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[FYI] Gundolf S. Freyermuth ueber die Entstehung des Internet
- To: debate@fitug.de
- Subject: [FYI] Gundolf S. Freyermuth ueber die Entstehung des Internet
- From: Horns@t-online.de (Axel H. Horns)
- Date: Sat, 15 May 1999 10:27:13 +0100
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Die Welt geht nach Sex
Erst fleischliche Begierden setzen neue Technologien und Medien im
Alltag durch
Von Gundolf S. Freyermuth
[...]
Am Anfang aller Forschung, die uns in die digitale Epoche
katapultierte, standen zwar militärische Interessen und staatliche
Gelder. Nur große hierarchische Organisationen verfügten bis in die
Siebziger über das Kapital und wissenschaftliche Know-how, um
Mainframes zu betreiben. Zu ihnen hatten nur technische
Spitzenkräfte direkten Zugang, eine Elite von hochqualifizierten
Mathematik-Mandarinen und High-Tech-Hohepriestern in
antiseptisch-weißen Kitteln. Am vorläufigen Ende dominieren jedoch
der Markt und das Massenvergnügen.
Die üppigste Ausstattung mit leistungsfähigen Servern, die
fortgeschrittenste Software zur Bild- und Tonkomprimierung, die
avanciertesten Datenbanken zur Bild- und Kundenverwaltung, die
verbraucherfreundlichsten Verfahren zum Online-Geldeinzug - das
alles prägt nicht die Webauftritte der staatlichen Verwaltungen oder
der etablierten Großkonzerne und erst recht nicht die Sites des
Pentagon oder des Bonner Verteidigungsministeriums. Wer etwa nur
über eine durchschnittlich langsame Internet-Verbindung verfügt und
sich im Internet schnell und unaufwendig ein paar Bilder oder Videos
ansehen möchte, wird - zumindest technisch - am besten bei Anbietern
von Erotika bedient. ,Wir sind an der vordersten Front von allem",
schwärmte ein Designer der Internet Entertainment Group, des größten
US-Online-Sexunternehmens, mit Recht. Seit das Netz graphisch und
damit populär wurde, investierten Sexhändler großzügig, entwickelten
eigenständig neue Software und holten aus der bescheidenen
Bandbreite heraus, was herauszuholen war. Auf den Wegen, die die
Porno-Pioniere bahnten, folgten andere Anbieter erst mit Abstand.
Computer wie Internet dienen zunehmend nicht ernster Arbeit, sondern
dem Massenvergnügen. Die hierarchische Arbeitsethik wurde, wie
Alluquere Rosanne Stone in ,The War of Desire and Technology at the
Close of the Mechanical Age" beschreibt, durch eine Spielethik
ersetzt, das ökonomische Effizienzprinzip der kollektiven
Organisationen durch das Lustprinzip des Individuums. Der Computer
wandelte sich vom kühlen Werkzeug, einem Machtmittel im
militärischen und ökonomischen Überlebenskampf, zum Objekt, das
lustvolle soziale Erfahrungen ermöglichte.
[...]
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