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Kosovo-Krieg: infos zu ZAMIR
- To: debate@fitug.de
- Subject: Kosovo-Krieg: infos zu ZAMIR
- From: dietz@koma.free.de (Karl Dietz)
- Date: 14 Apr 1999 14:19:00 +0100
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Organization: Karl Dietz
- Sender: owner-debate@fitug.de
hallo,
falls hier jemand aktuelle infos zu zamir hat,
her damit!
im cl-netz kam keine antwort, wie der aktuelle stand ist.
mfg. karl
=======cut===fwd fyi mfg k.===cut========
## Ersteller: dietz@koma.free.de
## Betreff: infos zu ZAMIR
## Erstellt: 05.04.99
## Msg ID: 7EJ1pB4W8aB@diz.free.de
## Quelle: /cl/medien/vernetzung
[wdh. aus dem jahr 1998]
Gewinner des Gruenen Multimedia-Wettbewerbs "Sinnformation"
Am vergangenen Dienstag wurden in Bonn die PreistraegerInnen des
Multimedia-Wettbewerbs "Sinnformation" gefeiert: Ausgezeichnet mit einem
Förderpreis von 3000 Mark wurde Hans Dietmar Jägers "Radwegenetz von
unten". Einen Sonderpreis von ebenfalls 3000 Mark erhielt das Bielefelder
Projekt "Zamir transnational Network inEx-Jugoslawien", entwickelt von
Rena Tangens und padeluun von FoeBud/BIONIC MailBox. Die Laudatio hielt
Gabriele Hooffacker vom "Muenchener Medienladen". Die PreistraegerInnen
waren stilecht per Fahrrad (Hans Dietmar Jaeger) bzw. per Inline-Skates
(FoebuD) nach Bonn gereist.
Aus der Pressemitteilung der Gruenen Bundestagsfraktion:
An dieser Stelle noch einmal unser herzlichster Glückwunsch undDank an die
Preisträger! Ein großes Dankeschön möchten wir aberauch allen übrigen
Wettbewerbsteilnehmern aussprechen, die mitihren interessanten und
anregenden Beiträgen gezeigt haben, wiefacettenreich ernstgemeinte
Information, eben "Sinnformation",sein kann.
(...)
Kommunikation statt Konfrontation
Zamir Transnational Network - Das Netzwerk der Antikriegsbewegungim
ehemaligen Jugoslawien
Als 1991 in Ex-Jugoslawien der offene Krieg ausbrach, wurden
vonstaatlicher Seite aus nahezu alle Verbindungen zwischen Kroatienund
Serbien unterbrochen. Es war nun nicht mehr möglich, zwischenbeiden
Landesteilen hin und her zu reisen oder über die neueGrenze hinweg ein
Telefongespräch zu führen. Auch das Postsystembrach während des Krieges
zusammen. Kommunikation wurde unmöglich,speziell für jene, die auf
verschiedenen Seiten der Frontzusammenarbeiten wollten, z.B.
Hilfsorganisationen undFriedensgruppen. Gerade in Zeiten aber, in denen
sich Vorurteile,Haß und Angst zwischen Menschen und Völkern
verschiedenerethnischer Hintergründe fast widerstandslos ausbreiten,
sindZusammenarbeit, Freundschaften und Kommunikation über Grenzenhinweg
besonders wichtig.
Das erste Projekt, das Abhilfe schaffte, hieß "Communication Aid"und war
zunächst ein Fax-Dienst: Da die Auslandsleitungenweiterhin funktionierten,
wurden die Faxe zwischen Zagreb undBelgrad nach London geschickt und von
dort aus an die jeweilsandere Seite weitergeleitet. Umständlich, aber es
funktionierte.Doch schon bald wurde ein einfacherer und
effizientererKommunikationsweg gefunden. FoeBuD-Mitglied Eric Bachman,
seitvielen Jahren in der Friedensarbeit engagiert, war von Beginn
desKonfliktes an regelmäßig in Jugoslawien. Er hatte durch RenaTangens und
padeluun in der Bielefelder MailBox BIONIC dieMöglichkeiten der
Kommunikation per Computer und Modemkennengelernt. Innerhalb kürzester
Zeit arbeitete er sich in dieTechnik ein, sammelte Hard- und Software-
Spenden und suchte inJugoslawien Partnerinnen und Partner, mit denen er
eine solcheVernetzung aufbauen konnte:
Das Zamir Transnational Network. "ZaMir" heißt "für den Frieden".Es sollte
nicht nur dem Austausch von Briefen, Nachrichten undIdeen innerhalb der
Friedensgruppen dienen, sondern auch dazu,alle Menschen in den Gebieten
der Kriegsparteien wiedermiteinander kommunizieren zu lassen und den
Kontakt mit dem Restder Welt herzustellen sowie ungefilterte Informationen
über denZustand der Länder weiterverbreiten zu können. So entschlossensich
dann auch weniger Computerfreaks, sondern eher politischmotivierte
Menschen vor Ort, selber MailBox-Systeme aufzubauen. ImJuli 1992
installierte Erik Bachman in den beiden Städten je einZerberus- MailBox-
System: Die ZAMIR-ZG in Zagreb und die ZAMIR-BGin Belgrad. Auch hier wurde
die Verbindung zwischen beidenSystemen über den Umweg Ausland realisiert,
und zwar zunächst überWien, dann über die BIONIC MailBox in Bielefeld.
Nach und nach installierte Eric Bachman weitere Zamir MailBoxen inweiteren
Regionen: ZAMIR-LJ in Ljubljana, ZAMIR-SA in Sarajevo,ZAMIR-TZ in Tuzla,
ZAMIR-PK in Pakrac und ZANA-PR in Pristina.1997 waren die Teilnehmerzahlen
auf mehr als 5000 Gruppen undEinzelpersonen angewachsen. Eric Bachman
organisierte das Zamir-
Netz mit hohem persönlichen Einsatz. Er schulte vieleSystembetreiberInnen,
koordinierte das Netz und schaffte es, dieUnterstützung der Soros
Foundation, Stichting Duen und einigerweiterer Stiftungen und
Organisationen dafür zu erhalten.Interessanterweise entdeckten viele
Frauen das Netz für sich. ZumBeispiel das Fraueninformationszentrum
"Zenska Infoteka" inZagreb, "Women in Black" in Belgrad und die Frauen von
"MedicaZenica", dem Zentrum für vergewaltigte und traumatisierte Frauenin
Bosnien, waren bald online im ZTN. Weltweit bekannt gewordensind die
"Kriegstagebücher" von Wam Kat. Der Holländer kam alsHelfer zum Anfang des
Krieges nach Zagreb, blieb, schrieb dortsein ganz persönliches Tagebuch
des Krieges und machte es über dasZamir-Netz öffentlich. Wam Kat gab in
seinem "Zagreb Diary"ausführliche Schilderungen der politischen Situation,
derKriegshandlungen, wie sie ihm von Leuten direkt berichtet wurdenund
kommentierte die Berichterstattung der lokalen Medien. Ererzählte aber
auch über die allgemeinen Lebensumstände und diealltäglichen
Begebenheiten, die sich beim Straßenbahnfahren,Einkaufen oder beim Besuch
von Freunden zutragen.
Diese Geschichten haben die Außenstehenden ein facettenreichesBild von dem
normalen (oder doch nicht ganz normalen) Leben inKroatien und Bosnien
vermittelt - jenseits der Klischees vomKriegsgebiet. Während andernorts
die Internet-Euphorie seltsameBlüten treibt und das World Wide Web mit
Kommerz aller Art,Bildern, Sounds und Videoclips aufgeblasen wird, als ob
dieRessourcen unendlich wären, werden die Systeme des ZamirTransnational
Networks nach wie vor mit preiswerter Technik,wenigen Telefonleitungen und
viel persönlichem Einsatz betrieben.
Die meisten NetzteilnehmerInnen im ZTN arbeiten mit
sogenannten"Pointprogrammen" (Pointprogramme sind z.B. XPoint und
Charon).Das heißt, sie holen sich alles, was sie interessiert, mit
einemkurzen Anruf bei der MailBox als komprimiertes Datenpaket ab.Lesen,
schreiben und bearbeiten tun sie in aller Ruhe "offline" amheimischen
Rechner. Den Anruf bei der MailBox kanndas.Pointprogramm auch automatisch
nachts zu den günstigenTelefontarifzeiten durchführen. Damit verteilen
sich die Anrufeder NetzteilnehmerInnen über den ganzen Tag, sie sind auch
vielkürzer - so sparen nicht nur die einzelnen
NetzteilnehmerInnenTelefonkosten, sondern die gesamte
Netzwerkinfrastrukturprofitiert: Auf diese Weise ist es möglich, sehr
viele Menschenmit nur wenigen Telefonleitungen zu bedienen. Die ZAMIR-SA
hatzeitweilig etwa 3000 Menschen und Organisationen in Sarajewo übernur 3
Telefonleitungen mit Nachrichten versorgt. Warum das sowichtig ist,
begreifen wir nur, wenn wir uns klarmachen, daß dieEinrichtung einer neuen
Telefonleitung in Kroatien nicht wie inDeutschland etwa 100 DM, sondern
etwa 1500 DM kostet und in derRegel zwei Jahre dauert, bis sie tatsächlich
eingerichtet wird.
Mit dem Ende des bewaffneten Konfliktes, so sagt Wam Kat, ist dieAufgabe
des ZAMIR-Netzes noch lange nicht erfüllt. Jetzt, in derAufbauphase, ist
es besonders wichtig, die Kommunikation zwischenden Menschen zu
unterstützen. Sinnige Ideen zum Wiederaufbaumüssen erdacht und umgesetzt
werden, der Kontakt untereinander undzur großen weiten Welt ist wichtig.
Wam Kat über einWiederaufbauprojekt in Pakrac: "Wir haben einen Aufruf ins
Netzgesetzt, daß wir Freiwillige benötigen, für die Arbeit
inFlüchtlingscamps. Über tausend junge Menschen aus aller Welt habensich
gemeldet, daß sie mitarbeiten wollen. Wir hatten mehr Völkerhier
zusammenbekommen als die UNO. Wir haben sozusagen unsereeigene UNO."
Kontaktadresse:
FoeBuD e.V., Marktstr. 18, D-33602 Bielefeld
Tel : 0521-175254, Fax: 0521-61172, Box:
0521-68000
Email : foebud@bionic.zerberus.de
Infoklick: www.foebud.org
www.foebud.org/org/zamir
Ergebnis der Jurysitzung vom 27. Februar 1998
Insgesamt sind 81 Bewerbungen eingegangen, davon kamen 16 in
dieVorauswahl. Nach ausführlicher Sichtung und Bewertung dieser
16Einsendungen beschließt die Jury:
1.Das Projekt "Radwegenetz von unten" von Hans Dietmar Jäger wirdmit dem
Förderpreis in der Höhe von 3000 Mark ausgezeichnet. 2.DasProjekt "Zamir
transnational Network in Ex-Jugoslawien",entwickelt von FoeBud e. V.,
erhält einen Sonderpreis in Höhe von3000 Mark.
(...)
Bei dem Projekt "Zamir transnational Network in Ex-Jugoslawien"wurde vor
allem die alternative Form der Kommunikationausgezeichnet. Während des
Konfliktes in Ex-Jugoslawien waren dieoffiziellen Kommunikationswege
zwischen den verfeindeten Parteienblockiert. Durch die Aktivitäten
innerhalb des Netzes wurde übereinen "alternativen" Informationskanal die
Kommunikation möglich.Gerade vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl
vonMediengiganten scheint uns die Erschließung von
alternativenKommunikationswegen entscheidend für die Stabilität
derDemokratie. In diesem Zusammenhang war der Inhalt und nicht dieformale
Aufbereitung der Information wichtig. Die vernetzendeQualität des Mediums
Internets spielt auch bei vielen anderenregierungsunabhängigen
Organisationen eine wichtige Rolle underlaubt in Zukunft die Bildung von
alternativen Verbänden.
In dem Multimediawettbewerb "Sinnformation" sollte die Wichtigkeitder
Information innerhalb einer Demokratie betont werden. Einereine Vernetzung
führt zu einer Datenflut, und diese wirkt eherdemokratischen Interessen
entgegen. Die beiden prämierten Projekteerscheinen uns im wahrsten Sinne
als "sinnvoller" Einsatz modernerMedien. Obwohl es zum Teil spielerisch
und formal gelungeneEinsendungen gab, hat die Jury bewußt auf eine härtere
Definitiondes Begriffes "Sinnformation" bestanden. Aus diesem Grund
wurdedie geplante Preisstruktur nicht ausgeschöpft.
Anwesende Jurymitglieder:
Dr. Gabriele Hooffacker
Nilgün Özel
Ranga Yogeshwar
Prof. Dr. Herbert Kubicek
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anmerkung: dieser text ist von 1998