[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[FYI] ENFOPOL
- To: debate@fitug.de
- Subject: [FYI] ENFOPOL
- From: Horns@t-online.de (Axel H. Horns)
- Date: Fri, 1 Jan 1999 12:20:34 +0100
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Comments: Sender has elected to use 8-bit data in this message. If problems arise, refer to postmaster at sender's site.
- Organization: Private Site
- Priority: normal
- Reply-to: horns@t-online.de
- Sender: owner-debate@fitug.de
http://www.berliner-morgenpost.de/bin/bm/e?u=/bm/inhalt/heute/fernsehe
n/story01.html
-------------------------- CUT -------------------------
Der große europäische
Lauschangriff
Empörung in Deutschland über geheime
EU-Abhörpläne von Telekommunikation und
Internet
Von Ch. Schulzki-Haddouti
Die europäische Union plant die Überwachung des
Telekommunikationsverkehrs sowie des Internet.
Das geht aus geheimen EU-Unterlagen namens
«Enfopol 98» hervor. Wenn es nach den
europäischen Innenministern geht, sollen schon bald
Strafverfolgungsbehörden, Zollämter und
Geheimdienste Zugriff auf den gesamten
Fernmeldeverkehr erhalten: Festnetz- und
Mobiltelefonie, Internet und Fax, Pager und
interaktives Kabel-TV.
Der Clou des bislang geheimen Entwurfs eines
EU-Ratsbeschlusses, den das Internet-Magazin
Telepolis enthüllte: Die Abhörschnittstellen jedes
EU-Mitgliedstaates sollen jedem anderen
EU-Mitgliedstaat das Abhören über Fernzugriff
ermöglichen. Die USA, Kanada, Australien und
Neuseeland sollen auch an dem Netzwerk
teilnehmen können. Das amerikanische FBI hätte
sekundenschnellen Zugriff auf die europäische
Kommunikation.
[..]
Abgeordnete, Bürgerrechtler und Datenschützer
laufen mittlerweile Sturm gegen die
Überwachungspläne. Als «inakzeptabel, gefährlich
und teuer» verurteilt der
SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss die Pläne
der EU-Innenminister. Hier sei nicht nur «jegliches
Maß für Verhältnismäßigkeit» abhanden
gekommen, Enfopol stelle sogar «alle deutschen
Bestimmungen zum Lauschangriff in den Schatten».
Ute Bernhardt und Ingo Ruhmann,
Vorstandsmitglieder des Forums InformatikerInnen
für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung,
kritisieren: «Ausufernde Überwachungsvorschriften
passen leider nur zu gut ins Bild von
Polizeibehörden, die sich jeglicher Kontrolle
entziehen möchten.» Auch der
schleswig-holsteinische Landesbeauftragte für den
Datenschutz, Helmut Bäumler, vermißt die
«notwendige Sensibilität». So fallen bei der
Überwachung der Telekommunikation nicht nur
Inhalte von Telefongesprächen an. Aus den
Überwachungsdaten lasse sich auch ein
«detailliertes Persönlichkeitsbild» zusammenstellen.
Zwar ist die angestrebte EU-Ratsentschließung
Enfopol für die Mitgliedstaaten nicht
rechtsverbindlich, da Überwachungsmaßnahmen
auch weiterhin eine nationale Angelegenheit bleiben.
Doch sie bestimmt die Ausgestaltung künftiger
Rechtshilfeabkommen. So heißt es in einer ebenfalls
öffentlich gewordenen Tischvorlage, daß die für die
Telekommunikation zuständigen Minister die
EU-Auffassung unterstützen und mit den Justiz- und
Innenministern zusammenarbeiten sollen, um einen
europäischen Standard zu erreichen.
Während es in Bonner Ministerialkreisen heißt, man
wolle während der deutschen Ratspräsidentschaft
im ersten Halbjahr 1999 nicht über dieses Thema
beraten, drücken die Österreicher auf Tempo.
Anfang Dezember traf der europäische Justiz- und
Innenausschuß bereits zusammen, im Januar sollen
letzte Details der Konvention im Europäischen Rat
vereinbart werden. Bereits im Jahr 2000 könnten
die Parlamente in den EU-Mitgliedstaaten die
Konvention als Bestandteil der nationalen
Gesetzgebung ratifizieren.
Angesichts der wachsenden Kritik ist dies allerdings
unwahrscheinlich. Justizministerin Herta
Däubler-Gmelin (SPD) wünscht «neue Sicherungen
für die Bürgerrechte» bei der geheimdienstlichen
Tätigkeit und der sogenannten Vorfeldarbeit der
Polizei. Im Sommer will sie hierzu einen Kreis von
Verfassungsrechtlern und Fachleuten
zusammenbringen, um Vorschläge zu erarbeiten.
Die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten
Halbjahr 1999 müsse ein deutliches Signal setzen,
um die Bedrohung für Bürgerrechte, Wirtschaft und
Wissenschaft zu verhindern, fordert Jörg Tauss.
Enfopol sei zudem nicht finanzierbar. Tauss rechnet
mit Kosten, die «alle jetzigen Militärausgaben in der
EU übertreffen». Der bündnisgrüne
Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele forderte
jetzt das deutsche Innen und Justizministerium auf,
in Brüssel auf die «Überprüfung dieses gefährlichen,
teueren und fragwürdigen Vorhabens» zu dringen.
-------------------------- CUT -------------------------