FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Summary:
Abschnitt 1: Kompetenzen von Bund und Laendern
Abschnitt 2: Freier Marktzugang; Datenschutz und Datensicherheit.
Abschnitt 3: Zugang der Buerger zur Informationsgesellschaft; Foerderung des Erwerbs von Medienkompetenz.
Abschnitt 4: Wirksamkeit von Rechtsnormen in globalen Datennetzen.
Abschnitt 5: Datenschutzrecht.
Abschnitt 6: Epilog.

Deutscher Bundestag         Drucksache 13/395
13. Wahlperiode             20.06.96

BESCHLUSS

im Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuß)

zum TAB-Bericht "Multimedia - Mythen, Chancen und Herausforderungen" - Drucksache 13/2475

Bereits im Mai 1995 hat das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestages [sic!] (TAB) einen Abschlußbericht zur Vorstudie "Multimedia - Mythen, Chancen und Herausforderungen" vorgelegt. Schwerpunkt dieses Berichts waren insbesondere die technischen Rahmenbedingungen für Anwendungen im geschäftlichen, privaten und öffentlichen Bereich, der Einsatz von "Multimedia" zur Wissensvermittlung, sowie die Mediensprache. Um die Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen fortzusetzen und zu vertiefen, hat der Deutsche Bundestag die Enquete-Komission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" eingerichtet, die sich darüber hinaus auch mit den weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen, die durch die neuen Techniken befördert werden, befaßt.

Das Thema "Multimedia" ist inzwischen auch schon von einer Reihe anderer Arbeiten behandelt worden. Zu nennen sind besonders

Insbesondere unter Bezugnahme auf die Empfehlungen des Technologierates und des Petersberger Kreises, hat der bundesminister für Bildung und Forschung inzwischen Eckwerte für ein "Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz" vorgelegt. Dadurch sollen alle Arten von "Multimedia"-Anwendungen einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen erhalten.

Anknüpfend an die Vorstudie des TAB und die bereits in der Enquete-Kommission geleisteten Arbeiten unterstützt der Deutsche Bundestag das Anliegen, in Deutschland einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationsdienste zu schaffen. Er hält dabei die folgenden Grundsätze für besonders wichtig:

  1. Die neuen Anwendungen sprengen die traditionellen Dualismen Rundfunk versus Presse, Massen- versus Individualkommunikation und Anbieter versus Rezipient, um den Raum dazwischen stufenlos auszufüllen: Wie heute schon am Beispiel des globalen Netzwerkes Internet zu sehen ist, kann sich der rechtliche Schwerpunkt deshalb je nach Anwendung einmal im Bereich der verfassungsmäßigen Kompetenz der Länder, einmal in der des Bundes befinden. Will man unauflösbare Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden, ist eine strenge Trennung zwischen diesen Rechts- und Politikbereichen künftig nicht mehr möglich. Bund und Länder müssen sich daher gemeinsam um einen angemessenen, bundeseinheitlichen Rahmen bemühen. In diesem Zusammenhang begrüßt der Deutsche Bundestag die eingeleiteten Bemühungen der Länder und des Bundes zur Klärung der offenen Fragen.

  2. Aufgabe verantwortungsvoller Telekommmunikations- und Medienpolitik ist es, den gleichberechtigten Zugang von Anbietern und Nutzern zu Kommunikationsinhalten und Übertragungswegen flächendeckend zu sichern und die Schaffung einer modernden[sic!], zukunftsfähigen Informationsinfrastruktur in der Bundesrepublik zu befördern. Dazu muß für die Anbieter in einem freien Wettbewerb genügend Handlungsspielraum bestehen und der Marktzugang (im Rahmen sonstiger Gesetze) ohne besondere Zulassungs- und Anmeldeerfordernisse gewährleistet werden. Um die Entwicklung und Verbreitung neuer Dienste zu fördern, ist durch staatliche Maßnahmen die Transparenz von Angeboten und Preisen zu sichern, die Festlegung von Standards durch die Beteiligten zu fördern, die Bedingungen von Datenschutz und Datensicherheit zu verbessern und das Urheberrecht anzupassen. Um Voraussetzungen für elektronischen Dokumentenaustausch und Rechtsverkehr zu schaffen, ist für die Nutzung digitaler Signaturen schrittweise eine geeignete Sicherungsinfrastruktur einzuführen und der Austausch von digitalen Dokumenten und Willenserklärungen zu regeln. Zur Sicherung der Vertraulichkeit grenzüberschreitenden Geschäftsverkehrs sind wirksame teilnehmerautonome Verschlüsselungsverfahren weiterhin im Rahmen von Art. 10 GG zuzulassen. Wo nötig, sollte durch eine Experimentierklausel der Erprobung neuer Techniken und Anwendungen der notwendige Handlungsspielraum eröffnet werden.

  3. Die Sicherung des Zugangs zu Informationen gewährleistet allein noch nicht die aktive Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der Informationsgesellschaft, bildet aber die Grundbedingung. Der Schlüssel für eine in ökonomischer wie gesellschaftlicher Hinsicht positive Zukunft Deutschlands, [sic!] liegt in der Fähigkeit seiner Menschen, mit Informationen sowohl in technischer, als auch kultureller Hinsicht kompetent und verantwortungsvoll umgehen zu können. Der Deutsche Bundestag hält es deshalb für dringend erforderlich, die Anstrengungen zu verstärken, um in der allgemeinen, beruflichen und betrieblichen Bildung und Fortbildung den Erwerb kultureller Medienkompetenz zu fördern, um so möglichst viele in die Lage zu versetzen, sowohl das vorhandene Angebot souverän zu rezipieren, als sich auch aktiv an der Ausgestaltung des entstehenden Informationsraums beteiligen zu können. Das große Interesse an dem Projekt "Schulen ans Netz" zeigt sowohl die Notwendigkeiten solcher Initiativen, als auch die bestehenden Defizite.

  4. Viele Normen deutschen Rechts entfalten in einer Welt globaler Datennetze nur noch dann Wirksamkeit, wenn auf internationaler Ebene für ihre Durchsetzung gesorgt ist. Die Verbreitung strafbarer oder jugendgefährdender Inhalte kann daher nur im Rahmen internationaler Zusammenarbeit und supranationaler Strukturen befriedigend bekämpft werden. Entsprechende Initiativen auf Ebene der G7, der EU oder anderer internationaler Organisationen sind deshalb mit Nachdruck voranzutreiben. Ziel muß dabei die Bekämpfung der Urheber sein. Da in internationalen Computernetzen wie dem Internet verantwortliche Betreiber fehlen und die Verbreitung von Informationen räumlich nicht begrenzbar ist, verbietet es sich, darüber hinaus diejenigen, die auf technischer Ebene Zugang zu und Funktion der Datennetze sichern, für strafbare Handlungen Dritter in Anspruch zu nehmen oder den Geltungsbereich deutschen Strafrechts über die Grenzen des völkerrechtlich anerkannten hinaus auszudehnen. Eine Übertragung der Verantwortlichkeitsregeln und Mechanismen aus dem Bereich der Presse, der Filmwirtschaft und dem Jugendschutz würde ebenfalls ohne die erwünschte Wirkung bleiben. Einen Ausweg können dafür aber Mechanismen der freiwilligen Selbstkontrolle von Anbietern und Nutzern bieten: Beispiele dafür sind die im Internet gültige Netiquette, der freiwillige Aufbau von Qualifikationssystemen und eine Vereinbarung über Identifikationspflichten. Strafverfolgung bleibt aber auch dann eine der originären Aufgaben des Staates, die Private, bei Aufbürdung entsprechender Pflichten, vor unlösbare Aufgaben stellen würde.

  5. Die Durchsetzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im grenzüberschreitenden Datenverkehr ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Nutzung und Verbreitung neuer Informationsund Kommunikationsdienste. Wenn mittels Telekommunikation sensibelste private, medizinische oder betriebliche Daten übertragen werden, wird zudem das Fernmeldegeheimnis zum strategischen Grundrecht. Der Schutz sensibler Informationen muß daher gegenüber unerlaubten Zugriffen von Dritten und gegenüber unzulässigen behördlichen wie unternehmerischen Eingriffen ausreichend gewährleistet sein. Dazu bedarf es einer Reform des deutschen Datenschutzrechts und der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Soweit als möglich muß die Erhebung von Daten vermieden und die Anonymität der Betroffenen gewahrt werden. Außerdem ist sicherzustellen, daß personenbezogene Daten nicht ohne ausdrückliche Einwilligung erhoben oder gegen den Willen der Betroffenen verarbeitet werden dürfen. Die Bestimmungen zum Datenschutz sollten auch durch grenzüberschreitenden Datenverkehr nicht umgangen werden können. Selbstverständlich muß es aber auch erlaubt sein, der Verwertung eigener Daten für einen genau bezeichneten Zweck zuzustimmen bzw. selbst eine solche Verarbeitung von Daten in zumutbarer Weise vornehmen zu können.

  6. Aufgrund der Empfehlungen des Büros für Technikfolgenabschätzung fordert der Deutsche Bundestag die Beundesregierung auf, die möglichen Folgen des Wandels zur Informationsgesellschaft in allen Gesellschaftsbereichen, insbesondere auch in den Bereichen Recht, Wirtschaft, Arbeit und Bildung, weiterhin wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Dabei müssen die Ergebnisse der verschiedenen Multi-Media-Projekte Eingang finden.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, Neko, 1996
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