FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Kritik am Krypto-Entwurf der EU

http://www.ispo.cec.be/eif/policy/97503toc.html

Lutz Donnerhacke

Die Einleitung orientiert sich sehr stark an der kommerziellen Seite der Kryptographie. Datenschutz & Privatsphäre werden erst spät und untergeordnet erwähnt. Dies trifft auf das gesamte Dokument zu. Damit ist es deutlich mehr an den Wirtschaftsausschuß als an den Sozialausschuß oder den Ausschuß der Regionen gerichtet.

In Anbetracht des knappen Zeitplans steht die Frage, wie Organisationen wie Fitug e.V. sich am Prozeß beteiligen können.

Das Dokument zielt in seiner Hauptschlagrichtung auf digitale Signaturen und deren Vertrauenswürdigkeit. Dabei sind mir folgende Lapsii aufgefallen:

Anmerkungen zum Zeitstelmpel

Frage: Ich habe allerdings immer noch nicht verstanden, wieso der Empfänger den Zeitstempel holen muss und nicht der Absender.

Antwort:
Gedanke 1:
Zeitstempel sind teuer. Defaultmäßig muß es ohne sie gehen. Deshalb muß für den Zweifelsfall der Empfänger den Zeitstempel anbringen, wenn er will.

Gedanke 2:
Angriffsszenario: A verliert seinen Schlüssel zum Zeitpunkt t. Er läßt sofort das Zertifikat widerrufen. Alle Unterschriften, die nun zum Zeitpunkt t1 > t erstellt werden, sind ungültig. Da beim Unterschreiben die Zeit mitunterschrieben werden kann, kann ein Betrueger B zum Zeitpunkt t1 seinen Rechner auf t2 < t zurückstellen und unterzeichnen. Diese Unterschrift ist durch nichts von der Unterschrift von A zum Zeitpunkt t2 zu unterscheiden und deshalb erstmal gültig.

Das zu lösen ist die Aufgabe eines Zeitstempels. Wenn der Absender einer Unterschrift die Zeitstempel besorgen muß, kann B sich den Zeitstempel zum Zeitpunkt t2 holen und dann zu t1 mit dem geklauten Schlüssel signieren. Das ist durch nichts von der Unterschrift von A zum Zeitpunkt t2 zu unterscheiden und deshalb gerichtlich gültig. Das SiG sieht diese Verfahrensweise vor, schreibt sie jedoch als voluntary aus. Das bedeutet, daß B nicht einmal den Zeitstempel braucht, da per Gesetz Unterschriften zum Zeitpunkt t2 gültig sind. Selbst wenn A immer Zeitstempel verwenden würde, wäre das nicht mehr als ein schwacher Anhaltspunkt. I.d.R. wird A aber die ganzen alltäglichen Geschäfte ohne Zeitstempel abwickeln. Z.B. Mailorder.

Ist der Empfänger verpflichtet, einen Zeitstempel aufzubringen, so kann er darauf verzichten, wenn es um schnelle Reaktionen kleinerer Beträge geht, da seine Reaktionszeit zur Lieferung i.d.R. <24h liegt. Damit genügt ihm i.d.R. eine Prüfung, ob das Zertifikat jetzt gültig ist aus. Will er mehr und längerfristig beweisen, so holt er sich einen Zeitstempel für den Eingang.
Ruft A nun das Zertifikat zurück und behauptet, B hätte die Unterschrift durch Rückdatien erhalten, so kann B mit dem Zeitstempel dies wiederlegen. Zeitstempel werden also nur noch bei wichtigen Dingen benötigt.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, JPL, 7.11.97
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