FITUG e.V.
Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft
|
|
Papier der Gruenen - Netze/Kabelverbindungen
Wieder einmal ist in Deutschland eine neue Wachstumsbranche entdeckt, die
das weitere Wirtschaftswachstum zu sichern scheint: Die Informations- und
Kommunikationstechnologien. Obwohl wir in diesen Entwicklungen positive
Aspekte sehen (Schaffung neuer Formen von Oeffentlickeit, Vereinfachungen
im medizinischen und behoerdlichen Bereich, Verkehrsplanung, Stadtnetze,
uneingeschraenkter weltweiter Informationsfluss, aber auch praktische
Anwendungen im Bereich Telearbeit), und auch in vielen Anwendungsbereichen
sinnvolle Moeglichkeiten erkennen, die es kritisch auszuloten gilt
(Telearbeit, Verbund OePNV/Individualverkehr, Medizin, Behoerdentransparenz
usw.), muss man den sich ebenfalls abzeichnenden Gefahren bei Betrieb,
Nutzung und Ueberwachung von Datennetzen und angebotenen Diensten ins Auge
sehen und rechtzeitig mit gesetzlichen Regelungen und Aufklaerung
entgegentreten.
Netzbetreiber:
Staatliche und private Netzbetreiber sind zu verpflichten, weltweit
uneingeschraenkten Netzverkehr zuzulassen und Schnittstellen zwischen
Netzen zu normieren. Der auf ihren Netzen stattfindende Datentransfer darf
von ihnen nicht eingeschraenkt werden. Ein Ziel staatlichen Handelns muss
die Foerderung von Netzzugaengen besonders in strukturschwachen Gegenden
des eigenen und vor allem auch in anderen, weniger entwickelten Laendern
sein. Zudem ist sicherzustellen, dass in allen Schritten des Netzausbaues
die Oeffentlichkeit beteiligt und gehoert wird. Damit Netze nicht nur dem
Kommerz, sondern tatsaechlich auch der demokratischen Kommunikation dienen,
sind auch die privaten Netzbetreiber zu verpflichten, 20 % ihrer
Netzkapazitaet der Oeffentlichkeit, und das heisst v.a. individuellen
Nutzern zur Verfuegung zu stellen.
Dienstanbieter:
Um eine allen Nutzern gleich offenstehende Information zu gewaehrleisten,
muessen Dienstanbeiter jedem Nutzer prinzipiell uneingeschraenkten Zugang
zu allen weltweit angebotenen Informationen gewaehren. Gesetzliche
Regelungen, die kommerzielle Anbieter betreffen, muessen dabei
international genormt werden. Um dem Entsteheninformationsverarmte
Schichten zu vermeiden (Gefahr einer 2-Klassen-Struktur der
Informationsgesellschaft), muss die Gebuehrenberechnung fuer private
Dienstanbieter klar geregelt sein und durch genormte Grund- und
Bereitstellungesgebuehren (ob in Muenchen oder in Hintertupfing im
Bayrischen Wald, aehnlich wie es bei der Telekom heute ist) die
Grundversorgung gewaehrleisten.
Ueberwachung der Netze:
Staerker noch als bei herkoemmlichen Medien wird in der Zukunft die
Ueberwachung von Datennetzen Probleme aufwerfen, zum einen wegen der
Unmoeglichkeit, den Informationsfluss auf Ungesetzlichkeiten zu
durchkaemmen, andererseits wegen der voelligen Kontrollierbarkeit des
Individuums, das am Datenverkehr teilnimmt. Einesteils soll ebenso wie bei
jenen die Meineungsfreiheit nicht eingeschraenkt werden, das bedeutet:
keine Einschraenkung der Experimentierfreiheit undvon individuell genutzten
Verschluesselungstechniken, Wahrung aller Buergerrechte (Redefreiheit,
Postgeheimnis, Schutz der Privatsphaere, Versammlungsfreiheit etc.) und
kein Abzapfen oder Ausfiltern privater Daten aus den Netzen, weder von
staatlicher noch von privater Seite.
Angesichts der bereits sich abzeichnenden Probleme mit
Veroeffentlichungsrechten muss geklaert werden, wie der Schutz geistigen
Eigentums im Netz gesichert werden kann.
Andererseits muss die inhaltliche Ueberwachung von kommerziell angebotenen
Informationen (z.B. in Bezug auf Porno- und Gewaltdarstellung, Aufruf zu
Straftaten) etwa durch eine freiwillige Selbstkontrolle gewaehrleistet
sein; die politisch verantwortlichen Gremien muessen Frauenbeiraete
enthalten. Die noetigen Gesetze von Kontrolle und Ueberwachung des
Datenverkehrs muessen international gefasst werden (EU-Ebene reicht
nicht!).
Demokratie:
Der Ausbau der Medienlandschaft als interaktives Fernsehen und Vernetzng
erscheint auf den ersten Blick als demokratiefoerderndes Forum der
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen; doch zeigen die bisherigen Plaene
(z.B. Bayern Online) nur eine Verstaerkung der Konsumorientiertheit (z.B.
pay-tv). Dies geht uebrigens voellig an den Nutzerwuenschen vorbei, die
laut einer Umfrage von 'Macworld' vor allem Bildung, Information und Wahlen
von ihrem Netzzugang erwarten. Wuenschenswert waere der Ausbau und die
Foerderung von demokratisch strukturierten Diensten (oeffentliche
Datenbanken, Auskunftsdienste, Stadtnetze). Denkbar waere u.a. auch eine
gesetzliche Verpflichtung privater Betreiber, ca. 20% ihrer Kapazitaet fuer
oeffentliche Einrichtungen und non-profit-Organisationen und einzelnen
NutzerInnen zur Verfuegung zu stellen. Unserer Ansicht nach sollte es der
oeffentliche Bereich sein, der besondere staatliche Ferderung geniesst.
Ohnehin ist noch nicht abzusehen, in wie striktem Masse die zunehmende
System- und Medienkomplexitaet neue Spezialisten erfordert und
'Laienpolitikern' den Einstieg unmoeglich macht.
Telearbeit:
Telearbeit kann als Heimarbeit zu Verminderung des Verkehrs, zu neuen Teil-
und Vollzeitarbeitschancen fuer kinderbetreuende Eltern, zu entschaerften
Arbeitszeitregelungen und zur Foerderung strukturschwacher Regionen
fuehren, andererseits ist durch ausgefeilte feste Arbeitsvertraege zu
verhindern, dass von Grossfirmen abhaengige Arbeitnehmer durch
Zwangsselbstaendigkeit in die wirtschaftliche Unsicherheit gedrueckt
werden.
Die bereits vielfach praktizierte Softwareentwicklung und
Kontrolltaetigkeit in Billiglohnlaendern (Siemens in Bangalore/Indien) kann
als praktizierte Entwicklungshilfe oder aber als Exportieren von Problemen
angesehen werden.
Staatliche Foerderung und Begleitung:
Staatliche Foerderung von anwenderfreundlichen Netzzugaengen zur Vermeidung
von Laienbenachteiligung ist dringend noetig, um die jetzt schon bestehende
Kluft zwischen Informations-Armen und -Reichen zu schliessen. Aus dem
gleichem Grund darf es nicht sein, dass oeffentlichen Bibliotheken und
traditionellen Medien zugunsten des Netzausbaues die Foerderung gestrichen
wird - im Gegenteil, die Integration von klassichen und neuen Medien muss
vorangetrieben werden. Die frueher durch die staatliche Bundespost
gewaehrleistete Gleichbehandlung aller Buerger, egal wo sie wohnen, muss
auch weiterhin fuer die Grundversorgung (in Zukunft ein Backbone aus
Glasfaserkabel, Endanschluesse Twisted Pair) gesichert sein.
Strukturschwache Regionen sind durch Einrichtungen wie Medienzentren (in
den Staedten auch als Mediencafes in den Stadtteilen) zu foerdern.
Bislang sehen wir kaum eine Planung von Schulungsmassnahmen, die den Ausbau
der 'Datenautobahnen' begleiten sollen. Wir hingegen halten Ausbildungs-
und Schulungskurse und allgemein nutzbare Terminals in VHS, Biblioheken
etc., aber auch in Schulen fuer unverzichtbar, um auf dem Datennetz
moeglichst gleiche Chancen fuer alle zu sichern.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, Neko, 04.10.95
webmaster@www.fitug.de