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Einige Anmerkungen zum Thema Spam (was: Spam wird erlaubt....)



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[ Diese Nachricht kann gerne an NETLAW-L geforwarded werden. -- KK ]

In schulung.lists.fitug-debate you write:
>in der Netlaw-L tobt gerade die Debatte mit Mitgliedern der DMMV ueber die
>sogenannte "Klarstellung" bezuegl. UCE/Spams.
>Nachzulesen im Archiv unter dem Thread: "RE [NETLAW-L] Spam wird
>erlaubt...."
>unter der URL:
>http://www.listserv.gmd.de/htbin/wa.exe?A1=ind9901&L=netlaw-l#38

Ich habe mir die Diskussion auf dem genannten Archiv einmal
durchgelesen. Meines Erachtens gehen in dieser Diskussion einige
Punkte unter:

Erst einmal sind es nicht die Kosten, die mir durch den
Transport der Nachrichten entstehen, die entscheidend sind fuer
meine persoenliche Aversion gegen Spam. Zwar entstehen mir
Kosten durch den Transport von Nachrichten, die ich nicht haben
will, aber diese Kosten sind verschwindend gering im Vergleich
zu den Verlusten, die ich durch verschwendete Lebenszeit habe.

Spam-Versender stehlen mir nicht nur meine Transportkapazitaet,
sie stehlen mir vor allen Dingen Zeit und Lebensqualitaet.

Sie koennen diesen Test fuer sich selbst machen: "Selbst wenn mir
durch den Transport von Spam keine weiteren Kosten entstuenden,
wuerde ich keinen Spam bekommen wollen.". Wenn Sie dieser
Aussage zustimmen, liegt der Fall bei Ihnen ganz genauso.

Insofern geht die Kostendiskussion am Kern der Sache vorbei.


Zweitens: Ich arbeite bei einem Provider (Aha, darum keine
Schmerzen mit den Kosten?) und wir betreiben seit einigen Jahren
selbstverstaendlich einige Mailinglisten, ueber die Kunden von
uns ueber aktuelle Produkte informieren koennen. Alle diese
Listen sind strictly opt-in, d.h. bei Bestellungen kann der
Kunde ankreuzen, ob er auf diese Mailingliste moechte und der
Schalter ist defaultmaessig auf "aus" gestellt - kein Kunde kann
"aus Versehen" auf eine solche Liste gelangen.
Selbstverstaendlich ist jede einzelne Nachricht mit einem E-Mail
Ansprechpartner und genauen Abbestellanweisungen markiert. Zudem
wirken wir auf unsere Kunden erzieherisch ein, indem wir ihnen
genaue Richtlinien bezueglich Form, Laenge und Frequenz der
versendeten Nachrichten an die Hand geben.

Nach unserer Erfahrung ist dies die einzige mailbasierte
Werbeform, die vom Verbraucher akzeptiert wird. Diese dafuer
dann aber um so lieber.


Als interaktives Medium ist das Internet vollkommen ungeeignet,
dem Beworbenen eine Kommunikation aufzuzwingen. Dies ist ein
wesentlicher Unterschied zu Papierspam, zu Fernseh-, Radio- oder
Zeitungswerbung. Nicht das Medium muss den Beduerfnissen der
werbetreibenden Wirtschaft angepasst werden (siehe die
Diskussion um Werbekennzeichnung im Envelope, die am Kern der
Sache vollkommen vorbei geht), sondern die werbetreibende
Wirtschaft muss lernen, die Medien rezipientengerecht zu
bedienen.

Was wir hier beobachten, ist den Versuch einer
Interessengemeinschaft, ihre althergebrachten Formen der
Kommunikation auf ein neues, andersgeartetes Medium zu
uebertragen. Der DMMV lernt gerade - muss lernen, wenn er
erfolgreich sein moechte! - dass das neue Medium anders bedient
sein moechte.

Der DMMV schreibt in seiner "Klarstellung", dass sie noch
niemals eine derartig intensive Antwort auf eine PE aus dem Netz
bekommen haben. Rezientengerechte Medienbedienung ist das Wesen
der werbetreibenden Branche: Was mag eine derartig heftige
Antwort dem Werbetreibenden sagen? Koennte es sein, dass man
fundamental falsch an die Sache herangeht?


An die Adresse des DMMV gerichtet die folgenden beiden
Ueberlegungen:

Angenommen, ein DMMV-konformer Werbeversender verschickt
massenhaft unerwuenschte Mail, d.h. er sendet mit einem
korrekten Impressum und einer gueltigen Mailadresse
Werbesendungen an Empfaenger, die diese "Information" einen
Dreck interessiert. Was glauben Sie, wird die Antwort der
Empfaenger sein? Oder anders gefragt: Warum haben die derzeit
existierenden Spammer wohl Stealth-Mailer entwickelt und warum
trudeln mehr als 90% alles Spams auf meiner Adresse mit
ungueltigen Absenderadressen und ohne Impressum bei mir ein?

Die Antwort ist: Weil unerwuenschte Sendungen von der
ueberwiegenden Mehrheit der Empfaenger zurueck an den Absender
beschickt werden und weil ein guter Teil der Betroffenen als
Liebesgruss noch einen viele Megabyte schweren Stein mit
dranbindet.

Niemand kann so werben, wie sie es in ihrem Papier vorschlagen.
Entweder ein Werbemailversender arbeitet strikt auf opt-in Basis
oder er geht so vor wie die Mehrzahl der derzeit operierenden
Spammer, ohne Impressum und ohne gueltige Antwortadresse.

Und angenommen ein DMMV-konformer Werbeversender verschickt
massenhaft unerwuenschte Mail, d.h. er sendet seine Mail mit
einem im SMTP-Dialog erkennbaren Header, sodass der Mailer auf
der Gegenseite die Werbung schon vor der Uebertragung ablehnen
kann. Was glauben Sie, wird die Reaktion der Provider sein?
Wieviele Mails wuerde ein solcher Versender noch loswerden? Und
wie sollte ein solcher Werbeversender mit Teergruben umgehen (*1)?

Die Antwort ist: Sollte sich ein solches Kennzeichnungssystem
fuer Werbung im SMTP-Dialog durchsetzen, sind wir automatisch
wieder auf Feld 1. Denn fuer den Massenmailer lohnt es sich nun
nicht mehr, ueberhaupt zu senden: Der Kreis der Empfaenger ist
fuer ihn sehr klein geworden und im Kreis der Ablehnenden
verstecken sich unter Umstaenden genuegend viele
Teergrubenbetreiber, dass er mitsamt seinem Mailer absaeuft,
sobald er den Werbe-Header gesendet hat.


Fuer Werbemails kann es nur eine Loesung geben, das muss der
DMMV verstehen.

Diese Loesung heisst opt-in.

Kristian

(*1) Eine Teergrube ist ein Mailer, der Spam im SMTP-Dialog
     erkennen kann und die Datenuebertragung kuenstlich extrem
verlangsamt. Der Werbeversender wird dadurch im Absetzen seiner
Nachrichten behindert, denn er wird gezwungen eine Vielzahl von
Verbindungen parallel aufzubauen und kann diese nicht wieder
schliessen, bis die Uebertragung abgeschlossen ist. Aehnlich wie
ein Mammut in einer eiszeitlichen Teergrube ertrinkt der
Werbeversender langsam, aber sicher in der schieren Anzahl von
Verbindungen, die er aufbaut und nicht wieder loswird. Dadurch
entstehen ihm extreme Onlinezeiten und Transportmengen, die das
Senden fuer ihn unwirtschaftlich werden lassen.

Prototypische Teergruben sind bei Lutz Donnerhacke erhaeltlich.