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[Spy Book] Reiner Rupp aka Topas



Medienexperimente, mal was fürs Herz, aber auch wg. offener Bücher, Historie,
Hintergrundinfo, diesmal aus einer Papierquelle: 

Polmar/Allen: "Spy Book. The Encyclopedia of Espionage", Random House, 1997,
ISBN 0-679-42514-4.  Die Übersetzung ist (c)1998 FITUG und wird unter 
GPL (http://www.gnu.org) vertrieben.

  Rupp, Reiner           (geb. 1945)

  Bediensteter der North Atlantic Treaty Organization (NATO), der
  1977 bis 1989 für die DDR spionierte.  Er und seine Gattin verhalfen
  der DDR --- und damit der Sowjetunion --- zu Kopien von schätzungs-
  weise 10000 Dokumenten.  Ihre Spionagetätigkeit, so ein dt.
  Ermittler, "hätte der NATO einen Krieg kosten können."

  Rupp, geb. in Westdeutschland, wurde 1968 in die Stasi rekrutiert,
  als er Student war.  Ihm wurde nahegelegt, weiter zu studieren und
  auf weitere Anweisungen zu warten.  Im Jahr 1970 traf er in Brüssel
  die in England geborene Ann-Christian Bowen.  Als Sekretärin im
  Londoner Verteidigungsministerium war sie 1968 mit der britischen
  Militärmission zur NATO gesandt worden.  Zu jener Zeit konzentrierte
  sich die Stasi auf Sekretärinnen bei der NATO und westdeutschen
  politischen und militärischen Stellen.  Die Stasi nannte ihre
  verführerischen männlichen Agenten "Romeos", aber Rupp hatte wohl
  tiefergehende Empfindungen für die britische Sekretärin übrig.

  Sie verliebten sich und Rupp gestand ihr, von der Stasi rekrutiert
  worden zu sein.  Zu diesem Zeitpunkt waren sie sich über ihre
  antiamerikanischen und anti-Vietnamkrieg-Ansichten einig.  Ohne
  weiteres akzeptierte sie seine Spionagetätigkeit und begleitete ihn
  nach Ostberlin zum Training, wo sie ebenfalls einverstanden war, zu
  spionieren.  Sie heirateten 1972.

  In ihrer Handtasche schmuggelte sie NATO-Dokumente aus dem Hauptquartier;
  einige der Dokumente hatten den Stempel "COSMIC", die höchste NATO-
  Geheimhaltungsstufe.  Zuhause wurden diese dann von Rupp mit einer
  von der Stasi gelieferten Kamera fotografiert und von ihr am nächsten
  Tag zurückgebracht.  Über ein Stasi-Funkgerät erhielt er verschlüsselte
  Anweisungen.  Bei ihren Führungsagenten hatten die beiden die Namen
  Topas und Türkis.

  1977 begann Rupp einen Job in der internationalen Wirtschaftsabteilung
  der NATO; er hatte nun auch Dokumente nach Hause zu schaffen und zu
  fotografieren.  Ann-Christian Rupp spionierte weiter bis 1980, als
  sie das erste ihrer drei Kinder zur Welt brachte.  Sie sagte später,
  sie wurde vom Kommunismus enttäuscht und fühlte, daß Mutterschaft und
  Spionage keine gute Mischung ergaben.  Die Führungsagenten des Paars
  akzeptierten ihre Entscheidung.  Rupp machte weiter, aber, wie
  Ann-Christian später sagte, "hatten wir ständige Diskussionen und
  ich versuchte, ihn dazu zu bringen, aufzuhören."

  Rupp bekam Zweifel, ironischerweise weil er aus den NATO-Dokumenten
  herauslesen konnte, daß die NATO-Pläne defensiv waren; nach dem
  sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 war er an der Reihe, 
  enttäuscht zu sein.  Er erzählte seiner Frau, er hätte aufgehört, aber
  das war gelogen.  Geld könnte eine Rolle gespielt haben - die Stasi
  zahlte ihm 1500 Dollar im Monat und er machte weiter, als die Berliner
  Mauer fiel.

  Nach der Wiedervereinigung Oktober 1990 suchten westliche Geheimdienst-
  Ermittler in den Stasiakten nach einem Spion mit dem Codenamen Topas.
  Schlußendlich, mit Hilfe eines Informanten, kamen sie auf Rupp und
  verhafteten ihn und seine Frau, als sie Juli 1993 seine Verwandten 
  in der BRD besuchten.

  "Ich habe falsch gehandelt und bin bereit, dafür zu bezahlen," sagte
  Rupp November 1994, als er wg. Verrat zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt
  wurde.  Ann-Christian bekam 22 Monate auf Bewährung.


Soviel zu diesen schillernden Personen.  Meine pers. Meinung: wenn Rupp
glaubhaft machen kann, daß er nicht erpreßbar ist, weder von den einen noch
den anderen, mag seine Einsetzung angehen - es hat sicher Vorteile, jmd mit
diesbzgl. Erfahrung in den Ausschüssen zu haben; daß die Kontrolleure selbst
kontrolliert werden, sollte inzwischen selbstverständlich sein.

Aber wer sind die anderen Kontrolleure?
ralf
-- 
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