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[FYI] (Fwd) URECHT: BGH, Urt. v. 25.02.1999



[Das Aufkommen des Internets scheint den Urheberrechtssenaten 
erhebliche Probleme zu bereiten - Was per Schneckenpost noch erlaubt 
war, ist jetzt untersagt (e-pressearchiv) oder es kostet (s.u.) -AHH]

------- Forwarded Message Follows -------
Date:          Sun, 28 Feb 1999 21:51:34 +0100
To:            urecht@jurix.jura.uni-sb.de
From:          Markus Junker <m.junker@rz.uni-sb.de>
Subject:       URECHT: BGH, Urt. v. 25.02.1999 [Urheberrechtliche 
               Zulässigkeit
               des Kopienversands öffentlicher Bibliotheken]

URL:
http://www.jura.uni-sb.de/Entscheidungen/Bundesgerichte/BGH/zivil/kopi
en.html

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Bundesgerichtshof - Pressemitteilung Nr. 16 vom 26.02.1999 

Urheberrechtliche Zulässigkeit des Kopienversands öffentlicher
Bibliotheken 

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes hatte auf Klage des Börsenvereins des Deutschen
Buchhandels e.V. gegen das Land Niedersachsen (als Träger der
Technischen Informationsbibliothek Hannover (TIB)) über die Frage zu
entscheiden, ob eine öffentliche Bibliothek Urheberrechte verletzt,
wenn sie auf Einzelbestellung gegen Bezahlung Kopien urheberrechtlich
geschützter Zeitschriftenbeiträge herstellt und an den Auftraggeber
mittels Telefax oder mit der Post übersendet. Nicht Gegenstand der
Entscheidung war die Frage, ob eine öffentliche Bibliothek ohne
Zustimmung der Urheber Zeitschriftenbeiträge in eine Datenbank
einspeichern und auf Online-Abruf an Nutzer übertragen darf oder für
Auftraggeber nach vorherigen Recherchedienstleistungen Kopien
herstellen darf (zu letzterer Fallgestaltung vgl. BGHZ 134, 250 -
CB-infobank I). Die TIB sammelt im Verbund mit der
Universitätsbibliothek Hannover technische und naturwissenschaftliche
Literatur aus aller Welt. Auf Anforderung stellt sie Kopien von
Zeitschriftenbeiträgen her, die sie den Bestellern durch Telefax oder
mit der Post übermittelt. Die TIB unterhält einen über das Internet
zugänglichen Katalog ihrer Bestände; Bestellungen sind auch online
möglich. Für ihre Dienstleistungen wirbt die TIB weltweit. 

Nach Ansicht des Klägers verletzt die TIB mit ihrem Bestellservice bei
urheberrechtlich geschützter Literatur die Vervielfältigungs- und
Verbreitungsrechte der Urheberberechtigten. Er hat aus abgetretenem
Recht verschiedener Zeitschriftenverlage und deren Autoren
(insbesondere auf Unterlassung und Schadensersatz) geklagt und geltend
gemacht, die Praxis öffentlicher Bibliotheken, in größtem Umfang
Aufsatzkopien zu versenden, bedrohe das Verlagsgeschäft mit
Fachzeitschriften. Mit dem Kopienversand werde den Verlagen durch
Ausbeutung ihrer Leistung in wettbewerbsrechtlich unlauterer Weise
Konkurrenz gemacht. 

Die Beklagte hat demgegenüber vorgebracht, die TIB handele beim
Kopienversand nur im Auftrag der Besteller; die Herstellung der
Vervielfältigungen von Zeitschriftenbeiträgen sei daher nach § 53 UrhG
zulässig, welche Vorschrift Vervielfältigungen zum privaten und
sonstigen eigenen Gebrauch von dem Erfordernis einer Zustimmung des
Urhebers freistellt. 

Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Nach Ansicht des I.
Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus der Zweckbestimmung
des § 53 UrhG, die insbesondere durch die Gesetzesgeschichte der
Vorschrift verdeutlicht wird, daß der Gesetzgeber den
Kopienversanddienst öffentlicher Bibliotheken wegen der überragenden
Bedeutung, die der freie Zugang zu Fachinformationen für die
Allgemeinheit hat, nicht von einem Zustimmungsrecht der
Urheberberechtigten abhängig machen wollte. Dementsprechend war der
Unterlassungsantrag abzuweisen. 

Seit der Entscheidung des Gesetzgebers haben sich allerdings die
Verhältnisse grundlegend verändert. Der Kopienversand kann heute nicht
mehr lediglich als eine dem Verlagsgeschäft nachfolgende Werknutzung
von vergleichsweise geringerer Bedeutung angesehen werden. Das
Internet ermöglicht einem Massenpublikum - zunehmend unabhängig von
Ort und Zeit -, Datenbanken zur Literaturrecherche zu benutzen und
online Kopien auch von neuesten Zeitschriftenbeiträgen zu bestellen.
Mit Hilfe von Telefaxgeräten können solche Bestellungen in kürzester
Zeit abgewickelt werden. Angesichts dieser Steigerung der
Zugriffsmöglichkeiten auf Zeitschriftenbeiträge unabhängig vom
Verlagsvertrieb gebieten es nunmehr der Schutz des Urheberrechts als
geistiges Eigentum (Art. 14 GG) sowie die Vorschriften der
internationalen Urheberrechtsabkommen (Revidierte Berner Übereinkunft
und TRIPS-Abkommen), den Urhebern einen Anspruch auf angemessene
Vergütung als Ausgleich für die Freistellung des Kopienversands vom
Verbotsrecht durch § 53 UrhG zuzugestehen. Die Einschränkung des
Ausschließlichkeitsrechts durch diese Vorschrift ist dagegen nach wie
vor zu beachten, weil die Gründe, auf die der Gesetzgeber abgestellt
hat, unverändert fortbestehen. 

Die durch die technische und wirtschaftliche Entwicklung entstandene
Gesetzeslücke ist dadurch zu schließen, daß - in Anwendung des
Rechtsgedankens, der in den Vorschriften des § 27 UrhG (sog.
Bibliothekstantieme), des § 49 UrhG (Pressespiegel) und des § 54 UrhG
(Betreibervergütung) zum Ausdruck gekommen ist - beim Kopienversand
auf Einzelbestellung durch eine der Öffentlichkeit zugängliche
Einrichtung ein Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung gegen
diese anzuerkennen ist. Da eine solche Forderung nur durch eine
Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann, blieb der
Anspruch des Klägers auf eine Entschädigung für die Nutzung der
Zeitschriftenbeiträge, an denen er Rechte geltend gemacht hat,
ebenfalls ohne Erfolg. 

Entscheidung vom 25.02.1999 - I ZR 118/96 

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Mit freundlichen Gruessen,

Markus Junker

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Universitaet des Saarlandes - Lehrstuhl fuer Buergerliches Recht,
Rechtstheorie und Rechtsinformatik (Prof. Dr. Maximilian Herberger)
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