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Re: Vernünftiges schalten im Computerbereich



On Thu, Oct 14, 1999 at 11:35:11AM -0500, helborg wrote:
> 
> Ich versuche noch einmal klar zu machen, wo das Problem  u.a. liegt, und
> erbitte mir mehr Sachlichkeit bei der Beurteilung. Ich habe mir das ja
> nicht aus den Fingern gesogen. Ich schreibe das ja, weil es ein Mißstand
> ist, der betroffen macht:

Betroffenheit ist das Modewort der 80er als Entschuldigung dafuer, sich nicht
selbst engagieren zu muessen.

> Dieses sich  durchhangeln müssen  durch Schablonen die verkettet sind,
> linear, ist etwa das gleiche, als wenn man das Licht im Badezimmer nur
> einschalten kann, wenn man drei  verschiedene  Lichtschalter

[...]
Genau das ist auch in der Realitaet der Fall. Um das Licht im Badezimmer
einzuschalten, musst Du beim Stromversorger anrufen, dass er Dir den Strom
einschaltet, Du musst eine funktionierende Hauptsicherung einschrauben,
den Sicherungsschalter auf '1' setzen, verifizieren, dass auch der FI-Schalter
im Bad nicht ausgeloest hat, und dann kannst Du den Einschalter an der Badezimmer-
tuer betaetigen. Es kann Dir natuerlich passieren, dass Dir der vormieter der 
Wohnung ueberhaupt keine Lampe dort hinterlassen hat, und du erst mal den
Installatuer kommen lassen musst, der Dir eine montiert (mit Deiner Haltung zur
Technik gehe ich davon aus, dass Du die Luesterklemme nicht selbst mit den
schwarzen,blauen,braunen oder gelb-gruenen Draehten verbinden willst). Und
selbst danach mag es passieren, dass Du im Dunkeln stehst, und musst erst mal
die durchgebrannte Gluehbirne ersetzen, wobei Du auf die zulaessige
Wattzahl achten solltest.

So kompliziert ist das bei Dir zu Hause nicht? Tja, dann profitierst Du lediglich
von Deinem Glueck, dass ein anderer die Drecksarbeit fuer Dich bereits erledigt
hat, so dass du Dich nicht mit kleingeistigen Profanitaeten nicht mehr abgeben
musst.
 
Bei mir ist das uebrigens aehnlich: Ich brauche keine AKWs - der Strom kommt
aus der Steckdose. Kein Wunder, dass man dann permanent blaue Daumen bekommt,
wenn man versucht, den Computer-Hammer zu schwingen.

> Badezimmer zu gehen!  Aber den Computerbenutzern  und den Benutzern  von
> Videoanlagen usw. wird das in dieser weise zugemutet!  Warum wehren sich
> die Betroffenen nicht?

Sie wollen nicht, oder akzeptieren die gegebene Komplexitaet. Wenn ein Markt
waere fuer Videorecorder mit vier Knoepfen (Ein/Aus, Auswurf, Abspielen,
Rueckspulen), gaebe es solche Geraete. Sind geeignet, um sich Filme aus der
Videothek reinzuziehen. Offensichtlich reicht das aber den Anwendern nicht.
Und dann wird auch noch erwartet, dass man vorspulen kann, aufnehmen kann
(zu bestimmter Zeit, also muss man auch noch eine Uhr haben und einstellen)
und man will auch gerne Klinsi im Strafraum in Zeitlupe fallen sehen koennen,
Funktionen ueber Funktionen. Da ich derzeit keine Camcorderaufnahmen mache,
braucht mein VCR auch derzeit im Prinzip keinen Insert- und Assembleschnitt,
trotzdem habe ich mir seinerzeit einen solchen gekauft, der das kann.
Diese Funktionen kann ich jetzt nicht einfach wegwuenschen. Beim Computer ist
der Spagat darin, dass 100000 User 100000 verschiedene Anwendungsprofile haben:
vom Poweruser, der mit Winword durch alle 999 Untermenues wirbelt und sich
zurechtfindet bis hin zum Schreibmaschinen-Helborg, der ob der vermeintlichen
Redundanz von zwei Tasten zum Zeichenloeschen (Delete und Backspace) bereits
verzweifelt und sich endlich ein voll-analoges Tipp-Ex zum Auftragen auf den 
Bildschirm wuenscht. Soll man die gesamte Bandbreite der Anwender ueber einen
Kamm scheren und so ein Schweizer Offiziersmesser seiner 50 Klingen und
Schneiden berauben, weil ein paar Leute das aufgedruckte weisse Kreuz nicht
ernstgenommen haben, sich prompt den Finger abschnitten haben und erst dadurch
bildlich die Korrelation mit dem roten Zeichen auf dem Verbandskasten begriffen
haben? Oder, um weniger metaphorisch zu sein und klar zu sprechen: ich sehe nicht
ein, dass ich meinem Rechner auf Teletubbies-Niveau meine Wuensche mitteilen
soll, bloss weil 99% der Restmeschheit computerbezogen (und ggf. auch auf
anderen Gebieten) lediglich auf diesem Level ist.

> Dieses redundante muß  weg! Dieses Evidenz anhäufen muß weg! Es  muß
> aufhören, daß man Faktoren eingeben muß, die bereits klar sind! Es darf
> nicht mehr sein, daß man bei einem Videorekorder den Tag  und den Monat
> eingeben muß, wenn doch die Aufnahme am selben Tag erfolgen soll! Das

Showview. Kann sogar meine Oma nach Aufsetzen der Brille eingeben. Komm' nach
10 Jahren aus Deiner Hoehle raus!

> ist Aufzählung bekannter Tatsachen, Evidenzanhäufung. Das kommt aber
> immer dann, wenn die Eingabestruktur  „linear“ ist. Dann kann man nichts

Falsch, das wirst Du genausowenig bei nichtlinearer Bedienung los. Im Gegentum:
Du wirst sogar mit viel schlimmerer Mehrdeutigkeit zu tun haben. "Die Datei
auf dem Desktop loeschen!" Okay, und schon sind alle 100 weg. Unix mit einem
"rm -f * .bak" (man beachte das fehlerhafte Leerzeichen hinter dem Stern und
beobachte das unwiederbringliche Verschwinden alle Dateien in diesem Directory
danach) ist da extrem lehrreich und strukturbildend.

> überschlagen was bereits klar ist, man ist gezwungen, das alles
> hintereinander abzufeiern, auch wenn Evidenzanhäufung dabei ist. Das ist
> nicht nur langwierig, zeitraubend, langweilig und Dessinteresse
> fördernd, sondern birgt auch unzählige Fehlerquellen! je mehr man

Du ziehst vermutlich erst die Socken und dann die Schuhe an, selbst wenn Du
beides ungeordnet in einer Kiste liegen hast. Deine Pseudowahlfreiheit durch
Vermeidung von Linearitaet ist gar keine: Du musst Dich auch beim Anziehen
des linken Sockens nach dem rechten erneut vergewissern ("nochmal dasselbe
Datum eintippen"), dass der auch zum schon angezogenen passt. Aber das machst
Du nicht mehr bewusst, genausowenig, wie Du beim Autofahren noch sonderlich
nachdenkst, ob und wann Du vom 3. in den 4. Gang schaltest. In der Fahrschule
war das alles neu: hier schalten, da lenken, die Kupplung nicht vergessen, und
verdammt noch mal, gucken sie doch mal endlich in den Rueckspiegel!

> unnötigerweise eingeben muß, desto mehr Raum besteht für Fehler! Und das
> schlimme bei diesem  „linearem“ eingeben ist ja, man kann nicht einmal
> einen Fehler den man nachträglich  entdeckt, wieder rückgängig machen;
> man muß immer wieder ganz von vorne anfangen - eben wie bei

Bloedsinn. Du verallgemeinerst aufgrund irgendwelchen primitiven Gewuerges,
mit dem Du in der kurzen Zeit des Umgangs mit Computern zu tun hattest, auf
generelle Eigenschaften von Computern und Benutzeroberflaechen. Oder 
literarisch: Man hat Dir einen Tretroller zum Fahren gegeben, und daraufhin
lamentierst Du darueber, dass es generell und prinzipiell unmoeglich ist,
sich mit irgendwelchen Radfahrzeugen sinnvol fortzubewegen. Die Berufs-
kraftfahrer, die Dir widersprechen, ignorierst Du: sie sind ja eh laengst
fuer Argumente versaut. Richtig: die lachen sich nur einen Ast ueber tumbe
Tretrollerfahrnatiker.

> mensch-Ärger-Dich-Nicht-Spiel! Das ist der Mißstand! Das selbe gilt bei
> allen Systemen die mit „linear“ eingeben arbeiten, auch bei Geräten mit  „Bedienerführung!
> Und überflüssigerweise sind die Parameter sogar noch maskiert, also
> hinter  „Menüs“ versteckt, so wie zahlreiche kleine Kästchen und etwas
> größere Kästen in einem sehr großem Karton verpackt sind, jeweils aber
> ineinander (wie man bei einer Sequenz mit den Mainzelmännchen sehen
> kann). Wie soll man da denn durchblicken?

Komisch. Da gibt es im fernen Osten auf Schrifttafeln Tausende von Strichbildern,
die kein Mensch, am wenigsten ich lesen kann. Da blickt doch keiner durch.
Diese Schnittstelle stimmt nicht und muss deshalb an mich angepasst werden.

Seltsam. Hunderte Millionen Chinesen finden diese Strichbilder aeusserst
informativ und kommen auch damit zurecht.

> Die  Schnittstelle Computer - Mensch  stimmt nicht!

Du siehst das falsch. Rechner sind benutzerfreundlich, aber sehr selektiv
bei der Wahl ihrer Freunde. Dummuser, die die elementarsten Bemuehungen
ablehnen, sich mit einem Gegenstand auseinanderzusetzen, moegen sie gar 
nicht. Ist bei Mensch - Mensch - Schnittstellen uebrigens nicht anders.
Insofern denke ich, dass sich laengst kuenstliche Intelleigenz in Computern
etabliert hat, allerdings nicht die, die manche Menschen erhofft haben.

Holger

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