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Re: Die Zukunft des Internet-Musikmarktes



PILCH Hartmut wrote:
 
> On Sat, 20 Mar 1999, Jo Schaefers wrote:
[...]
> > Gewagte These, auch Genies benoetigen Werkzeuge. Mir ist kein
> > Komponist bekannt, der seine Kompositionen zunaechst komplett
> > im Kopf entwickelt(e) und dann das Ergebnis in einem Zug "ausspielt".
> 
> Schostakowitsch behauptet von sich aehnliches in seinen Memoiren.  Aber
> das normale ist natuerlich, dass der Komponist sein Werk und Teile davon
> oefters notiert.  So tat es Beethoven nach jedem Spaziergang.  Das dient
> als Gedaechtnisstuetze.  So kann man etwas leichter wiederaufwaermen. 

Und wuerde nach deiner bisherigen Aussage die Virtusitaet behindern.

> Die Notation wird aber muttersprachlich beherrscht, ohne Sprechwerkzeuge
> wie Klavier oder GUI.  

Eigentlich bist du der Sprachenexperte, aber : Soweit ich mich 
erinnern kann, ist es _nicht_ moeglich eine zweite, parallele 
Muttersprache zu erlernen.  Die Muttersprache ist die native 
Sprache fuer einen Menschen. Jede weitere Sprache, wenn man Notation 
mal als Sprache bezeichnet, ist somit ein Fremdsprache. Eine direkte, 
native Verwendung dieser Sprache ist somit _nicht_ moeglich. 
 
> > (Auch die Entwicklung komplexer Programme duerfte niemand allein im
> > Kopf bewaeltigen koennen. Manchmal sind auch Kruecken notwendig.)
> 
> Gedaechtnisstuetzen sind da noch mehr als beim Komponieren notwendig.

Klares Nein, zumindest nicht nach der bisherigen Argumentation. Ich 
behaupte, da3 viele Werke der klassischen Musik ueber einen aehnlichen
Komplexitaetsgrad wie Computerprogramme verfuegen.

[...]

> Eine GUI schraenkt oertlich ein, verlangt, dass man hinschaut und
> interagiert. Beim Klavier ist entscheidend, dass man die Augen
> freibekommt, d.h. die Tasten nicht mit den Augen sucht.  Beim Komponieren
> ist es entscheidend, dass die Idee auch beim Spaziergang kommen kann.
>

Richtig, aber was hindert dich daran, das Erdachte mit einem GUI-
basierten System umzusetzen ? Imho erweitern sich durch solche 
Systeme auch die Moeglichkeiten fuer Kopfkompositionen, damit 
natuerlich auch die Datenmengen. 

> Es mag auch sein, dass im MIDI-Bereich die aktuelle Entwicklung einfach
> noch nicht so weit ist, dass es Virtuosen gibt.  Die Entwicklung selbst
> ist hier vielleicht in einem Zwischenstadium.

Das sehe ich anders. Es gibt allerdings auch viele, die einfach nur
herumexperimentieren ... Viele mir bekannte Musiker haben allerdings
schon vor dem ersten Tastendruck (am Rechner) eine recht genau Vors-
tellung von dem, was sie machen wollen. Den gilt es moeglichst 
direkt umzusetzen. Wer sein Werkzeug / Instrument beherrscht, schafft
das ohne sich zu verklicken oder ins Spielen zu geraten. 

[...]
> > Bei Midi ist das anders, da sitzt du an einem Steuergeraet.
> 
> Stimmt: beim Umgang mit diesem Steuergeraet kann es auch eine Art
> Virtuositaet geben, ein Zwischending zwischen Interpretieren und
> Komponieren.  Wie weit ist dessen Entwicklungsraum aber?  Stoesst
> das nicht recht bald an Grenzen, wo entweder nichts mehr beeinflusst
> werden kann oder aber das klassische, werkzeugunbelastete Komponieren
> vorzuziehen ist?

Im Gegenteil. Die Grenze sehe ich eher auf der Userseite. Im Gegensatz
zur klassischen Kompositionsformen mit nur wenigen (gedanklichen) In-
strumenten, steht man hier vor einer fast unendlichen Zahl von Moeglich-
keiten. Diese will erst einmal bewaeltigt / beherrscht werden. Mit 
Unterwerkzeugen kann dies Moeglich werden. Vielleicht auch mit einer 
getrennten, klassischen (gedanklichen) Vorkomposition ... 

Olaf