FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

ICTF - Pressemitteilung

Von:         summa@eco.de ("Harald A. Summa")
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Betreff:     eco Pressemitteilung vom 5.6.96

Gesendet am: 4 .un .996 18:18:42 +0200 Abgeholt am: 04.06.96 20:18


Pressemitteilung vom 5. Juni 1996

Internet Medienrat stellt erste Massnahmen zur Freiwilligen Selbstkontrolle vor

Die fuehrenden Internet Service Provider, auf deren Initiative der Internet Medienrat zurueckgeht, haben im Rahmen der Freiwilligen Selbstkontrolle die Internet Content Task Force (ICTF) beschlossen. Mit der ICTF werden technische und organisatorische Massnahmen eingeleitet, die der Verbreitung von jugendgefaehrdenden Inhalten und nationalsozialistem Propagandamaterial eine wirksame Kontrolleinrichtung entge-genstellen. Die ICTF wendet sich in einem ersten Schritt dem News-Dienst und spaeter auch anderen Formen der Inhaltsuebermittlung im Internet zu.

Die Internet Content Task Force stellt am DE-CIX, dem nationalen Datenausstausch-punkt der Internet Service Provider, einen speziell fuer die Aufgabe der Selbstkontrolle konfigurierten News-Server zur Verfuegung. Die Herkunftsnachweise kritischer Inhalte werden durch den Server ausgewertet, unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen in einer Datenbank archiviert und an zentraler Stelle hinterlegt. Weiterhin werden News-Artikel stichprobenartig einer juristischen Detailpruefung unterzogen. Ergibt sich daraus der Verdacht oder die gesicherte Erkenntnis, dass rechtswidrige Inhalte verbreitet werden, kann die ICTF unterschiedliche Schritte einleiten, um der Verbreitung dieser Inhalte entgegenzu-wirken. So kann sie bei-spielsweise die Sperrung ganzer Newsgroups oder das nachtraegliche sogenannte "Canceln" bereits uebermittelter Nachrichten veranlassen. Die sich gegebenenfalls anschliessenden strafrechtlichen Ermittlungen kann die ICTF mit Hilfe der von ihr erfassten Datenbestaende kanalisieren.

Die Kriterien fuer das Vorgehen der ICTF werden durch den Internet-Medienrat entwickelt, ueberprueft und staendig fortgeschrieben. Der Internet Medienrat versucht als unabhaengiges Gremium, einen gesellschaftlichen Konsens in der Nutzung der Online-Medien ohne staatliche Zensur zu erreichen. Die Einrichtung des Internet Medienrates, der derzeit seiner Arbeitsgrundlagen erarbeitet, wird von Prof. Goetze, Geschaeftsfuehrer des Springer-Verlages, Heidelberg, und dem eco Electronic Commerce Forum e.V. vorangetrieben. Am 16. September 1996 wird er seine Mitglieder und Organisation der OEffentlichkeit vorstellen.

Von staatlicher Stelle erhaelt der Internet Medienrat Unterstuetzung durch das Bundes-wirtschaftsministerium. Wirtschaftsminister Rexroth : "Ich begruesse die Initiative der deutschen Online-Wirtschaft, einen Internet Medienrat als Gremium freiwilliger Selbstkontrolle einzurichten".

Hintergrundinformation zur Internet Content Task Force (ICTF)

Das Problem des Jugendschutzes und der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes in den neuen Medien - besonders auf dem Internet - wird zur Zeit heftig und kontrovers diskutiert. Waehrenddessen haben Politik und Ermittlungsbe-hoerden bereits begonnen, gegen die Verbreitung rechtswidriger Inhalte ueber das Internet vorzugehen. Ueber Ermittlungsverfahren gegen grosse Dienstanbieter hat die Presse in den vergangenen Wochen ausfuehrlich berichtet.

Die aktuelle Rechtslage bietet fuer ein koordiniertes Vorgehen jedoch wenige geeignete Ansatzpunkte. Die Juristen sind sich nicht einmal darueber einig, wer ueberhaupt fuer die UEbermittlung strafrechtlich relevanter Inhalte ueber das Internet bestraft werden kann oder soll. Je nach Standpunkt und Interessenlage vertreten selbst renommierte Strafrechtler gegensaetzliche Standpunkte. Die einen halten die Verbreitung von Pornographie und nationalsozialistischem Schriftgut in elektroni-scher Form ueberhaupt nicht fuer strafbar, andere wollen sogar die Dienstanbieter fuer das blosse Transportieren der Daten zur Verantwortung ziehen. Vermittelnden Meinungen stellen darauf ab, dass nur den Urheber der Nachricht sich strafbar mache. Fest steht in der gesamten Diskussion lediglich, dass die Angelegenheit - wie immer bei schwierigen dogmatischen Fragen im Strafrecht - letztlich durch die Gerichte entschieden wird. Fest steht auch, dass sich die eigentlichen Urheber rechtswidriger Nachrichten - gerade die mit besonders hoher krimineller Energie - nur schwer ermitteln lassen, so dass die Strafdrohung insoweit ins Leere geht.

Die Loesung dieses Problems wird durch die anhaltende politische Diskussion erschwert und von anderen Fragenkomplexen ueberlagert. Die Laender beispielsweise sehen in den neuen Medien eine Erweiterung der traditionellen Zustaendigkeiten fuer den Rundfunk. Sie sind bemueht, sich durch eine extensive Auslegung der grund-gesetzlichen Kompetenzordnung und der darauf basierenden Gesetze und Staats-vertraege kuenftige Moeglichkeiten zur Einflussnahme zu sichern. Ein Ergebnis solcher UEberlegungen ist unter anderem der Entwurf eines Staatsvertrages ueber Medien-dienste, in denen der gesamte Komplex des Internet und der Online-Dienste erfasst wird. Um in diesem Bereich Fakten zu schaffen, soll der Staatsvertrag alsbald verabschiedet werden.

Auch der Bund arbeitet unter Federfuehrung des Zukunfts-Ministeriums an den rechtliche Rahmenbedingungen fuer neue Informations- und Kommunikationsdienste, die das Thema umfassend behandeln sollen. Das Innenministerium wiederum be-schaeftigt sich vordringlich mit der Einschraenkung der Kommunikationsfreiheit. Ausfluss dieser Taetigkeit waren bereits das novellierte Abhoergesetz und die daraufhin erlassene Fernmeldeueberwachungsverordnung. Weitere Gesetze, insbesondere ein Verbot der Verwendung kryptographischer Verfahren, sind geplant. Auf europaeischer Ebene versucht eine Arbeitsgruppe, die auf der letzten G7-Konferenz initiiert wurde, einen internationalen Konsens herbeizufuehren.

Der zwingend erforderlichen, im Ergebnis aber noch offenen rechtlichen Klaerung steht die Sorge um eine Zensur und zu weitgehende staatliche Eingriffe gegenueber.

Die fuehrenden deutschen Internet Service Provider bemuehen sich seit langem, den jetzt offen zutage tretenden Interessenkonflikt zwischen dem &qout;Informations-Polizeistaat" und der von der Politik befuerchteten "Anarchie im Netz" zu bewaeltigen. Daher haben sie lange vor Beginn der oeffentlichen Debatte die Einrichtung einer Freiwilligen Selbstkontrolle propagiert und die Gruendung eines Internet Medienrates in Gang gebracht. Als weiterer Baustein wird nun die Internet Content Task Force (ICTF) ins Leben gerufen.

Damit soll auch dem Eindruck entgegengewirkt werden, das Internet diene ueberwiegend dem Zweck, extremistische und pornographische Inhalte zu uebermitteln. Dies jedenfalls war in den letzten Wochen zahlreichen - oft schlecht recherchierten - Berichten zu entnehmen. Dabei wurde weder zwischen den Diensten des Internet (Mail, News, WWW, Chat und anderen) unterschieden, noch hat man die Relation von unzweifelhaft nuetzlichen und zu den wenigen erwuenschten Inhalten dargestellt. Die ICTF wendet sich dem Problem nun in einer wesentlich differenzier-teren Weise zu. Dabei wird sie sich zunaechst mit dem augenblicklich wohl kritischsten Teil der Internet - dem sogenannten News-Dienst - beschaeftigen.

Das besondere Problem des News-Dienstes besteht darin, dass hier Informationen weltweit, aber doch anonym uebermittelt werden koennen. Dies ist in anderen Teilen des Internet anders oder aber wesentlich schwieriger, so dass das Volumen kritischer Inhalte in den News vergleichsweise gross ist. Die ICTF wird die vorhandenen Informationen ueber die Herkunft von News erfassen und so in eine Datenbank einpflegen, dass auch nachtraeglich noch ermittelt werden kann, wer einen Artikel verschickt oder wer die Identitaet des wahren Autors verschleiert hat. Die Datenbank wird unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen und der schutz-wuerdigen Interessen Dritter gefuehrt. Zur Vermeidung von Missbrauch werden die Datenbestaende regelmaessig auf Festspeicher exportiert und sodann anwaltlich hinterlegt.

Weiterhin werden die vorhandenen oder neu eingerichtete Newsgroups klassifiziert, so dass Gruppen, die ausschliesslich oder ueberwiegend der Verbreitung rechtswidriger Informationen dienen, von der weiteren Distribution ausgeschlossen werden koennen. Eine stichprobenartige Untersuchung von Artikeln sowie eine Analyse von Artikeln im Bedarfsfall ermoeglicht es ausserdem, die Weiterbefoerderung einzelner Nachrichten einzuschraenken.

Mit der Einrichtung der ICTF uebernehmen die Internet Service Provider einen Teil der Verantwortung bei der Gestaltung einer modernen Informationsgesellschaft. Es ist klar, dass mit dem praeventiven Handeln auf nationaler Ebene nicht unrechtmaessiges Handeln auf globaler Ebene unterbunden werden kann. Die ICTF ist daher auch als ein Vorbild fuer aehnliche Initiativen in anderen Laendern und als ein Apell an die Politik zu sehen, ihren Beitrag zur Loesung des Problems zu leisten. Die ICTF ist zur Zeit der einzig erkennbare Ansatz, der dem Beduerfnis nach "Law and Order" Rechnung traegt und dem neuen Medium Internet dennoch den Freiraum erhaelt, den es fuer ein weiteres Prosperieren benoetigt.

Alleingaenge des nationalen Gesetzgebers hingegen werden das Problem kaum loesen, sehr wohl aber den Wirtschaftsstandort Deutschland ernsthaft gefaehrden. Denn eines ist in der virtuellen Welten der Kommunikationsnetze klar: Grenzen verlieren ihre Bedeutung und die Frage des Standortes stellt sich nicht mehr. Nichts hindert ein Unternehmen daran, seine Online-Aktivitaeten in ein Land zu verlagern, das ihm weniger Buerokratie und gesetzliche Einschraenkungen auferlegt. Erste Abwanderungstendenzen sind bereits erkennbar.

Die Internet Content Task Force wird von den folgenden Internet Service Providern unterstuetzt:
CERFnet GmbH, Heidenrod
ECRC GmbH, Muenchen,
EUnet Deutschland GmbH,
GTN GmbH, Krefeld,
ipf.net GmbH, Frankfurt,
IS/Thyssen Internet Service GmbH, Hamburg, Point of Presence, Hamburg,
nacamar GmbH, Dreieich,
NTG-X/link GmbH, Karlsruhe,
roka GmbH, Duisburg,
seicom GmbH, Pfullingen,
spacenet GmbH, Muenchen.

Weitere Informationen erhalten Sie bei:

eco Electronic Commerce Forum e. V.
c/o Harald A. Summa
Schaeferkampstr. 19

44287 Dortmund
Fon: +49 (0) 231 44 79 49
Fax: +49 (0) 231 44 81 35
E-Mail: summa@eco.de
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oder

RA Michael Schneider
Dickstr. 35
53773 Hennef / Sieg,
Fon: +49 (0) 2242 9270-0
Fax: +49 (0) 2242 9270-99 E-Mail: Michael.Schneider@Anwalt.DE
http://www.anwalt.de/

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