollt - die weitere
                      sexuelle Ausbeutung von Kindern. Die
                      Abgeordneten, die vor fünf Jahren das
                      Besitzverbot beschlossen, waren sich dieser
                      Zusammenhänge nicht bewußt. Ob ein Umdenken
                      heute noch möglich ist, erscheint fraglich. 

                      Roland Beck

                      rbeck@gmx.de

                        TAZ Nr. 5696 vom 26.11.1998 Seite 19 Internet
                        308 Zeilen
                                     TAZ-Bericht Roland Beck


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