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Re: Re: [FYI] FR: Gesetz zum Erhalt der französischen Sprache soll jetzt auch auf das Internet angewendet werden



On Mon, Oct 04, 1999 at 08:56:55PM +0200, Dr.Horst-Walter Schwager wrote:
> At 16:41 04.10.99 +0200, you wrote:
[...]
> >anfangen, deutschsprachige Begriffe zu definieren. Man verwendet
> lieber 
> >die wohldefinierten und jedem Spezialisten bekannten Ausdruecke.
> 
> Ack.
> 
> > Der Laie kapiert's eh nicht. 
> 
> Nack. In der Regel erfüllt die ganze IT ja keinen Selbstzweck, sondern
> will etwas: Verkaufen (dem Bürger, Politiker), Geld haben (vom Bürger,
> Politiker). DANN haben Sie eine Bringschuld und die verdammte Pflicht
> sich *verständlich* zu machen. Es ist das Recht des "Laien"
> wenig-bis-nichts zu verstehen und Fragen zu stellen (was er leider
> viel zu selten macht). Wenn ein IT-ler dann nicht in der Sprache des
> KUNDEN erklären kann, hat er seinen Job verfehlt.

ACK. Allerdings ein Detail: ein Sachverhalt wird nicht dadurch ploetzlich
verstaendlich, dass man sich einen deutschen Begriff ausdenkt, der vielleicht
irgendeinen huebschen Teilaspekt der Sache rausgreift. Ein Netz-Navigator,
um das Browser-Pferd mal endlich zu Tode zu reiten, ist nicht verstaendlicher
fuer einen Laien als ein Browser. Warum? Weil ein solches Wort in einem
Kontext verwendet werden muss - Netz, Internet - ueber das der Laie auch erst 
mal ein Mindestmass an Wiseen besitzen muss, sei es durch Buecher, durch 
eigene Experimente mit dem Computer oder auch durch Erklaerung durch den
VERKAEUFER. Und von dem Moment an, wo der Verkaeufer seinem Kunden genau
diesen Kontext vermittelt hat, ist es nur noch einen winzigen Schritt weg,
zu sagen: "Und dieses Programm, dass Du da gerade benutzt, wird in Fachkreisen
und weltweit als Browser bezeichnet"  --- und nicht: die Gesellschaft 
blah-blubb gegen undeutsche Sprachversauung hat definiert, dass das Ding 
teutsch als `Navigationsprogramm' bezeichnet werden muss, aber falls es 
Dich mal ins Internet verschlagen sollte und Du die neueste Version des
Programms von dort beziehen willst, dann frage die _search_engines_ nach 
einem _browser_ (so nennt es jeder, mit Ausnahme der genannten Merkwuerden-
traeger).

> >Wuerde man das alles in Deutsche uebersetzen, waer' das Chaos komplett. 
> >"Chinese Wall" hat nun mal gar nix mit der "Chinesischen Mauer" zu tun, 
> >sondern ist ein Security Model mit dem Fachmann bekannten Eigenschaften. 
> >Der Laie wuerde auch dann nichts verstehen, wenn man es  "Chinesische
> >Mauer" nennen wuerde.
> 
> und wie verkauft Ihr dem Vorstand dieses Tierchen?

Ohne ein Schlagwort, ob deutsch oder englisch - denn beim Gespraech mit
dem Vorstand ist typischerweise uninteressant, wie es funktioniert oder
wie es heisst, sondern was es kostet und was es dafuer leistet, wenn so ein
Ding im Unternehmen installiert wird, evtl. auch, dass die Konkurrenz auch 
sowas laengst im Einsatz hat. Das Schluesselwort heist hier wie dort
"Zielgruppenbezogenheit". Und das heisst zunaechst mal: auf dem Niveau 
sprechen, dass die Zielgruppe am meisten anspricht und was ihr am meisten
nuetzt --- NICHT ZU VERWECHSELN mit einer Pauschal-Eindeutschung von 
Fachtermini aufgrund der Geringschaetzung der Zielgruppe, sie sei zu bloed,
neue Begriffe zu lernen und duerfe damit nur mit deutschen Worten zuge-
faselt werden. Meine Oma hat mangels Englischkenntnis von den bekannten
blauen Hosen immer als "Dsche-ahns" gesprochen, war aber durchaus in der
Lage, in Illustrierten das Wort "Jeans" im Text richtig zu deuten. Ob der
Anwender bei Netscape nun einen "Broffser" runterlaedt, tut dem Verstaendnis
keinen Abbruch - das erste Mal, wo er in Gegenwart eines "Wissenden" das Wort
unrichtig ausspricht, wird er es lernen, so wie sogar ich, der irgendwann
mal von einem Englaender darueber aufgeklaert wurde, dass jenes Spiel mit
Lara Croft sich Tuhm-Rehjder ausspricht (das weiss man doch! Falsch, man hat
es irgendwann mal *gelernt*, wenn man es gelernt hat!) - Fehler kommen vor, 
und sind dafuer da, korrigiert zu werden. Ein Navigationsprogramm mag zwar
richtig ausgesprochen werden, aber immer noch beliebig falsch verstanden
werden. Wir wissen nur deswegen alle, was eine Schaufel ist, weil wir
im Laufe unserer Lebensjahrzehnte unzaehlige davon gesehen haben, gehoert
haben, dass alle anderen sie aus uns unbekannten Gruenden (und meist auch
fuer uns uninteressanten Gruenden) so genannt haben und wir uns an den
Namen gewoehnt haben und ihn deswegen als "normal" oder "deutsch" auffassen.
Wir empfinden nichts mehr dabei, dass ein Portemonnaie oder ein Delphin oder
die Spaghetti (nach alter Rechtschreibung) fremdsprachige Wurzeln haben -
die Begriffe gewinnen nichts, aber auch gar nichts dadurch, dass man sie 
kuenstlich ins Deutsche umverkrampft - wer Rechtschreibfehler macht, findet 
sicherlich recht schnell die Moeglichkeiten, die Worte als Pottmonee, Dellfihn
oder Schpargettis zu schreiben. Wir schreiben eben immer noch nicht so,
wie wir die Worte aussprechen - genuegend Gelegenheit, noch weiter an den
Kulturregeln der Sprache herum zu doktern. 

Holger

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