Re: [FYI] Computerkriminalität: Interview mit Prof. Dr. Ulrich Sieber

["Kai Raven" <kai.raven@ob.kamp.net>]

Hallo Heiko,

On 07.07.99 to subject "Re: [FYI] Computerkriminalität: Interview     mit
Pr  of . Dr. UlrichSiebe", you wrote:
Am 07.07.99 schriebst Du zum Thema "Re: [FYI] Computerkriminalität:
Interview     mit Pr  of . Dr. UlrichSiebe":

>Scott Charney, wer ist das ?

Der Vorsitzende der neuen G8-Arbeitsgruppe "High-Tech Kriminalität".
Ein Mann und eine Arbeitsgruppe, den  und die man genau im Auge behalten
sollte (ich denke Christiane wird das verfolgen ;-))

>At 10:24 Uhr +0200 on 07.07.1999, you wrote:
>>Mein persoenlicher Eindruck war der, das mich der erste Teil des
Interview
>>frappierend an das Interview erinnert hat, das ich mit Scott Charney
geführt
>>habe. Dass es dann den Fokus auf Kinderporno hatte, liegt aber wohl am
>>Fragesteller, nicht an Sieber. Mich wuerde interessieren, welche Rolle
Sieber

Zum Interview:
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/2937/1.html

>Schoen und gut, aber seine Antwort war doch sozusagen strukturell, vom
>Ansatz her, VOLL auf der Linie Community Decency Acy und nicht auf seiten
>des bekannten Pennsylvania US District courths. Nach dem Motto, wir
muessen
>das Netz sauber fuer die Kleinen halten. Es ging NICHT darum, wenn ich
>nicht was ueberlesen hab, die Kleinen vor den Filmherstellern zu bewahren.

Kinderpornografie ist ein x-beliebiger und zur Zeit, nach den Ereignissen
in Belgien, sehr wirksamer Aufhänger, um Veränderungen im Rechtssystem
und technische Neuerungen spezieller Art durchzuführen oder zu setzen.
Wenns nicht die Kinderschänder wären, dann die Kreditkartengangster.

Christiane hat schon recht: Die Kernpunkte von Sieber waren die Aufhebung
der Anonymität, der Möglichkeiten zur Anonymisierung und die
Zurückverfolgungsmöglichkeit jeden Netzzugangs, die engere
Zusammenarbeit zwischen Providern und Strafverfolgern, ein globales
Internet(strafverfolgungsrecht) durch Harmonisierung und Abbau von
datenschutzrechtlichen Schranken und die Einrichtung von internationalen
(zunächst europaweiter) Strafverfolgungsbehörden (=>Europol), die
auch undercover arbeiten.

Und was sagt Charney ?
Ein paar Zitate:

"Einige Optionen beinhalten zum Beispiel, in bestimmten Bereichen, in denen
Firmen ihre Kunden kennen wollen, Authentifikationen einzuführen. In den
USA läßt sich das jedoch so nicht durchführen. Manche Leute wollen
das Internet gerne anonym benutzen - nicht weil sie Kriminelle sind,
sondern weil sie ihre Privatsphäre bewahren wollen. Zusammen mit der
Industrie sehen wir, zu welchem Grad bestimmte Anwendungen
Authentifikationen benötigen. Die Frage ist, wie wichtig die anonyme
Nutzung tatsächlich ist, denn die Leute können Inhalte auch anonym
über den Briefkasten verschicken."

"Es ging um fortlaufende Themen. Wir sahen uns zum Beispiel einige
technische Fragen in Bezug auf Trap-and-Trace an und die Unterschiede
zwischen Verkehrsflußdaten und Inhalten. Jede Delegation überprüfte
die einheimischen Gesetze, um festzustellen, wo Ähnlichkeiten und
Unterschiede bestehen."

"Wenn Sie Unterschiede in den nationalen Rechten feststellen, sind einige
wichtig und einige weniger wichtig. Wir versuchen also herauszufinden, an
welchen Stellen sie für uns problematisch werden"

"Wir schauen uns also die Unterschiede in den Gesetzen an und überlegen
uns, ob sie die Strafverfolgung verletzen oder unterstützen"

"Aus diesem Grund haben wir die 24-Stunden-Kontaktgruppe eingerichtet. Sie
funktioniert so, daß wir uns direkt an den Experten des anderen Landes
wenden können. Er setzt dann alles nötige in den Gang. Auf diese Weise
bleibt der Ball in Bewegung. Wir kümmern uns darum, daß es ein
entsprechendes nationales Recht gibt, so daß die Länder einander
schnell helfen können. Und wir kümmern uns darum, daß es
internationale Regeln gibt, so daß die Daten weitergegeben werden
können."

"Es ist weniger die Frage, ob sie [Anm.: die Provider] mit uns kooperieren
wollen, sondern ob es technisch möglich ist: Sind die Daten verfügbar
und wie können sie ausgewertet werden? Zum Beispiel bieten die Provider
hier die Einwahlnummer 555-2000 für den Internet Service an. Über diese
Nummer wählen sich einige tausend Benutzer ein, denen dann automatisch
eine IP-Paket-Adresse zugeordnet wird. Wir hatten den Fall, daß einer
dieser Nutzer sich über diese Nummer einwählte und etwas Schlechtes
machte. Wir wollten nun wissen, über welche Telefonleitung sich diese
Person eingewählt hatte, aber es gab keine Möglichkeit das
herauszufinden. Einige Monate später gab es dasselbe Problem. Dieses Mal
hatte der Provider jedoch ein Tool entwickelt, um es herauszufinden. Der
Provider hatte es nämlich mit mehreren Betrugsfällen zu tun gehabt und
hatte die Betrüger nicht identifizieren können. Ein anderes Problem:
Wir wollen wissen, wer sich vor drei Stunden eingewählt hat und eine
bestimmte IP-Adresse benutzt hat. Der Provider speichert jedoch die Daten
nicht. Wäre der Nutzer noch online, hätte man ihn identifizieren
können. In dem einen Fall gab es also die Technologie nicht, in dem
anderen Fall waren die Daten nicht mehr vorhanden."

>Man sollte sowas nicht zu sehr personalisieren und man sollte vielleicht
>auch nicht korintheankackerisch auf einzelne Formulierungen achten, aber
>man sollte auch nicht die Anreize uebersehen, auf Bedarf Probleme zu
>schaffen.

Nein, es wäre falsch, daß auf Sieber zu konzentrieren, viel
interessanter sind da die Personen und Gruppierungen, die lieber gerne im
Hintergrund und am Rande wirken wie die ILETS Leute oder Charney, Juristen
sind dann nur diejenigen, die Projekte und Ziele in Gesetze ausformulieren,
flankiert von öffentlichen Personen wie diesem Internetjäger der
bayerischen Netzstreife oder irgendwelchen Hinterbänklern, die sich
sporadisch über den "Abrund Internet" in der Presse ereifern.

>Sieber hat langfristige Auftraege, wenn er sie hat, und die Chance, die
>kuenftigen herrschenden Meinungen mit zu formulieren.
>
>Die herrschenden Meinungen sind bekanntlich was ?? ;-)
>
>Es geht hier immer wieder auch um Internet und Regelungstechnik. Bei
>Atomkraftwerken gehts um langfristige Vorhaben, wie lange sowas dauern
>kann, sehen wir gerade. Das Internet ist vielleicht schneller, was neue
>Vorstellungen ueber gut und boese und was man dagegen machen kann angeht.
>Bei manschen Sachen, Multimedia moeglich machen was doch schon vom Ansatz
>her Schwachsinn...., hab ich den Eindruck, es wird eher gehemmt.

Aber was sind genau die Gründe der Hemmnisse ?

>An die Stelle politischer Entscheidungen tritt symbolischer Aktionismus.

An der Stelle politischer Kompetenz steht zur Zeit eine Mischung aus
Unwissenheit, Machtverlustängsten und Populismus gepaart mit der
Vorstellung von der "Dream-Machine Internet", die uns die nächsten Jahre
Millionen von Arbeitsplätzen bescheren wird.
Eher auf mittlerer bis kommunaler Ebene tut sich was, wenn ich mir die
ansteigenden bemühungen von Städten ansehe, im WWW Leistungen
anzubieten oder sich zu repräsentieren oder das verzweifelte Bemühen,
den deutschen Schulen endlich adäquate Internetversorgung zukommen zu
lassen.

Ciao
Kai
--

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