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[FYI: Postulate für sozialverträgliche kommerzielle E-Mail]



Das folgende habe ich gerade auf netlaw losgelassen.  Der kreative
Teil ist in der zweiten Hälfte der Mail. ;)

Möller-Wolf ist laut seiner .signature Justitiar des DMMV.

tlr

----- Forwarded message from Thomas Roessler <roessler@guug.de> -----

Date: Mon, 18 Jan 1999 19:13:23 +0100
From: Thomas Roessler <roessler@guug.de>
To: NETLAW-L@LISTSERV.GMD.DE
Subject: Postulate für sozialverträgliche kommerzielle E-Mail

RA Detlef Möller-Wolf schrieb (Zitate aus verschiedenen Mails):

> Ja natürlich, aber müssen wir deshalb mit dem Holzhammer
> zuschlagen? Ist das Totalverbot denn die einzige Lösung, die dem
> 'homo communicator' einfällt?

Natürlich nicht, und das wurde von vielen hier auch glasklar gesagt.

Die Forderung, die die "Community" zum Thema E-Mail-Werbung hat, ist
von großer Schlichtheit:

 Wer keine Werbung haben möchte, soll damit in Ruhe gelassen werden.

Folgerungen aus dieser Forderung sind unter anderem, daß
Internet-Werbung in einer Form zu gestalten ist, die Kosten für
unbeteiligte Dritte vermeidet.  Es folgt weiterhin, daß Werbung auf
eine Art und Weise zu gestalten ist, die auch das
Kommunikationsverhalten Dritter nicht beeinträchtigt.

Das gilt auch für die mögliche Kennzeichnung von E-Mail-Werbung.
Sie schlagen dazu vor:

> Abstrakt sehe ich das so: Wenn einem Begriff im Betreff einer
> E-mail eine bestimmte Bedeutung beigelegt wird, kann man davon
> ausgehen, daß diese den Usern auch bekannt ist und von da an dort
> auch nur noch bewußt benutzt wird; dieser Begriff ist dann quasi
> 'gesetzlich geschützt'. Zwar sind auch dann noch Fehler möglich,
> aber dieses Problem besteht immer bei der Einführung neuer
> Kodierungen, - nicht nur im Internet.

Ich halte diese Idee nicht für sonderlich durchdacht.  Warum
Datenfelder, die dem Nutzer zur direkten Wahrnehmung präsentiert
werden, benutzen, um 1 Bit Information unterzubringen?  Warum dieses
eine Bit Information in einer vom kulturellen/sprachlichen
Hintergrund des Nutzers abhängigen Form codieren?

So etwas gehört in den Envelope einer Nachricht und in einen
speziellen, eigens hierfür geschaffenen Header.  Dessen
Interpretation gehört der Software des Nutzers überlassen, die diese
Information in geeigneter Form präsentieren kann.


Zu den erhitzten Reaktionen sei noch eins gesagt: Überlegen Sie sich
einmal, in was für einem Umfeld Sie eigentlich operieren, wenn von
Werbe-E-Mail die Rede ist.  Dieses Umfeld ist (leider) schlicht und
ergreifend kriminell.

Oder was würden Sie über Werbetreibende sagen, die

- ihre Absenderadresse fälschen?
- offensichtlich betrügerische Angebote verbreiten?
- unautorisiert Dienste Dritter in Anspruch nehmen, wenn sie nur an
  diese Dienste herankönnen (es ist doch einfach nur pervers, daß
  Werbe-E-Mail dazu geführt hat, daß fast sämtliche offenen
  Mail-Relays dicht sind - als ich vor fast sieben Jahren das erste
  Mal mit dem Netz zu tun hatte, waren _alle_ Relays offen)?
- versuchen, ihre Werbe-Angebote nicht etwa als Werbung zu
  kennzeichnen, sondern pseudo-persönliche Anschreiben teilweise
  anzüglichen Inhalts verwenden?

Nehmen Sie diese Eigenschaften der durchschnittlichen Werbe-E-mail,
wie sie heutzutage in den Mailboxen landet, und Sie wissen, wie die
Ihrer Meinung nach "hormongeladenen" Reaktionen vieler Netizens
zustande kommen.  

Sie werden vor so einem Hintergrund auch verstehen, daß für viele
Netizens ein einfaches opt-out nicht als gangbare Lösung erscheint:
Herrschende Meinung unter vielen Nutzern ist immer noch, daß diese
opt-out-Listen allein den Zweck haben, Spam-Listen hoher Qualität
(nämlich mit garantiert funktionierenden Adressen) zu erzeugen.  Ob
und in wieweit das stimmt, und wie durchdacht diese Ansicht ist,
spielt dabei gar keine Rolle - es ändert nämlich nichts daran, daß
durch die heute praktizierten Wild-West-Praktiken die Stimmung unter
Nutzern und ISPs gründlich vergiftet ist.


An die Werbetreibenden ergibt sich aus diesen Betrachtungen der Rat,
mit Werbe-E-Mail einstweilen sehr vorsichtig zu sein.  Es ist sehr
leicht, sich auf diesem Wege selbst ein Bein zu stellen und die
eigene Reputation im Netz ganz arg zu ramponieren.


Für sozialverträgliche Werbe-E-Mail ergeben sich folgende
Forderungen:

- Es muß für den Nutzer leicht sein, die Zustellung von Werbe-E-Mail
  an seine Adresse zu unterbinden.
- Werbesendungen müssen so bandbreitenschonend wie möglich
  zugestellt werden.
- Persönliche Daten von Nutzern, die keine Werbesendungen wünschen,
  sollen Werbetreibende möglichst nicht erreichen.
- Die durch Werbesendungen entstehenden Kosten dürfen nicht zu
  Lasten derjenigen gehen, die keine Werbesendungen wünschen.


Mir fallen auf Anhieb mindestens zwei mögliche Lösungen ein, die
diese Kriterien erfüllen.  In beiden Ansätzen haben die ISPs eine
Schlüsselrolle.

- ISPs als Adressenhändler.

  In die Anbieterverträge würde eine Klausel aufgenommen, daß die
  Weitergabe der E-Mail-Adresse zu Werbezwecken gestattet ist. Diese
  Klausel müßte vom Nutzer gesondert angekreuzt werden (Opt-In). Der
  ISP gibt regelmäßig und entgeltlich (wichtig!) die Liste der
  werbefähigen Nutzer an interessierte Werbetreibende weiter. Dabei
  wird vertraglich eine (relativ kurze) Ablauffrist für diese Liste
  festgelegt.

  Diese Lösung hat verschiedene Vorteile: 

  -> Der ISP kann die durch Werbesendungen entstehenden Kosten auf
     den Werbetreibenden weitergeben; es ist nicht nötig, sie auf
     unbeteiligte Nutzer abzuwälzen.
  -> Es werden keine Daten von Nutzern weitergegeben, die keine
     Werbe-Email wünschen.
  -> Möchte ein Nutzer nach einiger Zeit keine E-Mail-Werbung mehr
     erhalten, so kann er sich leicht aus der Liste streichen
     lassen. Der festgelegte Expire der Liste sorgt dafür, daß nach
     relativ kurzer Zeit keine Werbung mehr bei ihm aufläuft.
  -> Der Kunde verlangt die Streichung von seinem Provider, zu dem
     bereits ein Vertrags- und auch Vertrauensverhältnis besteht.

- ISPs als Werbeverteiler.

  Wiederum sammeln die ISPs die Adressen derjenigen Nutzer, die
  Werbe-Nachrichten wünschen.  Sie tragen diese Daten in einen
  Mailverteiler für Werbenachrichten ein, der beim Provider selbst
  verwaltet und betrieben wird.

  Die Zustellung von Werbenachrichten über diesen Verteiler ist
  begrenzt und für den Werbetreibenden kostenpflichtig.

  Diese Lösung hat die gleichen Vorteile wie die erste, und einige
  weitere:

  -> Es verlassen überhaupt keine Nutzerdaten den Bereich des ISPs.
  -> Überflüssige Netzlast auf den Strecken zum ISP wird vermieden,
     da Werbesendungen genau einmal zum Provider übertragen werden
     müssen und die verwendeten Adressenlisten jederzeit aktuell 
     sind.
  -> Austräge aus der Verteilerliste für E-Mail-Werbung können
     umgehend und automatisiert vorgenommen werden.

Man beachte, daß beide Lösungen letztlich auf ein unspezifisches
opt-in hinauslaufen, das aber aus der Perspektive des
Werbetreibenden nicht wirklich von einer dort gewünschten
opt-out-Lösung zu unterscheiden wäre.

Mir ist klar, daß diese Lösungsansätze ziemlich sicher nicht
juristisch vorschreibbar wären.  Sie wären jedoch vermutlich in
einer Zusammenarbeit von Providern und Werbetreibenden umsetzbar -
und zwar zum Vorteil aller Beteiligten.

tlr
-- 
Thomas Roessler, FITUG e.V.
http://www.fitug.de/

----- End forwarded message -----

-- 
Thomas Roessler · 74a353cc0b19 · dg1ktr · http://home.pages.de/~roessler/
     2048/CE6AC6C1 · 4E 04 F0 BC 72 FF 14 23 44 85 D1 A1 3B B0 73 C1
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