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Re: [FYI] FR: Gesetz zum Erhalt der französischenSprache soll jetzt auch auf das Internet angewendet werden



PILCH Hartmut schrieb:
> 
> On Sun, 3 Oct 1999, Kristian Koehntopp wrote:
> 
> > >Schon die Form und Schreibung des Wortes "Browser" folgt nicht den Regeln
> > >des deutschen Sprachsystems.  "Navigator" und "Brauser" jedoch wohl.
> >
> > >Dass etwas seit einigen Jahren in einigen englischen Soziolekten verwendet
> > >wird, macht es noch nicht zu einem Teil des Sprachsystems.
> >
> > Sprache kommt von Sprechen, Systematik kommt von System. Daher
> > interessiert bei der deutschen Sprache auch mehr, was die Leute
> > sagen, nicht so sehr jedoch, ob es in die Systematik passt.
> > Notfalls wird die Systematik angepasst.
ACK
> 
> Genau.
> 
> Anpassung der Systematik bedeutet aber in diesem Falle eine
> spannungsgeladene Koexistenz mehrerer Systeme, die zu den
> bekannten unwillkuerlichem Falschlesungen
> 
>         Brathering ==> Braesering
>         Tathergang ==> Taesergaeng
> 
> fuehrt.

Fehler sind der Ausgangspunkt für Lernerfolge. Ich sage dazu nur:
Blumento-Pferde.

> 
> Jeder Informatiker, der ein System pflegt, bemueht sich, solche
> Zweideutigkeiten, unnoetige Konfiguarationsoptionen und Ueberladungen zu
> eliminieren und das System staendig schlank und effizient zu machen.

Im Prinzip ja, aber die Realität zeigt doch, dass es schwierig ist,
dieses Ziel zu erreichen, weil ein System immer einen Bezug zur Realität
hat und die ist nun mal beliebig komplex :-)

> 
> Genau dies versuchen die Sprachwahrer Frankreichs und Deutschlands, ebenso
> wie Esperantisten, Lojbanisten usw in ihrem Bereich.

Sprachwahrer sind "konservativ". Je älter Menschen werden je eher
tendieren sie zum "Konservatismus", da die Lernfähigkeit abnimmt und es
einfacher ist am Altbekannten festzuhalten.
Man hat immerhin sein ganzes Leben benötigt, um den jetzigen
"Wissensstand" zu erreichen. Ich bin mir sicher, dass der grösste
Protest gegen die Rechtschreibreform aufgrund dieses Konservatismus
entwickelt - ich merke ja selbst, wie ich z.T. gegen die neue
Schreibweise rebelliere, weil sie von mir verlangt, ein gelerntes und
fest "einprogrammiertes" Muster durch ein neues zu ersetzen.

> 
> Dass die Schlankheit und Effizienz von Computersystemen wichtig aber die
> unserer Sprache unwichtig sei, kann niemand glaubhaft machen.

Da würde jedem Germanisten die Haare zu Berge stehen. Was ist mit den
Begriffen wie Schönheit, Eleganz, Wohlklang der Sprache. Sprache ist
doch kein effektives System zur Übermittlung von Informationen, sondern
ist der Versuch die Welt zu beschreiben. Aber hier wird es philosophisch
... 

> 
> Fuer Unruhe sorgt dabei die Frage der Legitimation von planenden
> Eingriffen, die auch Host-Walter Schwaeger hier immer wieder
> aufwirft:  "Wer ist dazu berechtigt?" "Man behuete uns vor diesen
> selbsternannten Heilbringern!"  usw usf.

Schlimm wird es nur, wenn diese "Heilsbringer" eine kritische Masse in
Bewegung setzen :-)

> 
> Damit verbunden ist eine weitverbreitete anarchistisch-darwinistische
> Ideologie, die meint, die Welt kaeme ohne planende Eingriffe aus und das
> "freie Spiel der Kraefte" sei die einzig legitime und effiziente
> Existenzweise.

Diese Theorie muss man meiner Meinung mach nur ein wenig anders sehen:
die planenden Eingriffe sind Teil des "freien Spiel der Kräfte". Weil:
diese Kräfte umfassen "ALLES". Der schlimmste Fehler, den vielen
Menschen machen: sie sehen sich als ausserhalb stehend. Das Verlassen
auf das freie Spiel der Kräfte kann nicht als Argument für das
Nicht-Handeln herangezogen werden!

> 
> Das ist aber allenfalls bedingt richtig. Wir leben in einem Zeitalter, wo
> wir uns von allerlei Fehlplanung und kollektiver Dummheit befreien muessen
> und in vielen Situationen nur noch vom Laissez-Faire das Heil zu erwarten
> ist. Das ist aber nur durch momentane historische Umstaende bedingt, und
> langfristig bleibt es nach wie vor unsere Aufgabe, besser funktionierende
> Systeme der kollektiven Entscheidungsfindung aufzubauen.  Diese von
> vorneherein als "obrigkeitlich" abzuwehren, behindert jeden Fortschritt.

Kollektive Dummheit ist systembedingt - da kann man nichts machen :-)

Thomas