FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Interview mit KHK Moewes

WOCHENPOST Ausgabe 37/1996 vom 05. September 1996

In der Ausgabe 37/1996 vom 05. September 1996 druckt die WOCHENPOST ein vierspaltiges Interview mit Karlheinz Moewes, Kriminalhauptkommissar und Leiter der AG-EDV im Polizeipraesidium Muenchen, ab. Die Redaktion erlaeutert die Aktivitaeten der AG-EDV dahingehend, dieses Pilotprojekt sammle seit Ende 1995 auch fuer die anderen Laender Erfahrungen fuer den Aufbau einer 'Streifenpolizei im Internet'.

Die Arbeitsergebnisse der AG-EDV unter Herrn Moewes waren u.a. Ausloeser fuer zahlreiche Medienberichte ueber die Verbreitung von Bildern zerstueckelter Leichen ueber das Internet ("Moerder zerseaegen Opfer im Internet" u.a.). Zuvor hatte Moewes durch spektakulaere Beschlagnahmeaktionen in der bayerischen Mailbox-Szene von sich reden gemacht.

Das Interview in der WOCHENPOST wird durch ein Farbphoto illustriert, das ein (mit einer Hose bekleidetes) Kind auf einem Erwachsenenbett sitzend darstellt. Aufgrund der Ausrundungen des Bildes in den Bildecken und starker unschaerfe bei Bereichen mit starkem Kontrastwechsel duerfte sich der Eindruck aufdraengen, dass dieses Bild schlicht ein Snapshot von einem TV-Monitor ist und somit rein garnichts mit dem Internet zu tun hat. Es dient lediglich zur emotionalen Einstimmung des Lesers auf die Botschaft von Moewes, naemlich dass eine polizeiliche Ueberwachung des Internet notwendig ist.

In seinen Aeusserungen fuehrt Moewes aus, die Zahl der Anbieter von pornographischen Material habe sich im Laufe eines Jahres ungefaehr verdoppelt. Eine Erlaeuterung wird hierzu nicht gegeben; auch ist aus dem Wortlaut nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich diese Angabe nur auf das Internet bezieht. Moewes gibt die Zahl der Paedophilen in der Bundesrepublik Deutschland mit etwa 30.000 an und fuehrt aus, das Internet gebe "diesen Leuten heute die Moeglichkeit, sich aus dem Wohnzimmer heraus weltweit miteinander zu verbinden." Sie haetten jetzt "eine Tauschboerse, die sie frueher so nicht hatten".

Weiter kritisiert Moewes, dass weniger als 10% der polizeilichen Ermittlungsergebnisse in Sachen Kinderpornographie zu einem regulaeren Strafverfahren fuehrten.

Laut Moewes git es etwa 400 Gruppen (womit wohl Newsgroups gemeint sind), ueber die Pornographie verbreitet werde, und zehn Gruppen enthielten auch Kinderpornographie. In diesem Zusammenhang kritisiert Moewes die Provider: "Wenn ich eine Kennung sehe wie 'alt.sex.paedo' weiss ich, worauf ich stosse. Und so, wie wir das kontrollieren, muesste es eigentlich auch dem Provider zuzumuten sein. Der Provider verdient schliesslich daran." Der Entwurf des geplanten IuKDG wird von Moewes kritisiert: "Ich habe mir aus dem Internet den Entwurf des neuen Telekommunikationsgesetzes geholt. Der sagt, dass Provider im Grunde genommen in keiner Weise haftbar zu machen sind. Damit nimmt man uns die einzige Moeglichkeit zum Eingreifen. Dass der Provider fuer nichts verantwortlich sein soll, obwohl er finanziell profitiert, ist der falsche Weg in der heutigen Situation."

Auch spendet Moewes Lob fuer die Deutsche Telekom AG. Auf die Frage des Redakteurs, ob die Anbieterszene mit technischen Kniffen, "wie etwa Hyperlinks", nicht immer einen Umweg faenden, aeussert er: "Wenn ich ein verdaechtiges Netz nicht anbiete, dann kann auch niemand ausweichen. Ein Beispiel: T-Online verbreitet das ganze UseNet, in dem es Kinderpornoangebote gibt, einfach nicht."

Energisch widerspricht Moewes einer vom Interviewer dem BMJ zugeschriebene Aeusserung, wonach eine Streifenpolizei im Internet sinnlos sei: Allein wir in unserem Muenchner Pilotprojekt haben bisher in diesem Jahr 54 Taeter ermittelt, 39 Anbieter von Kinderpronographie und 15 Anbieter von Pornographie mit Tieren. Ohne eine Streifentaetigkeit im Internet koennten die munter weitermachen. [...] Das Internet ist fuer mich eine Riesensache. Aber es wird leider von einem minimalen Prozentsatz von Kriminellen missbraucht. Ich weiss nicht, warum der Justitzminister zulassen will, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht. [...] Wenn jemand die Meinungsfreiheit auf dem Ruecken von missbrauchten Kindern ausleben moechte, dann ist das fuer mich nicht in Ordnung. Hier geht es darum, dass missbrauchte Kinder in hochaufloesender Fotoqualitaet am Bildschirm vorgefuehrt werden. Und es ist ja nicht nur Kinderpornographie, es sind Leichenbilder, es sind Leichenteile, Selbstmoerder, massakrierte Tiere. Da kann ich mich doch nicht auf die Meinungsfreiheit zurueckziehen."


Die Oeffentlichkeit ist in den letzten Wochen ausfuehrlich durch die Medien ueber die Widerwaertigkeit der sexuellen Ausbeutung von Kindern unterrichtet worden. Insbesondere die Vorgaenge in Belgien sollten aber den Blick darauf lenken, dass das Problem nicht in dem Uebertragungsmedium liegt, mit dem die Produkte dieser Ausbeutung vermarktet werden. Es ist klar, dass sich die einschlaegigen Kreise aller verfuegbaren Medien bedienen werden, darunter auch des Internet.

Die Festnahme und Verurteilung eines britischen Diplomaten, der entsprechendes Material als Diplomatengepaeck geschmuggelt hatte und ueber den kuerzlich in diversen Tageszeitungen berichtet worden war, zeigt aber, dass die Kampagne um Kinderpornographie im Internet nicht mehr als eine zielgerichtete Desinformationskampagne ist, die von den tatsaechlichen Fragen nur ablenkt. Die Protektion der Taeter durch korrupte Beamte und gesellschaftlich hochgestellte Konsumenten wie juengst in Belgien geschehen scheint wesentlicher zu sein.

Polizeihauptkommissar Karlheinz Moewes macht durch seine Aeusserungen deutlich, worum es ihm im Kern geht: Einer bundesdeutschen (oder zumindest bayerischen?) Version des CDA. Denn es geht ihm nicht nur um Kinderpornographie, sondern auch um "Leichenbilder, Leichenteile, Selbstmoerder, massakrierte Tiere".

Seine Energie aber bezieht Moewes aus einem moralischen Impetus, wonach die oeffentliche Moral "sauber" zu sein hat. Dass sich andere Interessen dann gerne daranhaengen, wenn die Internet-Sau durchs Dorf getrieben wird, steht auf einem anderen Blatt.

Uebrigens, a propos TOL: Wenn man etwas Know-How hat, kann man selbstverstaendlich auch ueber TOL alle Newsgroups beziehen, auch solche die nicht bei TOL aufgelegt sind. Und dass der Titel einer Newsgroup im Zweifel nicht mehr als Schall und Rauch ist, hat die "Koehntroppsche Idiotenfalle" ja bereits demonstriert.

Vielen Dank an Axel H. Horns, der uns diesen Artikel uns zur Verfügung gestellt hat. (Artikel erschien ebenfalls in den Newsgruppen:de.soc.medien,de.soc.zensur und de.soc.netzwesen, Message-ID: <5177fb$6m7@news00.btx.dtag.de>)

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, Neko, 04.10.96
webmaster@www.fitug.de