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Re: Religionen



Thorsten Meyer schrieb:
> > Hier schlaegt wohl die christliche Schuld- und Suehnekultur voll durch.
... 
> Keine Schuld. Man sollte bloss nicht vergessen, das 
> 1. Descartes erst einmal eine einigermassen gefestigte Kultur samt
> "Informationsinfrastruktur" (Buchdruck) benötigte, bevor er seine
> Schriften verbreiten konnte und andere ihm folgten, und das diese nicht
> durch blümchenverteilen entstanden ist.

Dass Wohlstand nicht ohne Kultur und Kultur nicht politische Organisation
und somit nicht ohne Machtausuebung funktioniert, ist klar.  Dass das mit
viel Barbarei und menschengemachtem Leid verbunden ist, auch.  Aber daraus
folgt nicht, dass wir der Barbarei unserer Vorfahren unseren Wohlstand
verdanken.

> 2. Darwinismus zwar offiziell nicht pc ist, aber das bill gates zum
> beispiel ein moderner papst ist: millionen folgen seinem standard, auch
> wenn er schlecht ist.
> hätten wir uns auf gewisse standards einigen können _ohne_ eine solche
> grundlage?

Es stimmt, dass Gates eine Art moderner Koenig ist, und dass wir im
Computerbereich in vor-republikanischen Zustaenden leben.  Eine
Aufklaerung hat nicht stattgefunden.  Den Internetfuehrerschein lehnen
derweil wohl auch viele FITUG-ianer ab, oder nicht?  Pflichten sind nicht
liberal genug, oder?  Dann bleibt nur die Monarchie.
 
> grundidee system: auf der basis brutaler stratifikatorischer vereinigung
> entsteht der boden für wachsende Individualisierung und
> weiterentwicklung.

> bis es zeit wird, sich von den alten zöpfen zu trennen, was in einem
> komplizierten, sozialen mechnaismus funktionaler differenzierung 
> geschieht (ist so ausgedrückt am kürzesten ;-), dessent teil auch wir
> z.B. sind.

m.a.W.:  in einem Zustand des unaufgeklaerten Chaos braucht man erst
einmal einen starken Mann, der eine einheitliche politische Struktur
schafft.  Dieser Mann kann sich nicht durchsetzen, wenn er von allzu
vielen Skrupeln geplagt wird. Erst auf dieser Grundlage kann es
"Demokratisierung", "Aufklaerung" u.a. geben.

Das nehmen viele diktatorische Regime in der dritten Welt zu Recht fuer
sich in Anspruch.  Europaeische Kolonisatoren bestanden ebenfalls mit
gewissem Recht darauf.  Die Aburteilung eines Pinochet wird dadurch auch
schwierig, zumindest wenn man das ganze ernsthaft betrachtet und es nicht
lediglich als einen Anlass zur bekundung menschenrechtlerischer Gesinnung
nimmt. Solche Gesinnung gehoert naemlich in unseren
Zivilisationsabschnitt, den der satten Individualisten am teuren
Computer-Bildschirm, aber nicht unbedingt in den von Chile 1973.

Habe ich dich da annaehernd richtig verstanden?

> ps: und scientology? überlass sie den gremien! es gibt schlimmeres.

Viel von der Diskussion ist m.E. deshalb so nervenkitzelnd, weil es mit
der Frage nach der gewuenschten Wehrhaftigkeit unseres Gemeinwesens zu tun
hat.  Also mit der Frage, in wie weit es hier ein "wir" gibt, dass sich
als Wertegemeinschaft versteht, ein "Mem" verteidigt und somit auch
gegenueber den Mitglieder der Gemeinschaft Forderungen stellen und Macht
ausueben kann.

Zu den eigentlichen Fakten ueber Co$ dringen wir deshalb nicht vor, weil
(1) die meisten Leute mit Co$ keine persoenlichen Erfahrungen haben 
(2) eigentlich nur obige Mem-Frage interessiert.

Jede Bedrohung (sei es durch Co$, ehemalige Sowjetunion, Terroristen,
unkontrollierte Einwanderung) spaltet zunaechst einmal unsere Gesellschaft
in Kollektivisten und Liberale.  Kollektivisten machen mit der Bedrohung
Politik, Liberale reden sie klein.  Wie gross die Bedrohung wirklich ist,
ist dann schwer zu erkennen.

--
phm