[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[FYI] Schnüffeln für die Wirtschaft



ZDF Intercast 15.12.99 (daher in voller Länge)

Schnüffeln für die Wirtschaft

Der lukrative Lauschangriff - Wirtschaftsspionage in Deutschland

(Bild von Bad Aibling) Abhöranlagen der US-Geheimdienste in Deutschland

Von J. Werner und F. Naumann

Die Bedrohung der deutschen Wirtschaft durch Spionage ist akuter denn je.
Experten warnen vor ausländischen Agenten, die innovative Techniken,
Produktionsabläufe und Marketingstrategien deutscher Firmen
ausspionieren.

Deutsche Unternehmen zählen aufgrund ihrer wirtschaftlichen und
technischen Leistungsfähigkeit zur Weltspitze. Ein reizvolles
Betätigungsfeld für Spione der internationalen Wettbewerber, die hier
ihre Fühler ausstrecken. Und das hat Folgen: Ideen-Diebstahl und
Know-how-Spionage verursachen jährlich in der deutschen Wirtschaft einen
geschätzten Schaden in Höhe von 50 Milliarden Mark. Doch immer noch
haben Spione bei uns leichtes Spiel.

GEFAHR UNTERSCHÄTZT

In den Vorstandsetagen wird die akute Gefahr scheinbar immer noch
unterschätzt. Interne Informationen der Unternehmen sind oft leicht zu
beschaffen. Gefragt sind vor allem Daten aus den Bereichen Luftfahrt,
Biotechnologie und Kommunikation. Das Erstaunliche an dieser Entwicklung:
richtig gefährlich sind nicht etwa die Spione aus den Oststaaten, wie die
des KGB, sondern die Agenten der deutschen Wirtschaftspartner
Grossbritannien, Frankreich und USA. So schnüffelte der französiche
Geheimdienst mit Erfolg in den Geschäften der Deutschen Bahn. Die
Bundeseisenbahner hatten Korea die Technologie des ICE zum Kauf angeboten.
Doch der französische Schnellzug TGV überholte den Konkurrenten.
Hintergrund: Die Agenten der Grand Nation probten den Lauschangriff und
hatten das Angebot der DB ausspioniert.

Ähnlich erging es der ostfriesischen Firma "Enercon". Dem Unternehmen war
es gelungen, die modernste Windkraft-Energieanlage Europas zu entwickeln.
Die Technik interessierte amerikanische Konkurrenzfirmen. Der
Enercon-Prototyp wurde ausspioniert, der firmeninterne Telefonverkehr
abgehört - sehr wahrscheinlich vom amerikanischen Geheimdienst CIA. Die
Daten des Windrads gelangten auf dunklen Wegen nach Amerika, wo die
Konkurrenzfirma ein eigenes Patent auf das gestohlene Know-how beantragte.
Nun dürfen die ostfriesischen Windexperten ihre Kraftwerke nicht mehr in
die USA exportieren. Der Verlust für das deutsche Unternehmen: 100
Millionen Mark. Knapp 100 neue Arbeitsplätze können nicht geschaffen
werden.

DISKUSSIONSRUNDE IN STUTTGART:

Horst Mehrländer (Staatssekretär Wirtschaftsministerium
Baden-Württemberg):"Deutsche Unternehmen wissen um die Gefahr der
Wirtschaftsspionage. Das Problem ist, dass die Unternehmen dadurch einen
Imageverlust befürchten. Wichtig ist, dass Unternehmen, wenn sie die
Gefahr sehen, Kontakt mit den entsprechenden Behörden aufnehmen."


Harald Woll (Landesamt für Verfassungsschutz):"Wir beschäftigen uns
seit 1990 sehr intensiv mit dem Thema Wirtschaftsspionage. Wir haben sehr
gute Kontakte zur Industrie. Aber das Problem ist, dass wir von dort nicht
ausreichend Informationen in dem Masse bekommen, wie wir uns das
wünschen. Immer noch fliessen die Informationen zu konkreten Fällen zu
spärlich."

Bernd Bühner (Unternehmensberatung ControlRisk):"In der Regel haben eine
Vielzahl von deutschen Unternehmen Probleme mit der Spionage. Um welche Art
von Spionage es sich handelt, muss im Laufe einer Aufklärung
herausgefunden werden. Denn die Grenzen zwischen Industriespionage, also
einem Wettbewerber der spioniert, und Wirtschaftsspionage, also einer
staatlichen Organisation, die sich hier einschaltet, sind häufig
fliessend und müssen erst einmal entzerrt werden."

Erich Schmidt-Eenboom (Geheimdienstexperte):"In der amerikanischen
Öffentlichkeit wird das Problem Wirtschaftsspionage sehr viel
schärfer diskutiert. Es ist nicht nur der Auftrag für den russischen
Nachrichtendienst, sondern auch Bill Clinton hat deutlich gemacht, dass es
nach dem Kalten Krieg Aufgabe der Nachrichtendienste wie CIA oder NSA ist,
den nationalen Wohlstand zu mehren und im Sinne von Wirtschaftsspionage
auch gegen verbündete Staaten tätig zu werden."

Wolfgang Hoffmann (Präsident Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der
Wirtschaft e.V.):"Unsere Arbeitsgemeinschaft kann natürlich nicht
operativ eingreifen und Hilfe geben. Unsere Hauptsache ist, den Unternehmen
Informationen zu geben, sie zu sensibilisieren, aber auch allgemeine
Ratschläge zu erteilen, die wir in einer Broschüre zusammengfasst
haben. Ein Ratschlag wäre zum Beispiel, einem Umternehmer zu sagen,
,machen Sie eine Schwachstellenanalyse. Was haben Sie getan, um das
Eigentum und Know-how Ihrer Firma zu schützen?"
Hundert Prozent Sicherheit kriegen sie aber auf keinem Gebiet geliefert.
Aus meiner Kenntnis heraus kann ich nur bestätigen, dass die Deutschen
und ihre Politik in Sachen Wirtschaftsspionage sehr zurückhalten sind."


LITERATURHINWEIS:
Wirtschaftsspionage. Anleitung zur Prävention, hrsg. vom Deutschen
Industrie- und Handelstag, Köln 1997,
Telefax-Bestell-Service: (0228) 104 663
Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e.V.
Schedestrasse 9a
53113 Bonn
Tel.: (0228) 104510
Fax: (0228) 104 580
--

Homepage: http://home.kamp.net/home/kai.raven/index.html
DH/DSS PGP-Key ID: 0xA0232531