[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: [FYI] Politiker halten nichts von Online-Demokratie



Axel Horns litt weiter:

>                    Politiker halten nichts von Online-Demokratie

>		     Davon waren zwar drei Viertel der Meinung, dass
>		     moderne Informationstechnik einen wichtigen
>		     Beitrag zur Entwicklung der Demokratie leisten
>		     könne, doch nur 218 befürworten neben dem
>		     traditionellen Wahlverfahren auch die
>		     Stimmabgabe über das Internet. (ad/c't)

Paßt da die Überschrift wirklich zur Meldung? (*)

Ich denke nein.

Denn hier werden letztlich zwei Fragen durcheinandergewürfelt, die
nach mehr direkter Demokratie durch Online-Stimmabgabe, und die nach
der demokratisierenden Wirkung von modernen Informationstechniken.
Denn Online-Abstimmungen sind IMHO nur dann den Aufwand wert, wenn
sie öfter als alle paar Jahre für die Handvoll Wahlen zum Einsatz
komme, die heute anfallen.  Das würde allerdings eine Abkehr von
Grunddogmen z.B. des Grundgesetzes bedeuten.

Viel interessanter und auch wichtiger erscheint mir zur Zeit
eigentlich die zweite Frage, also die nach der demokratisierenden
Wirkung von modernen Informations- und Kommunikationsdiensten

Diese Wirkung fängt, denke ich, langsam an, spürbar zu werden.

In mehr und mehr Staaten sind die Primärquellen zu
Entscheidungsfindungen zeitnah und mit geringem Aufwand der
Öffentlichkeit zugänglich, und in ein paar Jahren wird es sich kaum
ein moderner Staat leisten können, diese Materialien nicht
unentgeltlich und per Internet zugreifbar vorzuhalten - mit etwas
Glück bekommen wir eine Skandinavisierung der öffentlichen
Informationspolitik.  Eine breite Debatte (jenseits der
Verbandsöffentlichkeit) schon _vor_ der eigentlichen
Entscheidungsfindung wird in einem bisher kaum gekannten Maß
möglich, und zwar auch bei solchen Themen, die in der breiten
veröffentlichten Meinung nicht zur Sprache kommen.

Kommt hinzu, daß die Nutzung von Datennetzen als
Kommunikationsmedium die Bildung von themenspezifisch politisch
aktiven, aber geographisch verteilten Gruppen orthogonal zu den
Parteien fördern: Kommunikationsmöglichkeiten, wie sie vor zehn oder
gar fünfzehn Jahren vielleicht den Spitzen großer Organisationen
(und einigen "Freaks") zur Verfügung standen, sind seit einiger Zeit
jedermann zu vergleichsweise geringen Kosten zugänglich.

(Tatsächlich ergab sich sogar zeitweis das Paradox, daß innerhalb
von z.B. Bundestagsfraktionen ein Internet-Zugang im Büro als
Statussymbol und Machtfaktor angesehen wurde und nicht ohne weiteres
jedem Abgeordneten für seine Arbeit zur Verfügung stand.  Mit
anderen Worten: Hobbyaktivisten hatten zeitweise effektivere
Kommunikationsmittel zur Verfügung als Politik-Profis.)

Insofern stimme ich tatsächlich mit dem Großteil der befragten
Politiker darin überein, daß die Bedeutung moderner IuK-Techniken
für die Entwicklung der Demokratie anderswo als bei der Abhaltung
von Netz-Wahlen liegen.

(*) Alternativ könnte man die Frage stellen, ob die Begrifflichkeit
von der "Online-Demokratie", wie sie verwendet wird, für die zu
beschrebienden Phänomene wirklich brauchbar ist.