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Kosovo-Krieg: infos zu ZAMIR



hallo,

falls hier jemand aktuelle infos zu zamir hat,
her damit!

im cl-netz kam keine antwort, wie der aktuelle stand ist.

mfg. karl



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## Ersteller: dietz@koma.free.de
## Betreff:   infos zu ZAMIR
## Erstellt:  05.04.99
## Msg ID:    7EJ1pB4W8aB@diz.free.de
## Quelle:    /cl/medien/vernetzung





[wdh. aus dem jahr 1998]


Gewinner des Gruenen Multimedia-Wettbewerbs "Sinnformation"

Am vergangenen Dienstag wurden in Bonn die PreistraegerInnen des  
Multimedia-Wettbewerbs "Sinnformation" gefeiert: Ausgezeichnet mit einem  
Förderpreis von 3000 Mark wurde Hans Dietmar Jägers "Radwegenetz von  
unten". Einen Sonderpreis von ebenfalls 3000 Mark erhielt das Bielefelder  
Projekt "Zamir transnational Network inEx-Jugoslawien", entwickelt von  
Rena Tangens und padeluun von FoeBud/BIONIC MailBox. Die Laudatio hielt  
Gabriele Hooffacker vom "Muenchener Medienladen". Die PreistraegerInnen  
waren stilecht per Fahrrad (Hans Dietmar Jaeger) bzw. per Inline-Skates  
(FoebuD) nach Bonn gereist.


Aus der Pressemitteilung der Gruenen Bundestagsfraktion:

An dieser Stelle noch einmal unser herzlichster Glückwunsch undDank an die  
Preisträger! Ein großes Dankeschön möchten wir aberauch allen übrigen  
Wettbewerbsteilnehmern aussprechen, die mitihren interessanten und  
anregenden Beiträgen gezeigt haben, wiefacettenreich ernstgemeinte  
Information, eben "Sinnformation",sein kann.


(...)


Kommunikation statt Konfrontation

Zamir Transnational Network - Das Netzwerk der Antikriegsbewegungim  
ehemaligen Jugoslawien

Als 1991 in Ex-Jugoslawien der offene Krieg ausbrach, wurden  
vonstaatlicher Seite aus nahezu alle Verbindungen zwischen Kroatienund  
Serbien unterbrochen. Es war nun nicht mehr möglich, zwischenbeiden  
Landesteilen hin und her zu reisen oder über die neueGrenze hinweg ein  
Telefongespräch zu führen. Auch das Postsystembrach während des Krieges  
zusammen. Kommunikation wurde unmöglich,speziell für jene, die auf  
verschiedenen Seiten der Frontzusammenarbeiten wollten, z.B.  
Hilfsorganisationen undFriedensgruppen. Gerade in Zeiten aber, in denen  
sich Vorurteile,Haß und Angst zwischen Menschen und Völkern  
verschiedenerethnischer Hintergründe fast widerstandslos ausbreiten,  
sindZusammenarbeit, Freundschaften und Kommunikation über Grenzenhinweg  
besonders wichtig.

Das erste Projekt, das Abhilfe schaffte, hieß "Communication Aid"und war  
zunächst ein Fax-Dienst: Da die Auslandsleitungenweiterhin funktionierten,  
wurden die Faxe zwischen Zagreb undBelgrad nach London geschickt und von  
dort aus an die jeweilsandere Seite weitergeleitet. Umständlich, aber es  
funktionierte.Doch schon bald wurde ein einfacherer und  
effizientererKommunikationsweg gefunden. FoeBuD-Mitglied Eric Bachman,  
seitvielen Jahren in der Friedensarbeit engagiert, war von Beginn  
desKonfliktes an regelmäßig in Jugoslawien. Er hatte durch RenaTangens und  
padeluun in der Bielefelder MailBox BIONIC dieMöglichkeiten der  
Kommunikation per Computer und Modemkennengelernt. Innerhalb kürzester  
Zeit arbeitete er sich in dieTechnik ein, sammelte Hard- und Software- 
Spenden und suchte inJugoslawien Partnerinnen und Partner, mit denen er  
eine solcheVernetzung aufbauen konnte:

Das Zamir Transnational Network. "ZaMir" heißt "für den Frieden".Es sollte  
nicht nur dem Austausch von Briefen, Nachrichten undIdeen innerhalb der  
Friedensgruppen dienen, sondern auch dazu,alle Menschen in den Gebieten  
der Kriegsparteien wiedermiteinander kommunizieren zu lassen und den  
Kontakt mit dem Restder Welt herzustellen sowie ungefilterte Informationen  
über denZustand der Länder weiterverbreiten zu können. So entschlossensich  
dann auch weniger Computerfreaks, sondern eher politischmotivierte  
Menschen vor Ort, selber MailBox-Systeme aufzubauen. ImJuli 1992  
installierte Erik Bachman in den beiden Städten je einZerberus- MailBox- 
System: Die ZAMIR-ZG in Zagreb und die ZAMIR-BGin Belgrad. Auch hier wurde  
die Verbindung zwischen beidenSystemen über den Umweg Ausland realisiert,  
und zwar zunächst überWien, dann über die BIONIC MailBox in Bielefeld.
Nach und nach installierte Eric Bachman weitere Zamir MailBoxen inweiteren  
Regionen: ZAMIR-LJ in Ljubljana, ZAMIR-SA in Sarajevo,ZAMIR-TZ in Tuzla,  
ZAMIR-PK in Pakrac und ZANA-PR in Pristina.1997 waren die Teilnehmerzahlen  
auf mehr als 5000 Gruppen undEinzelpersonen angewachsen. Eric Bachman  
organisierte das Zamir-
Netz mit hohem persönlichen Einsatz. Er schulte vieleSystembetreiberInnen,  
koordinierte das Netz und schaffte es, dieUnterstützung der Soros  
Foundation, Stichting Duen und einigerweiterer Stiftungen und  
Organisationen dafür zu erhalten.Interessanterweise entdeckten viele  
Frauen das Netz für sich. ZumBeispiel das Fraueninformationszentrum  
"Zenska Infoteka" inZagreb, "Women in Black" in Belgrad und die Frauen von  
"MedicaZenica", dem Zentrum für vergewaltigte und traumatisierte Frauenin  
Bosnien, waren bald online im ZTN. Weltweit bekannt gewordensind die  
"Kriegstagebücher" von Wam Kat. Der Holländer kam alsHelfer zum Anfang des  
Krieges nach Zagreb, blieb, schrieb dortsein ganz persönliches Tagebuch  
des Krieges und machte es über dasZamir-Netz öffentlich. Wam Kat gab in  
seinem "Zagreb Diary"ausführliche Schilderungen der politischen Situation,  
derKriegshandlungen, wie sie ihm von Leuten direkt berichtet wurdenund  
kommentierte die Berichterstattung der lokalen Medien. Ererzählte aber  
auch über die allgemeinen Lebensumstände und diealltäglichen  
Begebenheiten, die sich beim Straßenbahnfahren,Einkaufen oder beim Besuch  
von Freunden zutragen.
Diese Geschichten haben die Außenstehenden ein facettenreichesBild von dem  
normalen (oder doch nicht ganz normalen) Leben inKroatien und Bosnien  
vermittelt - jenseits der Klischees vomKriegsgebiet. Während andernorts  
die Internet-Euphorie seltsameBlüten treibt und das World Wide Web mit  
Kommerz aller Art,Bildern, Sounds und Videoclips aufgeblasen wird, als ob  
dieRessourcen unendlich wären, werden die Systeme des ZamirTransnational  
Networks nach wie vor mit preiswerter Technik,wenigen Telefonleitungen und  
viel persönlichem Einsatz betrieben.
Die meisten NetzteilnehmerInnen im ZTN arbeiten mit  
sogenannten"Pointprogrammen" (Pointprogramme sind z.B. XPoint und  
Charon).Das heißt, sie holen sich alles, was sie interessiert, mit  
einemkurzen Anruf bei der MailBox als komprimiertes Datenpaket ab.Lesen,  
schreiben und bearbeiten tun sie in aller Ruhe "offline" amheimischen  
Rechner. Den Anruf bei der MailBox kanndas.Pointprogramm auch automatisch  
nachts zu den günstigenTelefontarifzeiten durchführen. Damit verteilen  
sich die Anrufeder NetzteilnehmerInnen über den ganzen Tag, sie sind auch  
vielkürzer - so sparen nicht nur die einzelnen  
NetzteilnehmerInnenTelefonkosten, sondern die gesamte  
Netzwerkinfrastrukturprofitiert: Auf diese Weise ist es möglich, sehr  
viele Menschenmit nur wenigen Telefonleitungen zu bedienen. Die ZAMIR-SA  
hatzeitweilig etwa 3000 Menschen und Organisationen in Sarajewo übernur 3  
Telefonleitungen mit Nachrichten versorgt. Warum das sowichtig ist,  
begreifen wir nur, wenn wir uns klarmachen, daß dieEinrichtung einer neuen  
Telefonleitung in Kroatien nicht wie inDeutschland etwa 100 DM, sondern  
etwa 1500 DM kostet und in derRegel zwei Jahre dauert, bis sie tatsächlich  
eingerichtet wird.
Mit dem Ende des bewaffneten Konfliktes, so sagt Wam Kat, ist dieAufgabe  
des ZAMIR-Netzes noch lange nicht erfüllt. Jetzt, in derAufbauphase, ist  
es besonders wichtig, die Kommunikation zwischenden Menschen zu  
unterstützen. Sinnige Ideen zum Wiederaufbaumüssen erdacht und umgesetzt  
werden, der Kontakt untereinander undzur großen weiten Welt ist wichtig.  
Wam Kat über einWiederaufbauprojekt in Pakrac: "Wir haben einen Aufruf ins  
Netzgesetzt, daß wir Freiwillige benötigen, für die Arbeit  
inFlüchtlingscamps. Über tausend junge Menschen aus aller Welt habensich  
gemeldet, daß sie mitarbeiten wollen. Wir hatten mehr Völkerhier  
zusammenbekommen als die UNO. Wir haben sozusagen unsereeigene UNO."

Kontaktadresse:
FoeBuD e.V., Marktstr. 18, D-33602 Bielefeld
Tel : 0521-175254, Fax: 0521-61172, Box:
0521-68000
Email : foebud@bionic.zerberus.de
Infoklick: www.foebud.org
www.foebud.org/org/zamir


Ergebnis der Jurysitzung vom 27. Februar 1998
Insgesamt sind 81 Bewerbungen eingegangen, davon kamen 16 in  
dieVorauswahl. Nach ausführlicher Sichtung und Bewertung dieser  
16Einsendungen beschließt die Jury:

1.Das Projekt "Radwegenetz von unten" von Hans Dietmar Jäger wirdmit dem  
Förderpreis in der Höhe von 3000 Mark ausgezeichnet. 2.DasProjekt "Zamir  
transnational Network in Ex-Jugoslawien",entwickelt von FoeBud e. V.,  
erhält einen Sonderpreis in Höhe von3000 Mark.


(...)


Bei dem Projekt "Zamir transnational Network in Ex-Jugoslawien"wurde vor  
allem die alternative Form der Kommunikationausgezeichnet. Während des  
Konfliktes in Ex-Jugoslawien waren dieoffiziellen Kommunikationswege  
zwischen den verfeindeten Parteienblockiert. Durch die Aktivitäten  
innerhalb des Netzes wurde übereinen "alternativen" Informationskanal die  
Kommunikation möglich.Gerade vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl  
vonMediengiganten scheint uns die Erschließung von  
alternativenKommunikationswegen entscheidend für die Stabilität  
derDemokratie. In diesem Zusammenhang war der Inhalt und nicht dieformale  
Aufbereitung der Information wichtig. Die vernetzendeQualität des Mediums  
Internets spielt auch bei vielen anderenregierungsunabhängigen  
Organisationen eine wichtige Rolle underlaubt in Zukunft die Bildung von  
alternativen Verbänden.
In dem Multimediawettbewerb "Sinnformation" sollte die Wichtigkeitder  
Information innerhalb einer Demokratie betont werden. Einereine Vernetzung  
führt zu einer Datenflut, und diese wirkt eherdemokratischen Interessen  
entgegen. Die beiden prämierten Projekteerscheinen uns im wahrsten Sinne  
als "sinnvoller" Einsatz modernerMedien. Obwohl es zum Teil spielerisch  
und formal gelungeneEinsendungen gab, hat die Jury bewußt auf eine härtere  
Definitiondes Begriffes "Sinnformation" bestanden. Aus diesem Grund  
wurdedie geplante Preisstruktur nicht ausgeschöpft.
Anwesende Jurymitglieder:
Dr. Gabriele Hooffacker
Nilgün Özel
Ranga Yogeshwar
Prof. Dr. Herbert Kubicek





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anmerkung: dieser text ist von 1998