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From: Michael Bärmann
Subject: FDP zur Kryptographie
From: Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, MdB
Organization: Deutscher Bundestag
Date: Thu, 5 Oct 1995 20:13:29 +0100
Sehr geehrter Herr Bärmann,
für Ihre Frage, die offenbar unter den Nutzern des Internets breite Diskussion findet, aber bisher nicht bis nach Bonn gedrungen ist, danke ich sehr.
> In letzter Zeit sind immer wieder Stimmen lautgeworden, die ein Verbot
> oder eine Einschränkung von Verschlüsselungsverfahren in
> Computernetzen fordern.
Diese Frage ist für mich noch relativ neu. Ich will deshalb auch erst einmal
nur vorsichtig den Rahmen abstecken, in dem man sich m.E. bewegen sollte.
Verschlüsselungsverfahren sind sowohl für den Ausbau der kommerziellen
Nutzung des Netzes wie für die Wahrung der Privatsphäre sicher nötig. Und es
muß sich dabei um Verfahren handeln, die auch nicht ohne weiteres durch
Dritte entschlüsselt werden können. Darin stimme ich Ihrer Argumentation
vollständig zu.
Andererseits kann auch nicht bestritten werden, daß es einer Möglichkeit
bedarf, wie bei Brief und Telefon im Rahmen einer richterlichen Anordnung (!)
die Mailings einzelner Sender oder Empfänger zu überwachen. Und hier
entstehen, ähnlich wie bei Funktelefonen, erhebliche technische Probleme. Nun
gibt es sicher Codes, die nicht oder nur mit großem Aufwand zu brechen sind.
Aber bei Briefen etwa ist das ja auch zumindest potentiell nicht anders. Das
Problem muß also eigentlich der Abhörende lösen. Und ggf. aus extremer
Geheimhaltung entsprechende Schlüsse ziehen.
Die bisherige Praxis zeigt, daß Verdächtige, die sich der Gefahr der
Abhörung bewußt sind, eh auf andere Kommunikationswege ausweichen und nicht
etwa verschlüsselte Nachrichten versenden. Ich kann mir nicht recht
vorstellen, daß man bei der Abwegung der schützenswerten informationellen
Selbstbestimmung des Einzelnen und dem berechtigten Interesse auf die
Möglichkeit der Überwachung des Fernmeldeverkehrs gleich jede Form wirksam
geschützter Kommunikation verbietet. Mir kommt da bei meinem derzeitigen
Kenntnisstand ziemlich unverhältnismäßig vor.
Da mich diese Frage wohl auch irgendwann im Innenaußchuß als dem zuständigen
Berichterstatter für EU-Vorlagen erreichen wird, werde ich mich spätestens
dann weiter in diese Materie hineinarbeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig