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Re: Muttersprache / Re: Die Zukunft des Internet-Musikmarktes



On Thu, 25 Mar 1999, Arne Haeckel wrote:

> > wie ist da bitte Mutterprache definiert?

In dem urspruenglich von mir aufgebrachten Zusammenhang
("muttersprachliche Kenntnis des musikalischen Mediums")
bedeutete das nur, dass das Medium eine Fortsetzung des eigenen
Denkens ist und man damit umgehen kann, ohne seine Existenz zu bemerken.
Natuerlich kann man mehrere solche "Muttersprachen" haben.

> Vor längerer Zeit hatte ich mal einen Artikel über eine kanadische 
> Untersuchung gelesen. Und da hatten die Untersucher einen 
> Zusammenhang zwischen Qualität der Sprachbeherrschung 
> (Aussprache, Grammatik und Vokabular) gesucht und dem Alter, in 
> dem die jeweilige Sprache gelernt wurde. 

Klingt nach statistischer und folglich wenig aussagekraeftiger
Fragestellung.

> Kurzfassung des Ergebnisses: 
> Kontakt mit der/den Sprachen vor dem dritten Lebensjahr führt bei einer 
> nahezu beliebiegen Anzahl von Sprache (in der Untersuchung waren 
> Kinder mit bis zu drei "Muttersprachen" beteiligt) zu gleicher 
> Sprachbeherrschung.
> Kontakt mit einer Sprache erst nach dem dritten Lebensjahr führte 
> demnach zu kleinen Qualitätsverlusten, Kontakte mit einer Sprache 
> nach dem sechsten Lebensjahr zu deutlichen Qualitätsverlusten.

Das ist m.E. deshalb so, weil die Menschen, wenn sie schon eine Sprache
beherrschen, bei der zweiten sich nicht mehr die gleiche Muehe geben, denn
(1) sie koennen auch so kommunizieren
(2) sie koennen durch (unzulaessigen) Rueckgriff auf die erste
    Sprache ihren Lernweg verkuerzen     
Am schwersten ist die Muttersprache, nur meistens hat man diese
Schwierigkeit vergessen.  Ich erlebe sie gerade bei meiner Tochter.

> Messungen immer unter der Voraussetzung, daß die erste erlernte 
> Sprache weiter ausgeübt wurde.
> Interessant an dem Versuch war, daß Kanada ein Land ist, in dem es 
> nicht nur zwei offizielle und "fanatisch" verfochtene Sprachen gibt, 
> sondern auch viele Kinder von deutschen bzw. chinesischen Eltern, die 
> ihre jeweilige Sprache viel verwenden.

Ich habe selber noch mit >18 Jahren ostasiatische Sprachen
quasi-muttersprachlich gelernt, dass ich nach langen Telefonaten immer
fuer einen Chinesen gehalten werde und haefig Chinesisch (oder Japanisch)
denke/traeume und in beide muehelos simultan dolmetsche.  Die meisten
kanadischen Chinesen hingegen geben sich schnell als
"nicht-muttersprachlich" zu erkennen.  Der wesentliche Grund hierfuer ist,
dass es ihnen an chinesischsprachiger Schul- und Universitaetsbildung
sowie Erfahrung im Lesen und Aufsatzschreiben fehlt.  Ich habe hingegen
wie ein Suechtiger ostasiatische Buecher konsumiert und aktiv an
einschlaegigen Debatten teilgenommen.

Die Bezeichnung "muttersprachlich" ist insofern irrefuehrend.  Es kommt
m.E. nicht darauf an, was die Mutter mit einem sprach, sondern darauf,

* welche Sprache man unter vollem Einsatz der Kraefte (wie ein
  kraxelndes, bei Ausdrucksunfaehigkeit staendig weinendes Kleinkind) 
  ohne Ausweichmoeglichkeit gelernt hat
* in welcher Sprache man sein Denken ausgebildet hat

--
phm