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Re: [FYI] Computerkriminalität: Interview mit Prof. Dr. Ulrich Siebe




Hallo,

>Sieber:
>Die größten Probleme bereiten die Fälle der
Wirtschaftskriminalität, die häufig mit Hilfe des Hacking begangen
werden; insbesondere Computermanipulationen, >Computerspionage und
Computersabotage. Hinzu kommen Software- und Datenpiraterie sowie
Datenschutzverletzungen. In den letzten Jahren traten hier vor allem die
>Verbreitung von rechtswidrigen und jugendgefährdenden Inhalten,
insbesondere von kinderpornographischen und rassistischen Daten. Daneben
gibt es zahlreiche weitere >Delikte, die über das Internet durchgeführt
werden können.

Gibt es eigentlich aktuelle, statistische Auswertungen der Arbeitsgruppen
beim BKA und LKA´s über die Netzstraftaten, die angezeigt wurden, denen
man nachgegangen ist und die zu Aufklärungen führten ?

>Sieber:
>Im Kampf gegen die Verbreitung von Kinderpornographie benötigen wir eine
bessere Zusammenarbeit zwischen den Providern und den Behörden.
Strafverfolgungsbehörden, >Provider und User haben ein Interesse an einem
sauberen Netz, das auch von Kindern genutzt werden kann.

Stellt sich nur wieder die alte Frage, in welchem Maße ein
"parental-controled" Netz zu nicht akzeptablen Beschränkungen des
ungehinderten Zugangs zu Informationen führt und welche Prioritäten
gesetzt werden: Sauberes Netz, in dem auch Grenzfälle, Websites im
Graubereich untergehen oder ein freies Netz, in dem auch kriminelle Inhalte
vorkommen.
Eine Trennung der kriminellen Inhalte vom Rest des Netzes ohne
Beschädigung der Möglichkeit des ungehinderten Zugangs scheint mir
nicht realisierbar, wobei zuletzt auch noch die Frage im Raum steht, welche
Saubermänner saubere Kriterien für eine Säuberung des Netzes in einem
suberen Prozess sauber festsetzen.

>Besonders bei der Identifizierung der Straftäter sollten die Provider
die Polizei besser unterstützen. Entgegenstehende datenschutzrechtliche
Regelungen sollten beseitigt >werden.

Welche datenschutzrechtlichen Regelungen schweben uns denn da vor ?
Ich würde das "Freeze + Preserve" Konzept (wenn es auch noch nicht im
Detail ausreichend klar ausformuliert ist) schon als genügend und bis an
die Grenze des Akzeptierbaren ansehen, die permanente Standleitung zu
BKA/Verfassungsschutz als nicht akzeptierbares Extrem auf der anderen
Seite.
Welche Abstufungen gäbe es denn noch, die demokratischen Grundsätzen
und dem Recht auf infomationelle Selbstbestimmung entsprächen ?

>Sieber: Kinderschutzsysteme wie Cyberpatrol, Netnanny oder
Labeling-Systeme wie PICS sind ein richtiger Ansatz, um Minderjährige zu
schützen, ohne zu einer >unzulässigen Zensur für Erwachsene zu
führen.

Wie die vielen Negativbeispiele aus den Staaten und die Untersuchungen von
GILC zeigen...

>Verantwortung und Aufsicht der Eltern sind im Cyberspace daher ebenso wie
in der realen Welt von zentraler Bedeutung.

Das sehe ich auch so.
Aber wenn ich dann lese, daß mittlerweile in vielen Fernsehgeräten in
den Staaten der "V-Chip" sitzt, aber zum großen Teil von den Eltern
entweder aus Faulheit oder Dummheit nicht genutzt wird, dann bekomme ich
doch arge Zweifel, wie es Eltern mit ihrer Verantwortung halten und ich
muß hinzufügen: ...können.
Wenn man zu beiden Teilen berufstätig ist, aufgrund der hohen
Abgabenlasten noch 1 oder 2 Nebenjobs macht, fängt man dann zum
Feierabend wahrscheinlich nicht damit an, den V-Chip für die nächsten
Tage zu programmieren oder neue Filter zu ersinnen.

>Sieber:
>Zum einen brauchen wir eine effektive - auch verdeckte - Strafverfolgung,
deren Ziel nicht nur die Beseitigung der strafbaren Bilder und deren
Verlagerung in besser >geschützte Bereiche des Internets sein darf,
sondern die vor allem auf die Identifizierung der Straftäter zielen
muß, welche die Kinder mißbrauchten und dies auch weiter >tun. Wir
müssen deswegen verstärkt zur Wurzel des Übels und zu den
eigentlichen Tätern vorstoßen. Dazu brauchen wir vor allem wirksame
technische >Rückverfolgungsprozeduren im Internet.

Das geht aber nur um den Preis der Rückverfolgbarkeit jedes Users und die
Aufgabe der Position, daß es als gewünscht, notwendig oder
gerechtfertigt angesehen wird, anonym zu mailen, anonym zu surfen.
Dann brauchen wir uns auch nicht mehr über irgendwelche MAC-Adressen oder
Pentiumprozessorenseriennnummern zu unterhalten sondern müßten solche
"Features" begrüßen.
Was verdeckte Ermittlungen angeht, wenn es im real life legitime verdeckte
Ermittlungsarbeit gibt, warum nicht im Netz auch, wenn die gleichen
rechtlichen Einschränkungen und Bedingungen erfüllt werden.

>Sieber:
>Der Besitz, die Beschaffung sowie die Weitergabe von
kinderpornographischem Material sind strafbar. Stößt man als User auf
solche Inhalte, muß man sie sofort vom >Rechner löschen. Die umgehende
Übermittlung an die Strafverfolgung wird nach meiner Meinung von dieser
Norm jedoch nicht erfaßt. Ich empfehle eine Übermittlung >zumindest der
entsprechenden Adreßangaben, damit die Straftäter ermittelt und Kinder
in Zukunft vor Mißbrauch geschützt werden können.

Aber es gibt doch Fälle, in denen Benutzer, die starfrechlich relevante
Funde zur Anzeige brachten, danach eine Anzeige bekamen, da besteht doch
rechtlicher Nachbesserungsbedarf und nicht umsonst gibt es z.B. die
"Vermittlungsstelle" der C´t, die ansonsten gar nicht nötig wäre.
Ich empfehle, in sochen Fällen keinen direkten Kontakt mit den Behörden
aufzunehmen.

>Sieber: Diese Forderung ist technisch unsinnig und rechtspolitisch
verfehlt. Sie steht auch in klarem Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung
des Teledienstegesetzes >und seiner eindeutigen Interpretation nicht nur
durch die Wissenschaft, sondern auch durch das Bundesforschungsministerium,
das Bundesjustizministerium und die >Bundesregierung. Die Sperrung des
Zugangs zu bestimmten Informationen ist technisch vor allem deswegen nicht
möglich, weil im Internet Nutzergruppen und Staaten >nicht gegen den
internationalen Datenverkehr abgeschottet werden können und weil die
immensen Datenmengen nicht in Echtzeit kontrollierbar sind. Da über die
gleichen >Netzknoten nicht nur öffentliche News, sondern auch Privatpost
und Geschäftsgeheimnisse übermittelt werden, würde eine effektive
Zugangskontrolle eine >Totalüberwachung der Bürger bedeuten, die nicht
einmal die Volksrepublik China schafft und die in einer Demokratie
unvorstellbar ist.

Da stimme ich zu, aber würde nicht gerade deshalb die "Beseitigung
datenschutzrechtlicher Regelungen" und die Implementierung "wirksamer
technischer Rückverfolgungsprozeduren"  zur "Totalüberwachung des
Bürgers" führen ?

Ciao
Kai