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Düsseldorfer Sperrverfügungen - mit "guten Absichten" ins zensierte Netz?

Eine Stellungnahme des FITUG e.V. zum Sperrungsversuch nichtdeutscher Webseiten

FITUG spricht sich in aller Deutlichkeit für eine sofortige Rücknahme der durchweg kontraproduktiven Sperrungsverfügung aus und fordert die Bezirksregierung auf, ihrer Aufgabe als Jugendschutzbehörde durch eine verbesserte Aufklärung der Jugend statt mit nutzlosen Ausblendungen gerecht zu werden. Dem Gesetzgeber wird anheim gelegt, die spätestens mit dieser Aktion offensichtlich gewordenen Mängel in der Gesetzgebung zu beheben und damit die mehrfach geforderte Rechtssicherheit endlich herzustellen.
 

Der Hintergrund

Das World Wide Web hat sich zu einem globalen Kommunikations- und Informationsmedium entwickelt und stellt aufgrund der Möglichkeit, dass sich jeder einbringen kann, einen ideellen Spiegel der Gesellschaft dar - sowohl die positiven als auch die negativen Seiten. Die Bekämpfung der negativen Seiten (z.B. Rechtsradikalismus) ist ein Anliegen von staatlichen und privaten Institutionen, allerdings stellt sich die unterschiedliche nationale Rechtssprechung in einem globalen Medium als erhebliches Problem dar. So können rechtsradikale Inhalte zwar problemlos von deutschen Servern entfernt werden, liegen die Seiten jedoch auf einem US-amerikanischen Server, so sind diese durch die dortige Verfassung vor dem juristischen Zugriff geschützt.

Wird zudem die technische Beschaffenheit des Netzes und die daraus folgernde Zuständigkeitenreihe nicht beachtet, so kann ein versuchter "Fernzugriff" schnell zu einem Bumerang werden und sich in der Wirkung umkehren (vgl. Generalbundesanwaltschaft gegen XS4ALL in 1996). Obwohl diesbezüglich schon einiges an "Lehrgeld" seitens der Behörden gezahlt wurde, findet sich in der Sperrungsverfügung des Düsseldorfer Regierungspräsidenten an die mittelständischen nordrhein-westfälischen Provider gegen zwei explizit genannten Webseiten mit eindeutig rechtsradikalen Inhalten eine Wiederholung von längst begangenen Fehlern. Hierbei beruft sich die Bezirksregierung auf ihre Funktion als Jugendschutzbehörde gemäß dem Mediendienststaatsvertrag (MDStV) der Länder, welcher Regulierungsmaßnahmen für Massenkommunikationsmedien vorsieht.

Aufgrund der Tatsache, dass sowohl die Urheber der Inhalte als auch die Server, auf denen diese Inhalte abliegen, ausserhalb deutscher Gerichtsbarkeit liegen, verfolgt die Bezirksregierung die Absicht, die Zugangsprovider für Sperrmaßnahmen in die Pflicht zu nehmen, obwohl diese nach Teledienstgesetz (TDG) für fremde Inhalte nicht haftbar sind. Nach Ansicht der Bezirksregierung handelt es sich hierbei nicht um Individualkommunikation, welche durch das bundesrechtliche TDG geregelt wird, sondern um Massenkommunikation, welche dem MDStV der Länder untersteht. Auch dieser sieht für reine Vermittler des Zugriffs auf Inhalte eine Haftbefreiung vor (Par. 5 Abs. 3), hält sich aber mit Par. 18 Abs. 3 ein Hintertürchen offen, welches für den Fall des erfolglosen Zugriffs auf Urheber und Verteiler eine Haftung des Zugriffsvermittlers (hier: Zugangsprovider) ermöglicht. Und diese Hintertür, deren Rechtmäßigkeit selbst überprüfungswürdig ist, wird nun als Grundlage für die Sperrungsverfügungen verwendet.

Wurde im Spätherbst 2001 zunächst die Möglichkeit anhand vier Webadressen erörtert und von den Providern als technisch nicht sinnvoll machbar beantwortet, so wurde entgegen dem Ergebnis einer Anhörung der betroffenen Provider Anfang Februar die Sperrverfügung gegen zwei Webadressen ausgesprochen (die dritte war bereits längst offline und beherbergt unter dieser IP-Adresse nun völlig andere, gesetzeskonforme Inhalte, die über voreilig sperrende Provider nun nicht erreichbar sind - die vierte enthielt keine rechtswidrigen Inhalte).

Den Zugangsprovidern wurden in diesem Schreiben drei Methoden zur Umsetzung der Sperrung empfohlen. Erstens die DNS-Sperre, welche zwar vergleichsweise leicht umsetzbar ist, aber genauso leicht umgangen werden kann und somit nutzlos ist. Zweitens der Einsatz von "Proxy-Servern" (Zwischenspeicher), welche, wenn als Zwangsproxy ausgeführt, dazu verwendet werden können, bestimmte Inhalte gezielt auszublenden. Allerdings wird dadurch der Zugangsprovider zum Inhaltsanbieter und erfährt damit eine rechtliche Schlechterstellung von erheblichen Ausmaß, wodurch diese Methode für die Provider unzumutbar wird. Und Drittens wurde die gezielte Sperrung von IP-Adressen (ohne Benennung derselben) an den Routern der Provider vorgeschlagen.

Die irrige Annahme der Bezirksregierung, dass zu einer IP-Adresse exakt eine Webadresse zugeordnet werden könnte, entspricht nicht der Praxis. Sowohl mehrere Webadressen zu einer IP-Adresse als auch mehrere IP-Adressen zu einer Webadresse sind möglich, insbesondere in den heutigen Serverpools. Dies würde bedeuten, dass sowohl die inkriminierte Webadresse möglicherweise nicht vollständig gesperrt würde, als auch dass der Zugriff auf nicht inkriminierte Inhalte Dritter beeinträchtigt oder ganz unmöglich gemacht würden. Dies widerspräche dem Gebot der Rechtmäßigkeit.

Weiterhin ist die Zuständigkeit der Bezirksregierung in dieser Sache nicht unumstritten, denn nur durch die Formulierung, dass die inkriminierten Inhalte "redaktionell aufbereitet" wären (ein Blick auf die besagten Inhalte belegt das Gegenteil), macht diese zu keinen Massenkommunikationsdienst - und damit dem MDStV unterstehend. Vielmehr belegt sowohl die technische Grundlage als auch die praktische Erfahrung, dass das Netz trotz seiner Größe und seiner Teilnehmerzahl ein Individualkommunikationsmittel (Direkte Kommunikation zwischen Abrufer und Server) ist und damit dem TDG untersteht.

Das falsche Mittel im Kampf gegen Rechts!

Ungeachtet der rechtlichen Situation bewirken solche Sperrungsmaßnahmen doch nur Eines: Für einen begrenzten Personenkreis würden die Inhalte lediglich ausgeblendet, sie befinden sich aber weiterhin im Netz! Die "Maßnahme gegen rechte Inhalte" hätte tatsächlich nur eine Mystifizierung der rechten Szene zur Folge. Dabei hätte die dilletantische Form gerade der hier inkriminierten Seiten eine die Irrigkeit der nationalsozialistischen Gesinnung besonders deutlich entlarvende Wirkung und könnte gut zur Aufklärung verwendet werden.

Nur durch eine vernünftige Auseinandersetzung mit den Vorgängen des Nazi-Regime kann der Jugend eine natürliche Widerstandskraft gegen die Täuschungsversuche rechtsradikaler Agitatoren vermittelt werden. Aber durch die reine Ausblendung wird nur die "Blauäugigkeit" erhöht - und damit das Risiko den Blendungen der rechten Werberkolonnen zu erliegen. Da die Aufklärung deutlich aufwendiger ist als einfach nur "etwas zu verbieten", ist der Vorwurf der "falschen und fatalen Bequemlichkeit" gegen die Bezirksregierung mehr als berechtigt. Zudem ist die hier beschriebene Art der Einschränkung der Informationsfreiheit (in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG garantiert) besonders kritisch zu sehen, da dies eine gewisse Nähe zu den Methoden gerade derjenigen darstellt, die man vorgibt bekämpfen zu wollen.

Mit einer Demonstration am 6. April in Düsseldorf hatte der Chaos Computer Club (CCC) zusammen mit Odem.org mit dem Motto "Wegfiltern ist Wegschauen" gegen diese Zensurmassnahmen protestiert. Vor der Bezirksregierung wurde dem Regierungspräsidenten die "rote Netzkarte" sowie einiger Micky-Maus-Heftchen (anstelle der in der vorzeitig veröffentlichten Pressemitteilung der BezReg angekündigten Unterschriftenliste von odem.org mit bisher über 6000 Unterzeichnern) überreicht.

Testballon für weitere Zensurmaßnahmen?

Die Tatsache, dass die ursprüngliche Sperrungsabsicht nicht nur eindeutig rechtsradikale Inhalte betraf, muss als "Testballon" zur Prüfung einer allgemeinen Akzeptanz von behördlich verordneten Einschränkung von Informationsmöglichkeiten (landläufig als Zensur bezeichnet) angesehen werden. Die Netzgemeinschaft sollte der hintergründigen Absicht dieser Aktion, dem "Austesten der Grenzen des Machbaren" durchaus entsprechen und deutlich klarmachen, dass die Grenzen mit dieser Aktion nicht nur erreicht, sondern schon deutlich überschritten wurden. Würde dies stattdessen einfach hingenommen werden, wäre nicht abzusehen, welche Inhalte als Nächstes einer Sperrung unterworfen würden - mal abgesehen von der Umsetzbarkeit. Insbesondere wird diese Befürchtung durch entsprechende Aussagen seitens der Bezirksregierung, die u.a. auch Suchmaschinen in die Verantwortung nehmen will, noch bestärkt.


Über FITUG

Der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft FITUG e. V. (FITUG) schafft Verbindungen zur virtuellen Welt der Neuen Medien und der Datennetze. In unserer Satzung heißt es dazu: "Zwecke des Vereins sind die Förderung der Integration der neuen Medien in die Gesellschaft, die Aufklärung über Techniken, Risiken und Gefahren dieser Medien, sowie die Wahrung der Menschenrechte und der Verbraucherschutz in Computernetzen." Der FITUG e.V. ist Mitglied im weltweiten Dachverband "Global Internet Liberty Campaign" (GILC).

Förderverein Informationstechnologie und Gesellschaft (FITUG) im April 2002
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