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Re: [FYI] Tux on the Upper West Side



Peter schrieb:
>Kristian:
>> Computer als Werkzeuge in allen Fächern, als Selbstverständlichkeit
>> und sich (nicht?) als Besonderheit einzelner UEs.
>
>Ich bin kein Paedagoge, aber so recht gefaellt mir das nicht. Dann wird auch 
>ueberall die Faehigkeit, mit Computern umzugehen, mitzensiert. Es waere doch 
>traurig, wenn ein musikalisch veranlagtes Kind schlechte Noten bekommt, weil es 
>mit dem Programm fuer Notensatz nichts zustande bringt.

Der Grund, warum sich Kristian meiner Meinung nach hier zu Recht so
ins Zeug legt, ist der, dass Programmierenkoennen absehbar zur
Kulturfertigkeit zaehlen wird, in all denjenigen Bereichen, die von
gesellschaftlicher (sprich: professioneller) Relevanz sind (privat
muss man sich eine oppositionelle Haltung demgegenueber halt leisten
koennen. Wer Geld hat, kauft sich auch heute ein handgeschneidertes
Sakko in London statt bei C&A). Der ungeheure
Alfabetisierungsaufwand, der mit der Industriealisierung losgetreten
wurde, war nur die Vorbereitung auf die jetzige Situation. Das
Projekt der Industriealisierung wird durch den generalisierten
Transmissionsriemen "Internet" derzeit radikalisiert, indem es die
gesellschaftliche Vollindustriealisierung durchsetzt: Es gibt keinen
Produktionsbereich mehr, der ohne Technik und hochaufloesende
Arbeitsteilung auskommt, wobei zur Selbstregulation sich obendrein
zunehmend mehr demokratische Bewertungsprinzipien aufdraengen, da es
zu ihnen keine entsprechend leistungsfaehigen Alternativen gibt (ich
erwarte den Widerspruch unserer Apokalyptiker, denen ich mit Verweis
auf die bisherige Geschichte pariere. Den berechtigten Zweifel, diese
linear hochrechnen zu koennen, nehme ich gelassen zur Kenntnis, weil
der Informationsgehalt eines geaeusserten Zweifels geringer ist und
die Gegenthese zur Zunahme demokratischer Verhaeltnisse noch
unwahrscheinlicher ist). Erst das selbststaendige
Algorithmenbauenkoennen entspricht der anvisierten
Vollalfabetisierung im Industriealisierungsprojekt: Selber Maschinen
bauen! Die Welt nicht nur lesen, sondern veraendern koennen. Auf dem
zweidimensionalen Papier liessen sich bislang nur tote Symbole
anordnen, die zur Operationalisierung ihrer menschlichen
Durchlauferhitzer bedurften. Nunmehr koennen diese Symbole aufgrund
der zur Verfuegung stehenden dritten digitalen Dimension sogar
selbstoperativ und selbsttaetig von Maschinen verarbeitet werden. Um
hier eingreifen zu koennen, MUSS man programmieren koennen.

Und worin besteht der dialektische Clou dieser Entwicklung? Durch das
Programmierkoennen befreit sich der User ueberhaupt erst von der
Maschine - ohne diese Kompetenz bleibt er vollstaendig deren Opfer.

In diesem Sinne: Ein Lob der Routine und Standardisierung, weil es ohne
diese keine Dichtung, Improvisation, Kreativitaet geben kann:
http://www.netzservice.de/~maro/mr_melo.html

Gruss, Martin
--
Martin Rost - http://www.netzservice.de/Home/maro/ - Germany, Kiel