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Re: [FYI] FR: Gesetz zum Erhalt der französischen Sprache soll jetzt auch auf das Internet angewendet werden



Kristian Koehntopp skribis:

> > Jeder Informatiker, der ein System pflegt, bemueht sich, solche
> > Zweideutigkeiten, unnoetige Konfiguarationsoptionen und Ueberladungen zu
> > eliminieren und das System staendig schlank und effizient zu machen.
 
> Sprachen werden durch Eindeutigkeit langweilig und verlieren an
> Maechtigkeit. Mehrdeutigkeit gibt Ausdrucks- und
> Interpretationsmoeglichkeiten, mehrere Moeglichkeiten zum
> Ausdruck desselben Sachverhaltes geben Vielfalt und Nuancen

Ein sehr haeufiges und wichtiges Argument, dass in eine Sprachwahrer-FAQ
gehoert!

Du verwechselst m.E. einiges:
Ausdruckskraft entsteht durch Syntaxregeln.
Zweideutigkeiten beeintraechtigen immer die Ausdruckskraft.
Jede Kunstsprache und jede Sprachpflegebemuehung strebt nach
Eindeutigkeit.
Natuerlich kann man mit Zweideutigkeiten hervorrangend spielen.
Witze entlarven Zweideutigkeiten und sind ein Reinigungsmechanismus, mit
dem die Sprache sich von ihnen befreit.
Daraus zu schliessen, Zweideutigkeiten foerderten die Ausdruckskraft ist
wie wenn man meinte, die Missstaende, die im DDR-Witz und in Radio-Eriwan
ihren Ausdruck fanden, haetten zur Produktivitaet der Gesellschaft
beigetragen.
Vielfache Interpretationsmoeglichkeiten und mehrere Moeglichkeiten zum
Ausdruck des selben Sachverhaltes gibt es andererseits in jeder
Kunstsprache.
Lojban kennt z.B. keine syntaktischen Zweideutigkeiten, wohl aber jede
Menge Moeglichkeiten, den selben Sachverhalt auszudruecken.
Und zur Dichtung bieten gerade Kunstsprachen reizvolle Moeglichkeiten.
Dieses Jahr war ein Esperanto-Dichter, William Auld, im Gespraech fuer den
Nobelpreis.  In der Welt am Sonntag erklaerte Auld dazu, er habe das Glueck,
mit einem ueberlegenen literarischen Ausdruckmedium zu arbeiten, was aber
das Nobel-Kommittee kaum wuerdigen koenne.
 
> Letzteres sogar bei Computersprachen: Perl zum Beispiel scheint
> die "Gesetze" zum guten Design von Computersprachen mit den
> Fuessen zu treten und hat sich sein Vokabular auch aus
> Lehnworten und uebernahmen bei mehr als einem halben Dutzend
> anderen zusammengeklaut (und ist noch stolz drauf und
> erfolgreich damit!). 

Perl ist recht reizvoll -- ich benutze es oft, um kleine Programme zu
schreiben.  Auf Waus Empfehlung hin habe ich auch Larry Walls
Ausfuehrungen zur Linguistik gelesen.

Dennoch trifft dein Vergleich m.E. daneben, denn
- Auch Perl leistet sich keine Zweideutigkeiten
  Es entlehnt viele Konstrukte, integriert sie aber in ein
  einheitliches Gesamtsystem
- Perls ist fuer viele praktische Kontexte optimiert und in diesen
  eleganter als systematischere Sprachen wie Lisp, Scheme, Haskell usw   

Der Unterschied zwischen Perl und Scheme ist wie der zwischen Esperanto
und Lojban.  In beiden Arten von Sprachkulturen ist die wilde Uebernahme
von Fremdkoerpern verpoent.  In jedem Fall ist die Ausdruckskraft der
Systemhaftigkeit zu verdanken. 

Viele Gruesse
-phm
e'osai ko sarji la lojban