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Re: FFII 1999 Woche 22: Gruendung von EuroLinux etc



On Thu, 10 Jun 1999, Holger Veit wrote:

> Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wie die Menschen die Sprache gebrauchen,
> ist *ihre eigene* Sache. Wenn das dazu fuehrt, dass jedes zweite Wort ein

es gibt einen Gebrauch in privater und einen in oeffentlicher,
sprachpraegender Mission.  Freiheit klappt nur, wenn dazu die jeweils
angemessenen Auflagen kommen.  Natuerlich mit klaren, einhaltbaren und
nicht zur Willkuer einladenden Regeln.

> Lehnwort ist, dann ist das natuerliche Sprachentwicklung. Es ist nicht falsch
> an einer unbewussten Weiterentwicklung. Worte, welche unverwendbar sind, 
> weil z.B. ihre Deklination oder Konjugation unklar ist (heisst es nun 
> "ge-downloaded", "down-geloaded" oder "downloadet"?), sterben aus oder es 
> bildet sich eine weitverbreitete Form oder ein Ersatzwort ("runtergeladen")
> aus. 

das klappt manchmal.
 
> Das Ziel der VWDS, aehnlich der Dudenredaktion die Sprache in Beamten-
> manier zu verwalten und den Sprachgebrauch zu kontrollieren, ist ueber-

ich bin nicht sicher, ob das das Ziel des VWDS ist.

> fluessig wie ein Kropf und kann nur verglichen werden mit Praktiken der Nazis
> zur Ausrottung "undeutscher" Begriffe oder den Aktivitaeten der Franzosen zur
> Reinerhaltung ihrer Sprache, welche dort zu erbaermlichen Sprachkonstrukten
> gefuehrt hat. 

so erbaermlichen Konstrukten wie "logiciel" fuer Software ? "ordinateur"
fuer computer ? "fichier" fuer "file" ? "h\'eberger" fuer "Hosting"?

Wenn wir "Logikalien" sagen wuerden, haetten wir folgende Vorteile:
(1) es gaebe einen Singular und Plural.
(2) die Laut-Form-Relation waere klar.
(3) man wuesste, dass so etwas nicht patentiert gehoert.

> Die weitaus meisten aus der Werbung oder auch aus Spezialvokabularen
> importierten Begriffe sind im breiten Sprachgebrauch aeusserst
> kurzlebig. Kein Grund, da etwas zu reglementieren. Wer glaubt, dass man
> jeden veranlassen muss, statt "Serial Mouse" etwa "serielles
> Zeigegeraet" (IBM) oder statt "Scrollbar" "vertikale/horizontale
> Verschiebeleiste" (Microsoft) zu sagen, produziert bewusst Unklarheiten
> und Sprachsalat und behindert die Kommunikation. 

Wie du selbst sagst: unbrauchbare Wendungen ueberleben nicht.
Auch Sprachplaner schlagen manchmal unbrauchbare Loesungen vor.

Natuerlich ist es vielen leuten laestig, ihre nationale Sprache zu
pflegen, insbesondere dann wenn das Nicht-Pflegen noch mit einem
Prestigegewinn verbunden ist (Ouhh, der kann aber gut Englisch, der ist
international erfahren, ein echter Weltbuerger ...).  Aber auch Techniker,
denen jegliches "pseudo-weltbuergerliches Imponiergehabe" (VWDS) 
fernliegt, moechten oft einfach unter ihresgleichen in englischsprachigen
Fachrunden bleiben und ihr Wissen nicht fuer die eigenen Landsleute
leichter zugaenglich machen.  Zumal ihnen schon das Abstrahieren laestig
ist, was noetig ist, um einen zweisprachigen Wortschatz gut zu pflegen.

> Dass eine dynamische Sprachentwicklung ohne Reglementierung freilich jedem 
> Sprachuebersetzer oder Sprachenlehrer ein Dorn im Auge sein muss, ist
> offenkundig - zwingt es doch diese Zeitgenossen zum lebenslangen Lernen
> und insbesondere zu kreativem Umgang mit Worten. 

Gerade diese Leute moegen nichts lieber als das.  Aber sie moegen
gleichzeitig Systematik.  "Dynamische Sprachentwicklung" findet so oder so
statt.  Und das was herauskommt, ist immer eine von aussen aufgedrueckte
fremde Gewalt.  Egal wer da am Hebel sitzt.   Nur das Ergebnis kann eine
schwaechere oder staerkere Sprache sein.

> Eigentlich sollten sie dazu in der Lage sein, aus dem Sprachgefuehl
> heraus eine geeignete Flexionsform zu finden, ohne dass alles in dicken
> Folianten verreguliert ist. 

Wer will dicke Folianten?

> BTW: wenn ich nicht gerade etwas "runtergeladen" habe, benutze ich meist
> "downgeloadet" - verstaendlich ist das aber auch von Leuten, bei denen
> Software "gedownloaded" wird.

Es geht dem VWDS m.E. um ein fruehzeitiges Vorgreifen, um eine Verbreitung
von Empfehlungen, wie man uebersetzen koennte, und zwar in dem Moment, wo
sich die schlechten Praktiken noch nicht eingebuergert haben.  

Wenn sie das erst haben, kaempft man gegen Windmuehlen, und die Gegner
warten nur darauf, einen als Don Qixote darzustellen.

Deshalb brauchen wir eine oeffentliche Woerterbucharbeit, die u.a.
vorgreifend normativ wirken will, ohne dafuer ueberhaupt einer
Reglementierung zu beduerfen.

Komm doch am Sonntag in Koeln vorbei.  OS/2-XFree86 wird dort auch
vorgestellt.

-phm