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Re: GNN: T-Online sperrt "Kriegskanzler"-Plakat-Seite



On Wed, May 05, 1999 at 10:30:04PM +0100, debate@fitug.de wrote:
> --- T-Online sperrt "Kriegskanzler"-Plakat-Seite ---
> ( Quelle: http://www.gnn.de/9905/99050501-ad.html )
> 
> T-Online hat eine private Homepage zu sperren, fuer die das 
> umstrittene "Kriegskanzler"-Plakat auf der Mai-Kundgebung in 
> Saarbruecken geworben hatte. T-Online-Pressesprecher Joerg 

Interessant, dass das "jetzt erst" anfaengt.

Das Ding war in mehreren Zeitungen abgedruckt und ob das
dann aus den Web-Archiven verschwinden muss, wird lustig.
Auch als persoenliches Erinnerungsfoto auf einer privaten
Homepage duerfte die Kanzlerkarikatur kaum wegklagbar sein.

Ich halte die Aktion fuer SPD-typisch intellektuell ausbaufaehig.

Immerhin gibt es da schon ein paar Erfahrungen mit
"klammheimlicher Freude". Im Rueckblick halte ich weiterhin
den "Begleitschaden" beim Wegsprengen des geplanten Franco-
Nachfolger, Carrero Blanco, am 20.12.1973 fuer akzeptabel.
Damals grub die ETA einen Tunnel unter einer Strasse und der
Francostellvertreter, Geheimdienstgruender und Opus-Dei-
Sympathisant flog die ersten 15 Meter in seinem Auto gen Himmel.
Sein Fahrer war ein - so diskutierte ich das damals mit Freunden
in Marburg - akzeptabler Begleitschaden bei der praezis geplanten
Aktion; die heutigen NATO-Bomben, die auch kleine Kinder toeten,
sind vergleichsweise ungenau und entsprechend zu verdammen.

Da dieser NATO-Krieg wohl mind. noch ein halbes Jahr dauert (die
mir zZ glaubwuerdigste Einschaetzung; siehe IRAK), wird da IMO
noch eine Menge mehr passieren an Zae(n)suren in Deutschland.

Ich traeumte von einer Karikatur im EULENSPIEGEL, mit vielen
vom Himmel hoch herkommenden kleinen Bomben, die einen flauschigen
Bombenteppich legen und nur ganz ganz ganz wenig kleine Kinder
wegsprengen; die meisten Bomben trafen die Boesen. Die Bomben
trugen alle auf der einen Seite einen Smily, auf der anderen
einen Igel, das Wappentier der Bundeswehrreklame.
Leider kann ich das nur mit Worten ausmalen und nicht mit
einem Pinsel.


Das in den naechsten Monaten von Tag zu Tag zunehmende Problem
besteht darin, dass die Grenze zwischen "gerechten Krieg" und
"Kriegsverbrechen" mit jedem "Begleitschaden" samt dem ueblichen
"oh sorry - daneben" mehr verschwimmt. Damit ist auch der Satz wie

"Lieber heute desertieren aus der Bundeswehr, denn schon
morgen kannst Du ein Kriegsverbrecher sein" kaum wegklagbar.

> Lammers sagte gegenueber Focus Online, sein Unternehmen habe 
> die Seite untersucht und "festgestellt, dass sich darauf 

aha: "festgestellt". Kraft welcher Befugnis hat das der T-Onkel?
Vielleicht hat er eine Friseurlehre?

> rechtswidrige Inhalte befinden, da nicht nur Personen, 
> sondern auch der Staat verunglimpft wird". Das 

Bis wieviel tote Kinder Begleitschaeden "glimpflich" verlaufen,
wann "unglimpflich", ist Scharpings Definitionsmacht. Oder wessen?

Der politische Meinungskampf im Krieg hat Geschichte in
Deutschland. Ret Marut, spaeter als B. Traven bekannt,
hat waehrend des ersten Weltkrieges eine pazifistische
Zeitschrift herausgegeben: DER ZIEGELBRENNER.
Sie erschien unter Militaerzensur.

Ret Marut berichtete in einer Ausgabe nach dem ersten
Weltkrieg, dass er die Militaerzensoren im Gegensatz zu
den Sozis, die nach dem Krieg sein Blatt zensierten,
geschaetzt hat, weil die Militaerzensoren wenigstens intelligent
waren. In einer Nachkriegsausgabe erschienen alle zensierten
Artikel nochmal und die wegzensierten Stellen waren halbfett
hervorgehoben. Das war eine der interessantesten Zeitschriften,
die ich gelesen habe - weil dort das Zensurmuster fettgedruckt
war.

Als der Hamburger Fotograf Guenter Zint einen Polizisten
fotografierte, der mehrere (!) Fotoapparate um den Hals haengen
hatte zwecks Fotografierens von Demonstranten, klagte der
Polizist, weil seine Persoenlichkeitsrechte verletzt waeren.
Daraufhin montierte Guenter dem Polizisten ein Brett vor den
Kopf.

Bei dem strittigen Kriegskanzlerbild schlage ich vor, anstelle
des Hitlerbaertchens einen schwarzen Kasten zu montieren. Damit
duerfte IMO auch einem rotgruenen Rechtsstaat Genuege getan sein.

wau

-- 
Ameiseneigrosse Traenen produzierte Kollateralschaedling Scharping, als
er Muettern NATOter Kinder begleitschadensregulierend in die Arme fiel.
Sendungsfuellend langsam hauchte er den TV-Slogan "Bitte verzeiht mir"
in die Kamera. Die Muetter dachten an Kriegsverbrechen aller Seiten.