[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

SPIEGEL ONLINE - Fatal: Das Internet kann den Job kosten



Dieser Artikel aus dem Angebot von SPIEGEL ONLINE
wurde Ihnen gesandt von:
wagner@fitug.de
mit der persönlichen Mitteilung:

*aua* und ich dachte der Spiegel wuesste wovon er schreibt??




------------------------------------------------------------
Fatal: Das Internet kann den Job kosten 
------------------------------------------------------------

Millionen nutzen das Internet auf der Suche nach
attraktiven Jobs. Dreiundzwanzig Angestellte der "New York
Times" haben dazu nun wieder Gelegenheit. Sie sitzen
Weihnachten auf der Straße, weil ihr Arbeitgeber sie bei
verbotenen E-Mail-Aktivitäten erwischte. 

 

Der Verlag der US-Zeitung "The New York Times" hat 23
Mitarbeiter entlassen, weil sie nach Ansicht des
Unternehmens gegen die E-Mail-Richtlinien des Hauses
verstoßen haben. Verlagsleiter Russell Lewis und
Personalchefin Cynthia Augustine informierten die
Mitarbeiter in einem Rundschreiben über die
Massenentlassung. Die elektronische Post der Mitarbeiter
werde zwar nicht generell kontrolliert, Berichten über
Verstöße werde aber nachgegangen, hieß es. Dies sei vor
kurzem passiert und mehr als 20 Mitarbeiter seien deshalb
entlassen worden. 

Alle Betroffenen arbeiteten im Dienstleistungszentrum des
Verlags in Norfolk im US-Staat Virginia, das vor allem für
die Lohnbuchhaltung und Rechnungen zuständig ist. Alle
seien entlassen worden, weil sie "unangemessenes Material"
übermittelt hätten. Darüber hinaus hätten einige
Mitarbeiter Verwarnungen erhalten. Es habe früher schon ein
oder zwei Entlassungen wegen Verstöße gegen die
E-Mail-Richtlinien geben, sagte Firmensprecherin Nancy
Nielsen. Nähere Einzelheiten zu den Entlassungen wollte sie
nicht nennen. Dem Rundschreiben zufolge dürfen die Computer
nicht zur "Erstellung, Weiterleitung oder Darstellung von
verletzenden oder zersetzenden Nachrichten" benutzt werden,
wozu auch Fotos, Grafiken oder Audio-Dateien gehören. 

Wir werden alle überwacht 

Vielen Angestellten ist das nicht klar: Aller
E-Mail-Verkehr eines Unternehmens geht über den so
genannten "Postmaster". Der kann, wenn er will, schlicht
alles lesen: E-Mail ist in Unternehmens-Netzwerken nicht
viel privater als eine Postkarte. Das gleiche gilt im
Übrigen auch für die HTML-basierten privaten
E-Mail-Accounts à la Hotmail, Excite, GMX und Co. Denn was
für E-Mail gilt, das gilt für das Surfen schon lange: Was
der User am Bildschirm sieht, kann generell von jedem
Systemverantwortlichen "mitgesehen" werden. 

Obwohl das deutsche Arbeitsrecht bisher keine spezifischen
"Internet"-Paragrafen kennt, ist unerlaubtes Surfen aus
Arbeitgebersicht ein "erstklassiger" Kündigungsgrund:
Selbst die Surfzeiten werden über die Logfiles des
Firmennetzwerkes akribisch protokolliert. Anders als in den
Staaten sind Arbeitnehmer gegen "Schnüffelei" ihres Chefs
aber relativ gut geschützt: Das Bedürfnis des Arbeitgebers,
seinem Angestellten auf die Finger zu sehen, findet seine
Grenzen in den Persönlichkeits- und Datenschutzrechten. 

"In der Regel ist es zudem so, dass der Wissensvorsprung
beim Arbeitnehmer liegt", meint dazu der auf
Internet-Fragen spezialisierte Anwalt Stefan Maas von der
Kölner Kanzlei Weinknecht. "Sicherlich kann der Arbeitgeber
etwas dagegen unternehmen, wenn ein Arbeitnehmer vorhandene
Ressourcen über Gebühr beansprucht. Extensiver Internet-
oder E-Mail-Verkehr wäre dann wohl ähnlich zu sehen wie
privates Telefonieren am Arbeitsplatz." 

In Deutschland bisher keine Kündigungen 

Prinzipiell sei es natürlich möglich, auch das
Surfverhalten eines Arbeitnehmers völlig nachzuvollziehen.
Setzt ein Unternehmen etwa einen Proxy-Server ein, landen
alle Datenspuren des Angestellten im Speichercache des
Firmen-Netzwerkrechners - und werden in gut organisierten
Unternehmen jeden Tag archiviert. Diese elektronischen
Beweise könne der Arbeitgeber - auch wenn er nur seine
Daten sichern wollte und nicht absichtlich "schnüffelte" -
jedoch nicht einfach als Beweismaterial gegen den
Arbeitnehmer nutzen. 

Maas: "Beliebter macht das einen solchen Arbeitnehmer aber
sicherlich nicht." Dass es in solchen Fällen zu Abmahnungen
kommen könne, sei gut vorstellbar. Auch wenn es - anders
als in den Vereinigten Staaten - nicht zu fristlosen
Kündigungen kommen könne, erledige sich der Arbeitnehmer so
über kurz oder lang selbst. Und wer sich in flagranti
erwischen ließe, der habe sowieso ein Problem. 

Viele Abmahnungen und Kündigungen wegen unerlaubter
Surftätigkeit landen wahrscheinlich erst gar nicht vor den
Arbeitsgerichten: Gerade wenn sich Arbeitnehmer in Gefilden
herumtreiben, wo sie mit Sicherheit nichts zu suchen haben,
scheuen wahrscheinlich viele den Gang zum Arbeitsgericht. 

Sex-Shopping als berufliche Weiterbildung 

Auch Harald Reutter von der Dienstleistungsgewerkschaft
ötv sind keine Kündigungsfälle bekannt: "Wir haben da noch
niemanden vertreten müssen. Ich weiß, dass es Abmahnungen
gegeben hat. Ich weiß aber auch, dass viele Arbeitgeber
ihre Angestellten nachgerade dazu anhalten, auch privat im
Internet zu surfen, um das Medium kennen zu lernen!" 

Reutter weiß sogar von einem Fall, in dem Techniker einer
Firma dazu aufgefordert wurden, bei Beate Uhse shoppen zu
gehen: "Die sollten sich mit dieser E-Commerce-Geschichte
vertraut machen." Generell sei es aber Position der
Gewerkschaft, privates Internet-Surfen am Arbeitsplatz nur
dann als Kündigungsgrund zu akzeptieren, wenn es vorab eine
klare Anweisung des Arbeitgebers "oder eine
Betriebsvereinbarung" dagegen gegeben habe. 

Einschlägige Rechtsdatenbanken verzeichnen derzeit nur
zwei besonders krasse Fälle für Kündigungen aus mit dem
Internet verbundenen Gründen. Ein Angestellter im
Jugendfürsorgebereich war dabei ertappt worden, dass er
Bilder kinderpornografischen Inhalts auf seinem Rechner
gespeichert hatte. In einem anderen Fall entschied ein
Gericht, dass die Verbreitung beleidigender Äußerungen über
den Arbeitgeber per E-Mail ein Kündigungsgrund sei. In
beiden Fällen war also nicht die Surf- und E-Mail-Aktivität
des Arbeitnehmers der Grund für die Kündigung, sondern der
Verstoß gegen geltendes Recht. 

Vorsicht bei Bewerbungen! 

Zur "Jobkiller-Applikation" kann das Internet allerdings
schon in der Bewerbungsphase werden. In den Vereinigten
Staaten überprüfen Arbeitgeber Stellenbewerber seit
längerem, indem sie über Suchmaschinen Online-Profile der
Job-Kandidaten erstellen lassen. Eine blödelige,
schlüpfrige oder politisch bedenkliche Homepage rächt sich
da schnell. 

Ein anderes Beispiel: Die Newsgroups des Usenet. Gerade
Anfänger neigen dazu, sich im Schriftverkehr des Usenet
nicht zu anonymisieren. Spezialisierte Suchdienste wie
DejaNews, die das Usenet indexieren, sind in Lage,
"Autorenprofile" zu erstellen. Auf diese Art und Weise
findet ein möglicher Arbeitgeber unter Umständen heraus,
dass sich ein Bewerber nicht nur für berufsspezifische
Sachdiskussionen interessiert, sondern auch für extreme
politische Parteien, seltsame Sekten oder sehr eindeutiges
Bildmaterial. Und selbst, wenn man sich privat nur für das
Sammeln von Milchdöschendeckeln interessiert: Seinem
Arbeitgeber möchte man solche Einblicke vielleicht nicht
unbedingt geben ... 

Frank
Patalong

------------------------------------------------------------
(C) SPIEGEL ONLINE - 08. Dezember 1999, 15:27

Den Artikel erreichen Sie im Internet unter der URL
http://www.spiegel.de/netzwelt/ebusiness/0,1518,55733,00.html


------------------------------------------------------------

Zum Thema:

Im Internet: - Kanzlei Weinknecht: Auf Internet- und Medienrecht spezialisierte Anwälte
               http://www.weinknecht.de
             - Die scheinbaren Interessen des Herrn Gates: Ein DejaNews-Autorenprofil
               http://www.deja.com/profile.xp?author=305f08d219d34966034acf22aa3bd6bb80029dc5290529726638c030faa06f87b45200d14273a25b5335b0492e95c6d62ee82f4e4ce683361b3d3c75a1d9&ST=MS&ee=1