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Kosovo-Krieg: Der Krieg im Internet





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## Ersteller: G.LANGE@LINK-GOE.de
## Betreff:   NATO/Jugoslawien/Medien: Der Krieg im Internet
## Erstellt:  12.04.99
## Msg ID:    7EhQ$zf9ENB@1lange.link-goe.de
## Quelle:    /cl/medien/internet



junge Welt, Montag, 12. April
1999, Nr. 84, Seite 13, feuilleton


 >> Kampf um Informationen

 > Der Krieg im Internet - ein kurzer Überblick. Von Stefan
 > Strehler

 In den letzten Tagen häuften sich Berichte, daß der Krieg auch im
 Netz stattfinden würde. Angeblich wurde die Homepage des NATO-
 Hauptquartiers von Belgrad aus mit e-mails bombardiert. Amerika-
 nische Hacker hätten versucht, die Website des jugoslawischen Ver-
 teidigungsministeriums zu knacken. Berichte dieser Art sind in
 der Regel kaum überprüfbar und gründen sich auf Informationen von
 Insidern, das heißt, von Leuten, die entweder selber an diesen
 Aktionen beteiligt sind oder aber von Beteiligten darüber infor-
 miert wurden. Der e-mail- oder Hacker-Krieg hat eher symbolischen
 Charakter. Direkter Einfluß auf die Kriegshandlungen kann damit
 nicht genommen werden.

 Wenn solche Störaktionen im Netz zu Erfolgen führen, wie am 10.
 April 1998, als 10.000 Menschen auf der ganzen Welt im Netz gegen
 den mexikanischen Präsidenten »demonstrierten«, dann stürzt eben
 die angesprochene Homepage für ein paar Stunden ab. Da es im Netz
 öfter zu Übertragungsstörungen kommt, fällt das unbeteiligten
 Netzbenutzern meist nicht auf. Etwas anderes ist es, wenn es einer
 Hackergruppe gelingt, auf einer NATO-Seite ein »Haut ab aus dem
 Kosovo« zu installieren, was die Süddeutsche Zeitung am Samstag
 berichtete. Das könnte immerhin zu Irritationen führen.

 Die eigentliche Bedeutung des Internets in Kriegstagen liegt auf
 anderem Gebiet. Es bietet eine Möglichkeit, abseits der offiziellen
 Medienkanäle Informationen zu verbreiten und damit die Kriegspropa-
 ganda aller Seiten zu unterlaufen. Während es im Internet unzählige
 Initiativen gegen den Krieg gibt und kein Mangel an kritischen
 Meinungen und Analysen zum NATO-Einsatz besteht (stellvertretend,
 mit vielen Links zu weiteren Seiten und Informationen zu aktuellen
 Protesten: www.members.partisan.net/ kosovo/index.html), ist es
 dennoch nicht einfach, an Informationen aus dem Kriegsgebiet selbst
 zu kommen. Das letzte offiziell unabhängige Medium in Belgrad, das
 Radioprogramm B92, ist schon nach dem ersten Kriegstag im Äther ab-
 geschaltet worden. Eine weitere Woche »sendete« B92 übers Internet.
 Am 2. April wurden auch die Räume von B92 vom serbischen Informati-
 onsministerium übernommen. Wie zu hören war, wollen die Journalisten,
 die vorher nichts dabei fanden, auch Programme der Deutschen Welle
 auszustrahlen, dagegen klagen. Da in Jugoslawien Kriegsrecht herrscht,
 bestehen hier wenig Chancen auf Erfolg. Die letzte Botschaft von B92
 lautete: »Don't trust anyone, not even us ... but keep the faith«
 (http:// helpb92.xs4all.nl).

 Auf einer Veranstaltung des Berliner Mikro e.V. am Mittwoch ver-
 gangener Woche berichteten Netzaktivisten, wie sich ihre langjährigen
 Kontakte zu Freunden aus Belgrad seit Kriegsbeginn verändert haben.
 Eine Netz-Diskussionsliste, die in erster Linie dem künstlerischen
 Austausch diente, mußte geschlossen werden, weil der Streit zwischen
 Jugoslawen und anderen Europäern eskalierte. Wer im Sirenengeheul
 lebt, der verliert seine Lust auf feinsinnige Differenzierungen.
 Für viele andere Stimmen steht das Tagebuch eines 21jährigen Pro-
 grammierers, das aufgrund seiner Kontinuität und Subjektivität viel-
 leicht den besten, unabhängigen Eindruck aus Belgrad vermittelt
 (http://members.tripod.com/CodeMage/top.htm). In den e-mail-Re-
 aktionen bekommt der Belgrader Student, neben vielen Solidaritäts-
 bekundungen, immer wieder Hinweise darauf, wie einseitig er vom ser-
 bischen Informationsministerium (http:// www.serbia-info.com/)
 informiert wird. Dort waren letzte Woche Meldungen zu lesen, daß
 1.500 deutsche Soldaten desertiert sind. Außerdem wurden Bilder von
 Zinksärgen mit toten amerikanischen Soldaten gezeigt, die heimlich
 ausgeflogen wurden. Weitere Informationen auf jugoslawisch, deutsch,
 englisch und russisch, direkt aus Belgrad, findet man auf der Seite
 »War against Yugoslawia«, (http://www.inet.co.yu). Über eine Live-
 Kamera kann man auch eine Belgrader Straßenkreuzung beobachten.

 Etwas mehr Distanz vermittelt die österreichische Seite der
 CeiberWeiber (http://www.ceiberweiber.com/natowar/index.htm),
 die über eine vorzüglich kommentierte Linkliste verfügt, über
 die man sich unterschiedlichste Informationsquellen aus der
 ganzen Welt erschließen kann.

 Je tiefer man in das Netzwerk aus Informationen eintaucht, desto
 klarer wird, wie uninformiert man ist. Aus dem Kosovo selbst gibt es
 ohnehin kaum noch Informationen, da die meisten Telefonleitungen
 mittlerweile unterbrochen sind. Der Kampf um die Glaubwürdigkeit der
 Informationen ist längst der eigentliche Krieg.

                  http://www.jungewelt.de/