Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft haben am Mittwoch die
deutsche Compuserve-Zentrale in Unterhaching bei München durchsucht
und Unterlagen beschlagnahmt. Die Behörden werfen dem Onlinedienst
vor, durch sein Internet-Gateway zur Verbreitung von
Kinderpornographie beizutragen. Bei der Durchsuchungsaktion
"konnten Erkenntnisse gewonnen werden, die umfangreiche weitere
Ermittlungen nach sich ziehen werden", erklärte das Münchner
Polizeipräsidium. Die Polizei verzichtete trotzdem auf ihre
Möglichkeit, die deutschen Compuserve-Zugänge komplett
abzuschalten und begründete dies mit der "Wahrung der
Verhaltnismäßigkeit".
Die Aktion gegen den nach T-Online zweitgrößten deutschen
Internet-Provider verschärft den Juristenstreit über die
Verantwortung von Onlinediensten für Inhalte des Internets.
Compuserve sieht sich hier entlastet: "Alleine durch die Verschaffung
des Zugangs zum Internet kann Compuserve ebensowenig die Verantwortung
für den Inhalt des Datentransfers übernehmen, wie
die Post für den Inhalt von Briefen und Paketen, als auch die
Telekom für den Inhalt von Telefongesprächen", entschuldigt
sich das Unternehmen. Ob diese Argumentation ausreicht, oder ob
sie knapp am Gesetz vorbeigeht, werden Richter entscheiden müssen.
Schließlich lassen sich im Gegensatz zur mündlichen
Kommunikation bei Telefonaten über Onlinedienste "Schriften"
laden und anders als bei Briefen oder Paketen mag man hier auch das
Öffentlichkeitskriterium erfüllt sehen (siehe Hintergrundmeldung
"Pornographie").
Vielleicht wird die überfällige richterliche Grundsatzentscheidung
aber auch gar nicht zustandekommen, weil Staatsgewalt wie
auch Compuserve lieber einen Kompromiß finden wollen. So hat
Compuserve in seiner Pressemitteilung auf jeden Angriff gegen
die Staatsanwaltschaft verzichtet. Im Gegenteil: Man habe
"anläßlich des Besuchs der Kriminalpolizei" eine
Lösung gefunden "wie Compuserve in Zukunft den Kampf der Polizei
gegen Kinderpornographie im Internet unterstützten kann", sagte eine
Firmensprecherin. Dies deutet darauf hin, daß Compuserve nun - wie
bereits T-Online - bestimmte Internet-Bereiche für seine
Nutzer sperren wird. Dies schließt zwar nicht aus, daß findige
Cybersurfer neue Angebote aufstobern und nutzen - der Zugang zu
den illegalen Angeboten wird aber zumindest deutlich erschwert.
Damit konnten die Behörden ihr Hauptaugenmerk auf andere, weniger
hilfbereite Internet-Provider richten und die Unterhachinger Niederlassung
von weiteren Aktionen verschonen. Daß weitere
Provider bald ihren Besuch erwarten müssen, kündigte die Poli-
zei bereits an:
"Es besteht weiterhin der Verdacht, daß auch andere Provider
dafür verantwortlich sind, daß kinderpornographisches Material
auf dem Weg der Datenfernübertragung nach Deutschland gelangt
und hier verbreitet wird. Die Ermittlungen dauern hierzu noch
an".
Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, Neko, 01.06.97
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