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Re: heise online: 119 Wohnungen nach Kinderpornos durchsucht



Hallo Horst-Walter!

> >Eigentlich sollte man mal fragen ob die Staatsanwaltschaft es nötig
> hat,
> >eine dreistellige Zahl von Leuten ihrer Grundrechte zu berauben nur
> um
> 
> die Grundrechte kann man keinem rauben, die hast Du durch Geburt (als
> Deutscher).

Das ist eine Spitzfindigkeit eher auf formaljuristischer Ebene. Der
Effekt ist erstmal, daß bei einer dreistelligen Zahl von Leuten erstmal
die Bude auf den Kopf gestellt wurde, Equipment beschlagnahmt wurde und
erstmal nichts gefunden wurde.

> >anschließend festzustellen, daß die Straffälligenquote unter den
> "Verdachts-
> >personen" ziemlich nahe dem statistischen Durchschnitt (ca. 2 %)
> liegt.
> 
> es gibt hier wohl keine Erfolgsmessungen/Quote, ich nehme mal an, dass
> Durchsuchungsbefehle von einem Richter vorlagen und die werden nicht
> (ganz) ohne Grund ausgestellt.

Das ist wahrscheinlich. Fragt sich halt nur noch ob der Grund auf einer
rechtsstaatlichen Ebene aufgehängt wird oder anderweitiger Art ist.

> >Ob man sich jetzt doch wieder bewaffnen sollte um willkürlichen
> Eindring-
> >lingen in die Privatspähre wenigstens kurzfristig etwas Widerstand
> ent-
> >gegenzusetzen? Was ist "teurer", Verteidigung
> 
> wogegen, gegen einen ordentlichen Durchsuchungsbescheid? Das waere
> Wiederstand gegen die Staatsgewalt.

Korrekt. Ein Staat der sich nicht an die Spielregeln hält muß auch
nicht erwarten daß seine Bürger das tun.

> >sich-alles-gefallenlassen und möglicherweise wirtschaftlichen Schaden
> er-
> >leiden? Ich bin überzeugt davon daß einige von den Geräten a) zu
> Unrecht
> >beschlagnahmt wurden, b) wirtschaftlicher Schaden durch die Maßnahme
> >entsteht und c) der nicht ersetzt wird.
> 
> in einem Rechtsstaat wird der ersetzt, weiss der Alex sicher besser.

In der Praxis erfolgt das nicht annähernd, weil 1. man mit Geld nicht
alles reparieren kann und 2. man um diesen Ersatz auch kämpfen muß und
dem ein oder anderen da schon mal die Kraft bei ausgeht.

> >Vor Jahren habe ich mich mal mit einem Polizeibeamten über die
> (damalige)
> >Problematik unterhalten - der meinte damals es könnte unterm Strich
> eventuell
> >ökonomischer sein, aktiv Widerstand zu leisten.
> 
> viel Spass dabei :-(
[...]
> wie alt bist Du? Und willst Du noch aelter werden?

"Handgreiflichen Widerstand" zu leisten wird vermutlich gar nichts bringen.
Das ganze verbal zu thematisieren und auch mal Wellen schlagen zu lassen
könnte aber vielleicht mal aufzeigen, daß "Gewalt" (und dazu gehört meiner
Meinung nach Durchsuchungswillkür genauso wie breitflächige Überwachung)
auch dazu führt, daß außer Gegengewalt vermutlich irgendwann nichts mehr
helfen könnte um diese totalitären Elemente aus diesem Land wieder
herauszubekommen. Diese Gefahr sollte meiner Meinung nach unseren
Politikern und sonstigen Drahtziehern durchaus dezent kommuniziert werden.

Für mich sind staatliche Willkür, Überwachung und in einigen Bereichen
völlig neben der Spur liegende Gerichtsurteile (beispielsweise z. T.
ergangene Strafmaße für Erststraftaten "Einbruch" gegen Strafmaß "ein
wenig Haschisch und Gras") schon Motivatoren, sich mit der fraglichen
Gewaltanwendung mal gedanklich zumindest zu beschäftigen, bzw. zu
"kalkulieren" wann Gewalt sinnhafter als rechtsstaatlich korrektes Verhalten
sein kann. Wenn ich diese Gedanken an mir bemerke vermute ich, daß auch
ein paar andere Leute so denken werden und das ganze also damit eine
Trendentwicklung in der Gesellschaft sein/werden könnte. Häufige Klagen
über steigende Gewaltbereitschaft z. B. von Jugendlichen belegen das.

Der Mensch der in mir wohnt zuckt bei derartigen Gedanken zusammen, denn
eigentlich bin ich nicht an einem Leben mit Gewalt interessiert und möchte
auch nicht in Gewaltsituationen hereingezogen werden. Leben, Beruf, Umfeld
usw. sind "gewaltfrei" und es ist mir auch wichtig daß das so bleibt.

Wenn ich mir allerdings überlege, daß ein wildgewordener Ermittlungsrichter
mir hier von heute auf morgen durch eine EDV-Beschlagnahmung eine Existenz-
bedrohung darstellen kann und solche Fälle offensichtlich tatsächlich
vorkommen dann bin ich eben auch bereit, den eigentlich friedlichen Zustand
hier zu verteidigen. Ob der Agressor der Staat, ein Einbrecher oder wer
auch immer ist spielt dabei überhaupt keine Rolle. Relevant wäre wohl 
eher das Ergebnis auf die Frage, ob eine Problemlösung auf diesem Wege
möglich ist, welche Methoden man dafür braucht und ob eine nachhaltige
Lösung erzielt werden kann oder nicht. (Am letzteren Punkte wird's
vermutlich oft in der Ausführung scheitern)

Übrigens, da Du fragtest: Ich bin 27, habe ein polizeiliches Führungszeugnis
ohne irgendwelche Eintragungen und finde diese Überlegungen gar nicht
kindlich/kindisch, sondern eher "betriebswirtschaftlich" und im Sinne eines
"systemkompatiblen (Über-)Lebens" erforderlich, wenn der Staat zum
Gegner des Bürgers zu werden droht.

> so schnell geht das bei Dir? Waren Sie schon da ;-)?

Noe. Ich habe nur auch schon vor dieser Meldung und aus näherem Umfeld
"Durchsuchungsschäden" bei anschließenden Freisprüchen bzw. Verfahrens-
einstellungen (ohne Geldstrafe) mitbekommen.

Viele Grüße,
Daniel


-- 
Daniel Roedding                                       phone: +49 5252 9838 0
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