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Re: Re: [FYI] FR: Gesetz zum Erhalt der französischen Sprache soll jetzt auch auf das Internet angewendet werden



On Mon, 4 Oct 1999, Rudolf Schreiner wrote:

> > Es geht um Verständlichkeit, nicht um deutsche, griechische oder andere
> > Herkunft.
> 
> Genau, darum geht es. 

Es geht m.E. zudem um die Pflege der Sprachsystematik.
 
> Und aus diesem Grund bin ich gegen eingedeutschte _Fach_ausdruecke. 
> Fachleute verwenden in allen Bereichen Fachsprachen, die nicht-Fachleuten 
> unzugaenglich sind. Wer in einem solchen Fachgebiet mitreden will, 
> muss diese Fachsprache erlernen. Oder er bleibt auf Pidgin-Niveau. 
> Das ist nicht nur im Bereich IT so. 

Das ist noch kein Grund, gegen Eindeutschung zu sein.  Auch eine
eingedeutschte Fachsprache muss erlernt werden.  Sie hat aber den Vorteil,
dass sie sich in die Systematik des deutschen einfuegt und in dessen
Kontext leichter erlernbar ist.   Ausserdem hat man, wenn man bei der
Schaffung der Terminologie sorgfaeltig vorgeht, die Chance, eine bessere
Terminologie zu schaffen als das den Amerikanern bei ihrem ersten Anlauf
moeglich war.

Wer sich ein Grundwissen in diversen Wissenschaften aneignen moechte, dem
empfehle ich allen Ernstes, chinesisch zu lernen.  Das chinesische hat
eine hervorragend transparente Fachterminologie.  Bei der Betrachtung
vieler Woerter wird einem erst klar, was hinter den europaeischen Woertern
steckte.  Auch das Periodensystem der Elemente lernt sich auf chinesische
leichter als in anderen Sprachen.  Das liegt an der hervorragenden
Systemhaftigkeit dieser Sprache, die sich m.E. durch folgende Umstaende
erklaert

- Schriftzeichen als verbindende Einheit aller Ebenen (Bedeutung, Laut,
  Schrift, Aesthetik)
- Schriftzeichen verhindern verkomplizierende Entwicklung
- Schriftgelehrtentum betonende elitaere Kultur (2000 Jahre
  Beamtenpruefungen)
- Zwang, alles mit einem begrenzten Vorrat an Schriftzeichen
  auszudruecken, Versperrung jedes Ausweges in Unregelmaessigkeiten

Chinesisch ist daher wesentlich regelmaessiger und einfacher als
Esperanto.  Das zeigt die heilsamen Wirkungen von disziplinierenden
Einschraenkungen bei der Sprachentwicklung.

> In der gesamten EDV (IT) sind die Fachausdruecke nun mal Englisch. Nicht 
> nur wegen der historischen Dominanz der USA in diesem Bereich, sondern 
> weil hier rein deutschsprachige Arbeitsgruppen mittlerweile selten sind. 
> Auch wenn man Deutsch miteinander redet, will man doch nicht erst 
> anfangen, deutschsprachige Begriffe zu definieren. Man verwendet lieber 
> die wohldefinierten und jedem Spezialisten bekannten Ausdruecke. Der Laie 
> kapiert's eh nicht. 

Es schadet trotzdem nicht, das zu versuchen.  Vor allem dann, wenn man
Lehrbuecher schreibt und beginnt, das Wissen fuer breitere Leserschichten
aufzubereiten. 

Solche Vorgaenge finden in jeder Sprachgeschichte statt, und wir sollten
immer die Filterung und Aufbereitung foerdern.

In der chinesischen Geschichte wurde der Zwang zur Aufbereitung von einem
rigiden Schriftsystem (in verbindung mit elitaerer Schriftkultur)
auferlegt.  Auch heute koennen wir guenstige Bedingungen fuer eine
nachtraegliche Filterung und Aufbereitung schaffen.
 
> Ein Beispiel: Wir arbeiten z.Z. an einem etwas exotischen Problem der 
> Computersicherheit. Wir haben Wochen gebraucht, nur um Begriffe zu 
> definieren. Andernfalls koennten wir unsere Probleme gar nicht beschreiben.
> Dazu verwenden wir wohldefinierte und Fachleuten bekannte Fachausdruecke. 
> Wuerde man das alles in Deutsche uebersetzen, waer' das Chaos komplett. 
> "Chinese Wall" hat nun mal gar nix mit der "Chinesischen Mauer" zu tun, 
> sondern ist ein Security Model mit dem Fachmann bekannten Eigenschaften. 
> Der Laie wuerde auch dann nichts verstehen, wenn man es  "Chinesische 
> Mauer" nennen wuerde.

Stimmt.  Man kann in vielen Situationen da auch gar keinen Einfluss
nehmen.  Fuer die unmittelbare Situation, bringt das nur Muehe und
Missverstaendnisse.  Aus langfristigem Interesse an einer gut
funktionierenden Sprache heraus sollte man jedoch gewisse
Unannehmlichkeiten nicht Scheuen.  Fast jede Ethik die man propagieren
kann, wird in gewissen Situationen nicht sehr sinnvoll sein.
 
> Eine ganz andere Frage sind natuerlich Ausdruecke wie "Global Call" auf 
> der Telefonrechnung oder der "Service Point" der DB. Da wird mir auch 
> schlecht.

Genau.  Das Problem liegt wirklich auf einer ganz, ganz anderen Ebene.
Selbst der VWDS empfiehlt seinen kampagnenwilligen Mitgliedern, nur
letzteres Problem ins Visier zu nehmen und nicht in der Oeffentlichkeit
gegen Technikerjargon zu polemisieren.

-phm