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Re: Softwarepioniere gegen EU-Patentplaene



On Sat, 19 Jun 1999, Johannes Ulbricht wrote:

> Aber im RL koennen die Softwerker vermutlich nicht im Ernst glauben,
> sie koennten weiter im schutzrechtsfreien Raum werkeln wie zuvor.

Ganz unserer (Smets, ich, EuroLinux, ...) Meinung.
Allerdings werkeln sie auch bisher nicht im schutzrechtsfreien Raum: es
gibt das Urheberrecht, und auch das wird manchmal schon schmerzhaft
ueberspannt, besonders wenn Schnittstellen darunter fallen, wie im Fall
IPIX (URL ueber swpat.ffii.org zu finden).

> Mich macht es immer misstrauisch, wenn bei solchen schwierigen Themen mit 
> grundsaetzlichen Weltformeln argumentiert wird wie z. B. "Softwarepatente 
> sind schaedlich". Auch das Patentrecht ist vermutlich nicht nur die 

Wir bemuehen uns auch, nicht so pauschal zu argumentieren.  Es geht um
ein Abwaegen des Nutzens und Schadens.  Je mehr man sich von der
Industrie-Hardware weg zur reinen Idee bewegt (dazwischen gibt es viele
Stadien), desto mehr ueberwiegt der Schaden.

> Folterzange des Kapitals, sondern auch in weiten Bereichen fuer die 
> Allgemeinheit nuetzlich, da es Investitionen in Forschung und die 
> kontrollierte Weiterverbreitung von Know-How ermoeglicht.

Man kann auch die Patentierbarkeit mit dem Kommunismus vergleichen:  eine
theoretisch z.T. recht ansprechende Idee, die bei der Umsetzung aber zu
ganz anderen als den erhofften Ergebnissen fuehrt.
 
> Beim Urheberrecht, das mich als Thematik fasziniert und von dessen 
> grundsaetzlicher Sinnhaftigkeit ich ueberzeugt bin (und mit dem ich in 
> fernerer Zukunft mein Geld verdienen will, wenn auch nicht als Anwalt), 
> versuche ich im Moment im Rahmen meiner Diss, weg von der grundsaetzlichen 
> Kritik am Urheberrecht hin zu einer differenzierteren Betrachtung seiner 
> positiven und negativen gesellschaftlichen Rolle im Informationszeitalter 
> zu kommen. Es liegt ja irgendwie in der Natur des Rechts, dass es sich nur 
> durch seine eigenen Grenzen definiert. Logischerweise wird es in dem Mass 
> unglaubwuerdig und langfristig sogar unbrauchbar, wenn es seine eigenen 
> Grenzen ueberspannt.
> Wenn es ausgewogen ist, implementiert es sich fast von selbst, weil es 
> allgemein akzeptiert wird.

Wir befuerworten ebenfalls das Urheberrecht und auch die Suche nach
weiteren adaequaten Mitteln des Investitionsschutzes.

Leider bewegt sich die EU auf eher unbedarftem, ideologischen Niveau, wie
ein Blick ins Gruenbuch zeigt.  Ihre Argumente sind im wesentlichen:

- Eigentum ist an sich etwas gutes (angelsaechsische Tradition)
- Beseitigung von Hindernissen beim Eigentumsschutz = Liberalisierung 
- die fuehrende Softwarenation Amerika macht es so 
- Microsoft hat 400 Patente
- Es gibt bereits Softwarepatente im Zusammenhang mit Industrieanlagen.
  Das fuehrt zu Inkonsequenz, die man jetzt beseitigen sollte.

Die tatsaechlichen praktischen Auswirkungen wurden nicht untersucht und
nicth einmal die Begriffe scheinen richtig geklaert.  "Softwarepatente"
ist m.e. eine contradictio in adjecto: ein Informationswerk kann nur unter
den Urheberrechtsschutz fallen, Patente beziehen sich auf Techniken. 
  
> Drum finde ich es falsch, das Recht als Solches und nicht seine konkrete 
> Ausgestaltung zu kritisieren. Ohne Recht gibt es Willkuer. Das hat man am 
> Beispiel "Freiwillige Selbstkontrolle" gesehen: Gar keine Inhaltskontrolle 
> ist letztlich als politischer Standpunkt nicht durchzuhalten und kippt 
> daher leicht in absolute Kontrolle. Beim Urheberrecht koennte man es 
> (hoffentlich nicht) nochmal sehen: Wenn die Leute, die es eigentlich 
> angeht, das Urheberrecht nicht benutzen, sondern verdammen, prognostiziere 
> ich technische Kopierschutzmechanismen bis zum Abwinken und am anderen Ende 
> der Wertschoepfungskette ein paar gutbezahlte Anwaelte, die den unbedarften 
> Kreativen die Rechte fuer ein freiwillig gegebenes Almosen abknoepfen, und 
> ihnen soviel kuenstlerischer Freiheit lassen, wie gegenwaertig im 
> Werbefernsehen ueblich.

100% Zustimmung

Unsere Lobbygruppe legt wert darauf, dass wir in diesen Dingen keine
GNU-Juenger sind.   Ideologen sind die Leute von der EU, die
undifferenziert Eigentum fuer einen Wert an sich halten.

Ich waere sehr dankbar, wenn wir diese Diskussion mit swpat@ffii.org im
Verteiler ein wenig vertiefen koennten.
 
-phm