FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Presseerklärung des Foerderkreises Informationstechnik und Gesellschaft e.V. (FITUG e.V.) vom 22.05.1997

Hindernisse auf dem Weg zur Informationsgesellschaft

Der FITUG e.V. ist sehr besorgt über die derzeitigen Entwicklungen in Deutschland im Hinblick auf das Internet. Dazu tragen vor allem die Forderung des Bundesinneministers Kanther nach einer Key-Escrow - Lösung und die Vorgänge um Compuserve bei.

Anläßlich der Eröffnung des 5. IT-Sicherheitskongresses am 28. April 1997 in Bonn "Mit Sicherheit in die Informationsgesellschaft" forderte Kanther, dass jeder Benutzer den Schlüssel zu seinen geheimgehaltenen Daten an zentraler Stelle hinterlegen müsse. Den Behörden soll auf diese Weise die Möglichkeit erhalten bleiben, den Datenverkehr im Fall der Strafverfolgung ungehindert abzuhören.

Ein solches Verfahren hindert nach Auffassung des FITUG e.V. mit Sicherheit das Vorankommen der Informationsgesellschaft in Deutschland. Es steht damit der Vision des Bundespräsidenten von einer Informationsgesellschaft (http://www.fr-aktuell.de/150/X150001E.HTM) diametral entgegen. Es bedeutet einen schweren Eingriff in die Menschen- und Grundrechte der betroffenen Bürger, dem ein nicht nachweisbarer Erfolg gegenübersteht. Kanthers Begruendung muss als denkwürdig gelten: Es dürfe nicht dahin kommen, "dass etwa die DCberwachung von Telefongesprächen von Gangstern fuer die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehoerden keinerlei Nutzen mehr bringt." Damit setzt der Minister voraus, dass ausgerechnet Kriminelle sich an ein entsprechendes Gesetz halten wuerden. Zudem schliesst er die Augen vor der Möglichkeit der Mehrfachverschlüsselung: Ein starkes kryptographisches Verfahren lässt sich unter dem staatlich sanktionierten verstecken. Ein Kryptoverbot ist auch sinnlos, ohne daß man das Steganographie-argument bemühen müßte: Täter, die höher bestraft würden als durch die verbotene verschlüsselte DCbermittlung einer Nachricht, werden sich so einem Beweis entziehen können. Auch die gespeicherten Nachrichten bleiben verschlüsselt und können nicht als Beweis gebraucht werden. Es ist weiter sinnlos, tief in die Menschen- und Grundrechte der Bürger einzugreifen, da die DCberwachung bei dringendem Tatverdacht Dank des großen Lauschangriffs durch Monitoring - Techniken möglich bleibt. Es bleibt dem Bundesinnenminister keines seiner Argumente für die Einführung des Key - Escrow. Dem stehen eklatante Nachteile und Gefahren durch die Hinterlegung des Schlüssels gegenüber: Eine Hinterlegung von privaten Schlüsseln erlaubt es jedem der diese Schlüssel kennt, die Persona des Schlüsselinhabers im Netz zu übernehmen, seine Kommunikation mitzulesen, in seinem Namen Nachrichten zu versenden, Verträge abzuschließen oder Verbrechen zu begehen, sagt Kristian Köhntopp. Dadurch wird die geforderte Evidenz bei der digitalen Unterschrift in Frage gestellt, denn jede Art von Zahlungsverkehr, der Schutz vor Industriespionage und vieles mehr werden behindert und angreifbar. Eine Orwell-Behörde, die über alle Schlüssel verfügt ist angreifbar und nicht geeignet die Bedenken gegen eine Schlüsselhinterlegung zu zerstreuen.

Der FITUG e.V. warnt eindringlich vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Forderung Kanthers. Entsprechende Versuche zur Einführung eines Key-Escrow sind in den Vereinigten Staaten bisher aus gutem Grunde fehlgeschlagen.

Der FITUG e.V. verurteilt weiter das Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen Compuserve. Die Staatsanwaltschaft München hat den Geschäftsführer der Compuserve-Deutschland GmbH wegen Verbreitung von Pornographischen Materialien angeklagt. Hintergrund ist das Vorhandensein pornographischen Materials im weltweiten Compuserve-Online-Dienst. Compuserve wird als Betreiber des Dienstes zur Verantwortung gezogen.

Die Strafverfolgungsbehörden schaden sich durch ihr Vorgehen selbst, denn der notwendigen Kooperation zwischen Strafverfolgungsbehörden und Providern bzw. Experten wird die Vertrauensgrundlage genommen. Die Staatsanwaltschaften sind jetzt schon technisch nicht in der Lage, die wirklichen Täter zu verfolgen. Es fehlt ihnen ausserdem der Blick für die Folgen ihres Tuns.

Gleichzeitig wird die Vertrauensbasis, die Nutzer und Provider in einer freiwilligen Selbstkontrolle zusammenführen soll, torpediert. Ein Verhaltenskodex lebt davon, daß er von allen Beteiligten respektiert wird. Das Klima hierfür wird zur Zeit von Seiten des Staates systematisch zerstört, weil aus Angst, Unkenntnis und Ignoranz mit Kanonen nach Spatzen geschossen wird. Der letzte Schritt in diese Richtung ist nunmehr mit der Anklage des Geschäftsführers von Compuserve Deutschland getan. Es wird angeklagt, ohne daß sich die Staatsanwaltschaft über die möglichen Handlungsalternativen des Angeklagten bewußt ist. Der FITUG e.V. hat mehrfach seine technische Kompetenz zur Aufklärung der staatlichen Stellen angeboten um derlei zu verhindern und den Internet-Standort Deutschland attraktiver zu machen. Es geht nach den Worten des Bundespräsidenten um "eine neue industrielle Revolution". Die Stellung Deutschlands in der Entwicklung zur globalen Informationsgesellschaft darf nicht durch leichtfertiges Reden und handeln verspielt werden.

FITUG e.V. - Der Vorstand

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, Neko, 22.05.97
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