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MP3: Die Grenzen der Verschlüsselung

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SPIEGEL ONLINE - 20. Juli 1999, 19:06 URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,32017,00.html

MP3

Die Grenzen der Verschlüsselung

Von Martin Paetsch

Nach der Einigung auf einen Kopierschutz für digitale Musik ist nun auch die Plattenindustrie vom MP3-Fieber gepackt worden.

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Mit der digitalen Kodierung kündigt sich eine Verwandlung an: Digitale Musikstücke sind nicht mehr nur Dateien, sondern eigenständige Programme. Die Informationen, die das Wasserzeichen enthält, können nicht nur als Kopierschutz eingesetzt werden, sie ermöglichen auch ganz neue Marketing-Möglichkeiten. So könnten Plattenfirmen MP3-Songs frei zum Herunterladen anbieten, die dann - ähnlich wie bei mancher Demo-Software - eine Zeit lang zur Probe angehört werden können. Nach Ablauf dieser Frist verweigert das Gerät das Abspielen des MP3-Stückes, so daß der interessierte Kunde notgedrungen die Vollversion des Stückes kaufen muß. Time Warner experimentiert bereits auf diesem Gebiet: Der Unterhaltungskonzern will demnächst probeweise Demo-Singles zum Download anbieten, die nach 30 Tagen nicht mehr abgespielt werden können.

Auch nach dem Kauf bestimmt das Wasserzeichen, was der Benutzer mit der CD machen darf und was nicht. So legen die SDMI-Spezifikationen fest, daß von einer CD nicht mehr als vier Kopien auf einmal gemacht werden können. Damit soll verhindert werden, daß der Besitzer die Musik an mehr als nur einen kleinen Kreis von Freunden weiterverteilt. Kritiker wie die Electronic Frontier Foundation haben bereits Bedenken gegen diese Funktion geäußert, denn sie verstößt womöglich gegen das US-Urheberrecht. Die "First Sale Doctrine" schreibt vor, daß der Autor mit dem Verkauf seines Werkes auch die Kontrolle über dessen weitere Nutzung abgibt. Das Gesetz beinhaltet Einschränkungen, damit ein Werk nicht unbegrenzt kopiert und verteilt werden kann. Eine eigens eingebaute Kopierregelung wie beim SDMI-Format steht deshalb in direkter Konkurrenz zu geltendem Recht. Die Plattenindustrie verteidigt diese Funktion mit dem Hinweis, das Urheberrecht sei auf dem Gebiet der digitalen Vervielfältigung ohnehin nur bedingt anwendbar.

Abgesehen von rechtlichen Problemen könnte sich das SDMI-Format auch marktpolitisch als problematisch erweisen. Denn mit ihrem Versuch, zukunftsträchtige Technologien wie MP3 mit hohem Aufwand in unter Kontrolle zu bekommen, beschneidet die Musikindustrie gleichzeitig auch die Vorteile des neuen Datenformates. Mit der Möglichkeit, sich selber Wunsch-CDs mit verschiedenen Stücken zusammenzustellen, bietet der Erwerb per Download zwar immer noch Anreize. Aber zur Zeit ist MP3 in erster Linie deshalb so populär, weil man die Stücke umsonst herunterladen kann. Bei den derzeitigen Download-Zeiten und der zwar beeindruckenden, aber dennoch im Vergleich zur CD verminderten Soundqualität der MP3-Kompression macht es keinen Sinn, MP3-Tracks zum selben Preis wie auf der CD verkaufen zu wollen. Auch die künstlichen Restriktionen des SDMI-Formates werden die Akzeptanz der Kunden nicht erhöhen, zumal die Neuerung auch noch zum Neukauf von Geräten zwingt.

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