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Re: FFII 1999 Woche 22: Gruendung von EuroLinux etc



On Wed, Jun 09, 1999 at 08:06:54PM +0200, PILCH Hartmut wrote:
(...)
> Es geht dem VWDS um die Pflege und Weiterentwicklung der (meist
> unbewussten) Sprachsystematik, die unabhaengiges Denken erst ermoeglicht.
> Unseren Wirtschaftsfuehrern liegt nicht immer die Faehigkeit ihrer Kunden
> zu unabhaengigem Denken am Herzen, was sich dann im Sprachgebrauch
> niederschlaegt.

Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wie die Menschen die Sprache gebrauchen,
ist *ihre eigene* Sache. Wenn das dazu fuehrt, dass jedes zweite Wort ein
Lehnwort ist, dann ist das natuerliche Sprachentwicklung. Es ist nicht falsch
an einer unbewussten Weiterentwicklung. Worte, welche unverwendbar sind, 
weil z.B. ihre Deklination oder Konjugation unklar ist (heisst es nun 
"ge-downloaded", "down-geloaded" oder "downloadet"?), sterben aus oder es 
bildet sich eine weitverbreitete Form oder ein Ersatzwort ("runtergeladen")
aus. 

Das Ziel der VWDS, aehnlich der Dudenredaktion die Sprache in Beamten-
manier zu verwalten und den Sprachgebrauch zu kontrollieren, ist ueber-
fluessig wie ein Kropf und kann nur verglichen werden mit Praktiken der Nazis
zur Ausrottung "undeutscher" Begriffe oder den Aktivitaeten der Franzosen zur
Reinerhaltung ihrer Sprache, welche dort zu erbaermlichen Sprachkonstrukten
gefuehrt hat. 

Die weitaus meisten aus der Werbung oder auch aus Spezialvokabularen 
importierten Begriffe sind im breiten Sprachgebrauch aeusserst kurzlebig. 
Kein Grund, da etwas zu reglementieren. Wer glaubt, dass man jeden 
veranlassen muss, statt "Serial Mouse" etwa "serielles Zeigegeraet" 
(IBM) oder statt "Scrollbar" "vertikale/horizontale Verschiebeleiste" 
(Microsoft) zu sagen, produziert bewusst Unklarheiten und Sprachsalat
und behindert die Kommunikation. 

Die ins Feld gefuehrten .T...-Sprechblasen wie "GermanCall" etc. werden 
als Werbegefasel in der Bevoelkerung weitgehend ignoriert. Es kommt
drauf an, zu wissen, dass Telefonieren morgens teurer als abends und Fern-
gespraeche teurer als Ortsgespraeche; wie das ganze heute oder morgen
genannt wird, interessiert keinen - auch eine Art der natuerlichen Sprach-
entwicklung.

Dass eine dynamische Sprachentwicklung ohne Reglementierung freilich jedem 
Sprachuebersetzer oder Sprachenlehrer ein Dorn im Auge sein muss, ist
offenkundig - zwingt es doch diese Zeitgenossen zum lebenslangen Lernen
und insbesondere zu kreativem Umgang mit Worten. Eigentlich sollten sie
dazu in der Lage sein, aus dem Sprachgefuehl heraus eine geeignete
Flexionsform zu finden, ohne dass alles in dicken Folianten verreguliert ist.

BTW: wenn ich nicht gerade etwas "runtergeladen" habe, benutze ich meist
"downgeloadet" - verstaendlich ist das aber auch von Leuten, bei denen
Software "gedownloaded" wird.

-- 
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