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[FYI] Windows unterläuft die Sicherheit der Signaturen



http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/5558/1.html

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Digitale Signaturen für alle oder für niemand?

Stefan Krempl   05.12.1999  

Die Schlüsselbausteine der Infogesellschaft werfen ständig neue 
Fragen auf  

Signaturen aus Bits und Bytes sollen die Unterschrift auf dem Papier 
ersetzen. Auch die Bundesregierung sieht riesige Anwendungs- und 
Einsparpotentiale und will per Gesetz Standards schaffen. Doch 
Kritiker warnen vor Sicherheitsproblemen, dem zu starken Eingriff in 
den Markt sowie vor einem Kulturbruch.  

[...]

Windows unterläuft die Sicherheit der Signaturen 

Andreas Pfitzmann, Informatikprofessor an der Technischen Universität 
Dresden, glaubt dagegen, dass der Markt allein beim Aufbau von 
Infrastrukturen versagt und der Staat durchaus eine Gestaltungsrolle 
einnehmen muss. Trotzdem ist das Signaturgesetz in seiner jetzigen 
Form für ihn ein rotes Tuch, da es die digitale Signatur "für 
niemand" attraktiv mache. Das Kernproblem sieht Pfitzmann darin, dass 
man über die Verordnung zwar hohe Sicherheitsevaluierungen für 
Signaturen festsetzen und den Verbraucher mit Chipkarten und 
Lesegeräten ausrüste könne. Die ganzen Bemühungen seien allerdings 
hinfällig, wenn man Signaturen in prinzipiell unsichere Systeme und 
Computerumgebungen einführe. Standard bei den Nutzern sei schließlich 
Microsofts Windows und damit ein "absolut unsicheres Betriebssystem". 
Jedes Anwenderprogramm könne bei Windows Veränderungen ins 
Betriebssystem schreiben und damit die Sicherheit des Rechners 
"vollkommen unterwandern."  

"Was Verbraucher auf dem Schirm sehen, muss nicht das sein, was ihnen 
eigentlich zur Unterschrift vorgelegt wird", beschreibt Pfitzmann die 
potentiellen Folgen. Sogar Tastatureingaben könnten manipuliert, aus 
einem "Nein" ein "Ja" werden, oder umgekehrt. Es müsste also 
zumindest ein Display direkt in der Signierkomponente angebracht oder 
die Tastatur bzw. der Bildschirm direkt mit dem Chipkarten-Reader 
verbunden werden, um Manipulationen auszuschließen. Das erfordere 
aber verbesserte Zusatzgeräte oder weitere Schnittstellen und Kabel, 
was teuer werden könnte.  

Die langfristig sicherere und bessere Lösung sei es daher, für die 
auf größere Transparenz bauenden Open-Source-Betriebssysteme Software-
Applikationen mit eingebauten Signierfähigkeiten zu entwickeln. Dabei 
sei am leichtesten dafür Sorge zu tragen, dass die Anwendungen das 
Betriebssystem nicht manipulieren könnten. Nach demselben Verfahren 
sei es auch möglich, nicht nur mit dem PC, sondern auch mit 
Organizern, Personal Digital Assistents oder Handys ganz ohne 
Chipkarte zu signieren. Bei dieser Methode, freut sich Pfitzmann, 
müsse der geheime Schlüssel, mit dem die Signatur geleistet werde, 
das Gerät nie verlassen.  

Eine Schlüsselgenerierung durch Trust-Center hält der Informatiker 
generell für inakzeptabel. "Wir brauchen digitale Signaturen nicht 
nur für, sondern mit allen", fordert Pfitzmann. Jeder müsse sie auf 
ihre Vertaulichkeit testen und eigenhändig wie beim de facto 
Verschlüsselungs- und Signierstandard Pretty Good Privacy (PGP) 
verschiedene Pseudonyme für ihre Verwendung in zahlreichen Kontexten 
erstellen können. Sonst würde den Ansprüchen der Nutzer an den Schutz 
ihrer Privatsphäre nicht Genüge getan. Generell fordert Pfitzmann 
Kompatibilität mit PGP wegen dessen weiter Verbreitung "wo immer 
möglich" herzustellen, wozu es bisher aber so gut wie keine Ansätze 
gebe.  

Sind digitale Signaturen überhaupt kulturkompatibel?  

Trotz Signaturgesetz wird die Suche nach wirklichen Standards für die 
"elektronische Unterschrift" so noch lange weitergehen. Gleichzeitig 
hat die gesellschaftliche Diskussion um den Kulturbruch, den der 
Umstieg von Papier auf Bits gerade auch bei der Abgabe von 
Willenserklärungen mit sich bringen könnte, noch nicht einmal 
begonnen.  

Die Übergänge von oral oder gestisch bekräftigten Vertragsabschlüssen 
zur schriftlichen Beurkundung unter Zeugen sowie von dieser zur 
"selbstauthentisierenden Unterschrift", wie sie heute vor Gericht 
gilt, habe jeweils Jahrhunderte gedauert und sei von 
gesellschaftlichen Umstürzen begleitet worden, weiß der Mailänder 
Notar Riccardo Genghini. Heute gehe man von einer Umstellung auf die 
nicht einmal sinnlich erfahrbaren Bits in Jahren oder sogar Monaten 
aus - ohne dass eine Debatte über die Veränderungen der Kultur 
erfolge. Die Kontextlosigkeit der digitalen Welt und der in ihr 
ausgeführten Tele-Handlungen könne noch "gigantische Probleme" mit 
sich bringen, nicht nur, weil bisher breite Bevölkerungsschichten gar 
nicht daran teilnehmen könnten oder wollten.  

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