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Wassenaar



Hallo Liste,

auch wenn ich normalerweise etwas zurueckhaltender mit *politischen*
Kommentierungen bin (aber durchaus persoenlich ansprechbar), einige
Anmerkungen zum Verhandlungsergebnis von Wassenaar. Hier gibt es einige
Fehlinterpretationen, die ich gerne richtigstellen möchte:

1. Mr. Aaron ruft kurz nach Abschluss der Verhandlungen Reuters an und
erklärt das Ergebnis zum Erfolg seiner eigenen Bemuehungen, um die
Interessenwahrung der Strafverfolger. Alle schreien auf, denn: wenn die USA
dieses Ergebnis begruessen, muss es ja schaedlich fuer den Rest der Welt
sein. Doch WAS waren die urspruenglichen Ziele der US-Verwaltung in diesem
Spiel? Mit grossem Aufwand wurde doch versucht, in Wassenaar eine
Privilegierung von Key Recovery Produkten weltweit zu erreichen (durch die
Verbindung mit einem vereinfachten Genehmigungsverfahren). Dieser Versuch
schlug trotz erheblichen Drucks (und hier weiss ich, wovon ich spreche) bis
zur letzten Stunde fehl. Gewonnen hat die US-Verwaltung durch das
Verhandlungsergebnis wenig. Die europäische Kryptowirtschaft behaelt
grundsaetzlich ihre Wettbewerbsvorteile (und kann sie durch kuenftige
Gleichbehandlung von Soft- und Hardwarekomponenten bei den sog *mass market
products* sogar ausbauen), denn diese Vorteile hat sie, weil es in Europa
(ausser in Frankreich) keine staatlichen Vorgaben fuer das Design von
Kryptoprodukten gibt. Daran wird sich auch in Zukunft nichts aendern - allen
duesteren Prophezeiungen zum Trotz. Dennoch: alle Achtung vor Mr. Aaron, der
auf diese Weise aus einer Teilniederlage einen Sieg macht und vor allem -
wie gut er die allgemeine Stimmungslage einschaetzte.

2. Man darf Wassenaar nicht mit der EU Dual Use Verordung und dem AWG
verwechseln. Im Wassenaar Agreement werden die Produkte definiert, die der
nationalen Exportkontrolle unterfallen sollen. Entscheidend fuer
ExportBESCHRAENKUNGEN ist aber das Verfahren (vorgegeben durch die Dual Use
VO), mit dem Ausfuhren kontrolliert werden und hier gibt es eine ganze
Bandbreite von Moeglichkeiten. Auch Anzeigepflichten und "One Time Reviews"
zaehlen dazu, und die stellen kaum ernsthafte Hindernisse dar.

3. Das Ergebnis von Wassenaar hat nur wenig Einfluss auf die Moeglichkeiten
deutscher Nutzer vertraulich zu kommunizieren (Echelon in DIESEM
Zusammenhang zu zititieren ist wirklich etwas weit hergeholt), denn
Kryptobeschraenkungen gibt es in Deutschland nicht und daran....(s. o.).
Aber vielleicht haben ja die Vetreter der US-Datenschutzorganisationen ja
recht, die mir bei der diesjaehrigen RSA-Konferenz versicherten, bei ihrem
Kampf gegen die US-Exportbeschraenkungen gehe es nicht zuletzt auch darum,
dass wir Europaeer endlich ordentliche Kryptoprodukte bekaemen ;-).

Viele Gruesse
Ulrich Sandl


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aus den ZD-News vom 4. 12.

Deutschland will angeblich Export von Verschlüsselungssoftware verbieten
33 OECD-Staaten unterzeichnen Wassenaar-Abkommen / Akzeptieren
Crypto-Bestimmungen der USA / E-Mails können gelesen werden
4. Dezember 1998 (dmu)
Die US-Regierung unter Präsident Bill Clinton hat mitgeteilt, daß andere
führende Industrienationen dieselben strengen Exportbestimmungen für
Verschlüsselungssoftware übernehmen werden, die in den USA Geltung haben.
Darauf hätten sich die Vertreter von 33 OECD-Staaten gestern in Wien
geeinigt.

Die Ausfuhr von Kodierungs-Programmen unterliegt in den Staaten ähnlichen
Bestimmungen wie der Waffenexport. In Europa dagegen darf
Verschlüsselungssoftware ohne Einschränkungen produziert, angewendet und
exportiert werden. Die Bestimmungen in den USA haben den dort produzierenden
Softwareunternehmen einen deutlichen Wettbewerbsnachteil beschert, während
die Entwickler in der EU mit dem Verkauf von Kryptographiesoftware viel Geld
verdienten.

Nach Aussagen von US-Regierungssprechern haben nun aber 33 Industrienationen
das "Wassenaar"-Abkommen (www.wassenaar.org) unterzeichnet. Es sieht vor,
daß Verschlüsselungssoftware mit Schlüssellängen über 64 Bit nicht mehr
exportiert werden darf.

Das Wassenaar-Abkommen hat zum Ziel, den Export von Waffen und
waffenähnlichen Techniken zu unterbinden und so regionale und internationale
Sicherheit zu gewährleisten.

Gleichzeitig bedeutet die Anerkennung von Exportbestimmungen für
Kryptografie-Software zum einen Milliarden-Verluste für die europäische
Softwareindustrie, zum anderen eine Einschränkung des Rechts auf
Privatsphäre. Den Anwendern wird es deutlich erschwert, E-Mails so zu
verschlüsseln, daß niemand, auch kein Geheimdienst, sie mehr dechiffrieren
kann.

Für Deutschland hat das Bundesausfuhramt das Abkommen unterzeichnet. Es
handelt sich dabei um eine Unterabteilung des Wirtschaftsministeriums
(BWMi). Sprecher der Behörde, des BMWi und des Justizministeriums waren auf
Anfrage nicht in der Lage, zu dem Abkommen und seinen genauen Inhalten
Stellung zu nehmen.

Zu den unterzeichnenden Nationen zählen Argentinien, Australien, Österreich,
Belgien, Bulgarien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Finnland, Frankreich,
Deutschland, Griechenland, Ungarn, Irland, Italien, Japan, Luxemburg,
Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Polen, Portugal, Südkorea, Rumänien,
Russland, Slovakei, Spanien, Schweden, Schweiz, Türkei, Ukraine,
Großbritannien und die USA.

Im Laufe des Tages wollen die Behörden in Wien und Bonn Erklärungen abgeben.

Kontakt: Bundesausfuhramt , Tel.: 06196/9080; Sekretariat Wassenaar
Arrangement, Tel.: 0043-1/516360