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Was ist "Copy Kills Music"... ??
- To: debate@fitug.de
- Subject: Was ist "Copy Kills Music"... ??
- From: Heiko Recktenwald <uzs106@ibm.rhrz.uni-bonn.de>
- Date: Sat, 8 Apr 2000 19:55:06 +0200 (CEST)
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
Von interessierter Seite wurde mir folgender Text zugespielt, den ich
mangels Word o ae. mit Lynx konvertiert habe. Zweierlei ist bemerkenswert:
Zum einen geht es ganz klar um "Geistigen Diebstahl", also nicht das
kostenlose Kopieren fuer Freunde, da wird noch differenziert, ob es auf
Aufforderung geschieht, so ist das ja immer, wenn jemand eine Datei
anklickt, btw, oder ohne Aufforderung, etwa als Geburtstagsgeschenk, haben
wir das nicht schon alle einmal erlebt ? - Mit "geistigem Diebstahl"
meine ich mal Taten mit Bereicherungsabsicht, siehe "Sven". Koennte sein,
dass "Svens" ein echtes Problem sind, schliesslich werden die groessten
Umsaetze gerade in dieser Altersgruppe getaetigt. Spricht aber eher fuer
und nicht gegen mp3.
Zum anderen wird die Aktion als "Rueckzugsgefecht" bezeichnet, wo immer
der Zug hingeht.
Heiko
Have fun, weiss gerade nicht, wie ich die Umlaute umbauen koennte, Perl..:
COPY KILLS MUSIC - DAS ENDE VOM LIED?
Wer als musikinteressierter Mensch dieser Tage aufmerksam den
Wirtschaftsbereich der Fach-, Publikums- und Tagespresse verfolgt,
k”nnte es aus zweierlei Grnden mit der Angst zu tun bekommen: Die
Plattenindustrie klagt ber drastische Umsatzverluste und entwirft
dstere Szenarien einer nahen Zukunft, in der fr Newcomer und Bands
abseits der Verkaufscharts kein Platz mehr sein wird. Auf der anderen
Seite entpuppt sich der Audio-CD-Recorder als Renner im
Weihnachtsgesch„ft - bloá mit der Crux, dass Santa Claus im
Kleingedruckten mit dem schlechten Gewissen wedelt, und es vorstellbar
ist, dass es sich in naher Zukunft sowieso nicht mehr lohnt, CDs zu
brennen. Wie das eine mit dem anderen zusammenh„ngt und welche
Ver„nderungen stattgefunden haben, akut sind oder sich erst anbahnen,
versuchten wir zu ergrnden. Sven (17) ist seit einem knappen Jahr
Jungunternehmer. Das Gesch„ft floriert, sein Umsatz boomt ordentlich,
und Steuern muss er auch nicht zahlen. Ein Anmeldung beim Finanzamt
w„re an seiner Stelle auch nicht sehr schlau, denn sp„testens beim
Ausfllen des Formulars k„me er in die Bredouille - Schulhofpirat ist
nun mal keine anerkannte Berufsbezeichnung. Er leiht sich bei Freunden
und seinem Bruder, die alle zu doof sind und scheinbar zu viel Geld
haben die neuesten CDs aus, kopiert sie, scannt das Cover ein, und
vertickt die gebrannten CD-Rs samt Booklet-Farbausdruck fr zehn bis
fnfzehn DM an Freunde und Bekannte - in guten Monaten bis zu 120
Stck: Es gibt Stammkundenrabatte. Auáerdem tausche ich auch ab und zu
gebrannte CDs - wenn ich mir nirgends das Original herorganisieren
kann. Wobei dann natrlich wieder Probleme mit dem Cover auftauchen.
Doch auch das l„át sich mit einem gerttelten Maá an krimineller
Energie l”sen, denn die Sicherheitssysteme im ”rtlichen Plattenladen
kann man getrost als guten Witz bezeichnen. Knapp 2000 CD-Rs fasst
sein Archiv, auf das jederzeit zugegriffen werden kann. Skrupel? Ach
was. Wieso auch? Meine Kunden machen ein gutes Gesch„ft, und ich
natrlich auch. Die Plattenindustrie schwimmt doch sowieso im Geld.
Und die L„den sind alle versichert... Nur die Tatsache, dass jetzt
immer mehr Leute an seiner Schule einen CD-Brenner besitzen, gibt Sven
zu denken. Fr einen Monopolisten ist Konkurrenz auf Dauer alles
andere als gesch„ftsbelebend - noch dazu, wenn aus ehemaligen Kunden
Mitanbieter werden... Martin ist 24 und besitzt all das Equipment, das
in einen guten Informationsgesellschaftshaushalt geh”rt: Premiere
World-Abo, Dreamcast-Konsole, Power-Pentium-Rechner mit
Internet-Zugang, MP3-Player und seit Weihnachten einen DVD-Player.
Seinen CD-Brenner hat er sich schon kurz nach der Markteinfhrung, als
die Dinger noch sauteuer waren, gekauft, wie er stolz berichtet. Ist
inzwischen zwar schon etwas berholt und auáerdem recht langsam, aber
fr seine Zwecke reicht es. Haupts„chlich stelle ich mir private
Sampler mit meinen Lieblingssongs zusammen. Dazu kommen Kopien fr den
Discman und den Wechsler im Auto. Sicher ist sicher, vor allem da der
Twingo schon zwei Mal geknackt wurde. Martin gilt als Musikfreak, er
nimmt als Geburtstagsgeschenk ”fter mal einen selbst zusammen
gestellten Sampler auf, und ab und zu will Studienkollege Frank von
ihm CDs gebrannt haben, die er mal anchecken will: Ich mach das dann
zwar, habe aber irgendwie ein ungutes Gefhl dabei. Zwei Beispiele,
ein Trend: Der CD-Brenner erobert die Wohn- und Kinderzimmer, und das
mit rasanter Geschwindigkeit. In nur 21 Monaten nach der
Markteinfhrung wurden weltweit eine Million Ger„te verkauft - damit
ist der Audio CD-Recorder-Markt einer der am schnellsten wachsenden
M„rkte in der Geschichte der Unterhaltungselektronik. Bereits
Weihnachten 2000, so die Prognosen, werden die praktischen
Musikkopierer in 3 Millionen deutschen Haushalten stehen. 60 Millionen
CD-Rohlinge wurden 1999 in Deutschland verkauft, und Sch„tzungen, die
auf einer einer GfK-Studie beruhen, gehen davon aus, das rund ein
Sechstel, also ca. 10 Millionen, davon zu illegalen Kopierzwecken
missbraucht wurde. Aber was bedeutet hier berhaupt illegal? Wie genau
sieht die Rechtslage eigentlich aus? Gem„á S: 53 Abs. 1 des
Urheberrechtgesetzes sind Kopien zum privaten Gebrauch ausnahmsweise
zul„ssig. Mit Einfhrung der bespielbaren MusiCassette wurde diese
Ausnahmeregelung Mitte der 60er Jahre installiert, da man verhindern
wollte, dass breite Bev”lkerungsschichten zu Kriminellen abgestempelt
wrden - auáerdem gab es sowieso keine Wege, hier ein Kontrollsystem
zu installieren. Der privaten Vervielf„ltigung von CDs sind jedoch
Grenzen gesetzt. Konkret heiát das, dass immer nur einige wenige
Kopien angefertigt werden drfen und die Vervielf„ltigung nur fr den
privaten eigenen Gebrauch get„tigt wird, wozu auch noch der Gebrauch
durch Familienangeh”rige oder enge Freunde z„hlt. Auf unser Beispiel
mit Martin bezogen heiát das: Kopie im Auto ja, Kopie fr Frank ja,
Geschenk fr Freunde nein - es sei denn, es handelt sich um solche der
engen Sorte, die ihren Wunsch vorher ausdrcklich ge„uáert haben...
Doch die Probleme, von denen die Musikindustrie spricht, werden nicht
von Martin verursacht, es sind die vielen Svens, die der Branche 1999
Umsatzverluste in H”he von 220 Mio. DM einbrachten - eine Summe, die
in etwa dem Betrag entspricht, den alle Bundesliga-Clubs in einer
Saison direkt durch Stadioneinnahmen erwirtschaften. Zum Vergleich:
Laut Jahreswirtschaftsbericht des Bundesverband der Phonographischen
Wirtschaft (BPW) betrug der Gesamtumsatz fr bespielte CDs, MCs, LPs
und Singles im Jahre 1998 5,3 Mrd. DM, womit der Musikzweig weit vor
den Ums„tzen der Filmindustrie, der Videoprogrammanbieter oder der
Theater- und Opernh„user liegt und eindeutig die Spitzenposition im
Bereich der sog. Kulturindustrie innehat. Nicht nur diese Position,
sondern die Existenz der gesamten Industrie, wie man sie heute kennt,
scheint in Frage gestellt, wenn man den dsteren Prognosen Glauben
schenkt: Schon n„chstes Jahr soll sich die Anzahl der illegalen Kopien
versechsfacht haben, der Schaden 1,2 Milliarden DM betragen. Doch
nicht nur Plattenindustrie, Knstler und Verleger verfallen in
Schwanenges„nge, auch der Handel ist betroffen - und das gleich
doppelt. Einerseits werden wie erw„hnt weniger Original-CDs verkauft,
andererseits macht sich in Plattenl„den eine neue Form des
Ladendiebstahls immer st„rker bemerkbar: der Bookletklau, der den zu
Hause gebrannten Rohling zum nahezu mit dem Original identischen
Produkt aufwertet. Da unvollst„ndige CDs nicht mehr an die Labels
retourniert werden k”nnen, tr„gt der Handel den Schaden selbst. Die
CDs gelten als verkauft und flieáen somit in die offiziellen
Verkaufsstatistiken ein. Theoretisch ist es fr eine Band also
denkbar, eine Goldene Schallplatte zu erhalten, ohne eine einzige CD
regul„r verkauft zu haben - man muss sich nur 150.000 Booklets klauen
lassen... Was also tun? Die L”sung besteht aus drei W”rtern, falschem
Englisch, und nennt sich Copy Kills Music. Diese Kampagne, ber die
die meisten wahrscheinlich schon in TV-Spots, Anzeigen oder
Presseberichten gestolpert sind, wurde von der BPW, dem VOTS
(Organisation der Indie-Labels, der GEMA, den
Schallplattenhandelsverb„nden, Verleger- und Knstlerorganisationen
usw. - kurz allen Verb„nden und Vereinigungen, die von dem Problem
betroffen sind, initiiert. Das Ziel der Aktion ist klar: Das Brennen
von illegalen CDs soll gestoppt oder zumindest auf ein ertr„gliches
Maá einged„mmt werden. Die M”glichkeiten, die diskutiert werden, um
diese Zielsetzung zu erreichen, sind indes vielf„ltig - prinzipiell
lassen sich neben den wohl ziemlich aussichtslosen Appellen an die
Moral der Konsumenten drei verschiedene Ans„tze ausmachen: Eine
Žnderung des oben erw„hnten Urheberrechts, das Privatkopien zul„át;
eine starke Erh”hung der sog. Leermedienabgabe, was einen sprbaren
Anstieg der Rohlingpreise zur Folge h„tte; sowie ein
Kopierschutzsystem fr CDs, das die massenhafte Vervielf„ltigung
verhindert. Eine Žnderung des Urheberrechts, die die derzeit noch
legale Kopie zu Privatzwecken fr rechtswidrig erkl„ren wrde,
erscheint derzeit am unwahrscheinlichsten - und wird auch nur von
einer kleinen Anzahl Hardliner der Branche befrwortet. Die
Einschr„nkung des Rechts, sich eine Kopie zum Privatgebrauch
anzufertigen, war nie Ziel der Kampagne, meint Tim Renner, President
Music Group der Universal Deutschland. Keine der hier versammelten
Parteien will jemandem, der sich eine Platte kauft, verbieten, dass
derjenige sich die Songs auf einen Tontr„ger aufnimmt und seiner
Freundin schenkt. In der Tat wrde ein Generalverbot vor allem an der
Umsetzung der šberwachung und Kontrolle scheitern - willkrliche
Hausdurchsuchungen, im Rahmen derer die CD-Sammlung verd„chtiger
Personen inspiziert wrde, werden sich politisch zur Zeit (und
hoffentlich auch in Zukunft) nicht durchsetzen lassen. Kommen wir zum
zweiten Ansatz, der direkt mit dem Urheberrecht zusammenh„ngt. Damals
wurde festgelegt, dass mit jeder verkauften Leerkassette und jedem
verkauften Aufnahmeger„t eine Abgabe an s„mtliche Berechtigte (d.h.
Autoren, Knstler, Tontr„gerhersteller) verbunden ist, um die durch
die Kopie entstandenen Verluste aufzufangen - was den meisten
Konsumenten gar nicht bewusst sein wird. Konkret bedeutet das: Wer
sich eine Kassette, CD-R oder ein anderes Leermedium zulegt, zahlt mit
dem Kaufpreis 12 Pfennig pro Stunde Spielzeit in einen Topf ein,
dessen Einnahmen an die Berechtigten wieder ausgeschttet werden - fr
ein verkauftes Endger„t sind einmalig 2,50 DM f„llig. Die Leermedien-
und Ger„teabgabe stammt aus den 60er Jahren und war auf analoge Tr„ger
wie MusiCassette und Spulentonb„nder gemnzt. Diese Kopien hatten und
haben bekanntlich den (je nach Sichtweise) Vor- bzw. Nachteil, dass
sie immer einen Qualit„tsverlust in sich bargen: Kein Tape hatte den
Klang des Originals, und mit jeder weiteren Generation verschlechterte
sich die Qualit„t abermals - ganz im Gegensatz zur gebrannten CD.
Massenhafte digitale Vervielf„ltigung, wie sie jetzt stattfindet,
wurde damals logischerweise nicht bedacht, weil es sie nicht gab.
Besagte 12 Pfennig-Abgabe auf digitale Tr„ger anzuwenden, sei demnach
ein absoluter Witz, so Renner: Mit Tapes wurde damals auf den
Schulh”fen ja nie gehandelt. Mit CDs wird jedoch gehandelt. Also
lautet die Forderung, in diesem Bereich zwischen analogen und
digitalen Tr„gern zu unterscheiden (wie es beispielsweise in Belgien
schon praktiziert wird) und die Abgabe im digitalen Bereich deutlich
zu erh”hen - im Gespr„ch ist ein CD-R-Endverkaufspreis in H”he von 8
DM. Kritisch erscheint hier allerdings der Fakt, dass l„ngst nicht
alle verkauften Rohlinge zu illegalen Zwecken benutzt werden. Von 37,6
Mio. CD-Rs, die im ersten Halbjahr 1999 von Privatpersonen gebrannt
wurden, wurden laut einer GfK-Studie 52% mit Musik, 24% mit PC- oder
Playstation-Spielen, 14% mit Daten, 6% mit Anwender-Software, 1% mit
Fotos/Dias und 3% mit sonstigen Inhalten bespielt. Unter der Erh”hung
der CD-R-Preise, die ja nur die illegalen Brenner treffen soll, h„tten
jedoch alle zu leiden - sowohl diejenigen, die sich berhaupt keine
Musik auf ihre Rohlinge brennen, als auch jene, die sich legale
Privatkopien ziehen. Ein Problem, das zwar erkannt wird, aber aus
Sicht der betroffenen Industrie in Kauf genommen werden muss. Renner:
In dem Moment, in dem eine Pauschalabgabe vorhanden ist, die
eigentlich den Missbrauch abschrecken oder zumindest den Urheber- und
Leistungsschutzrechteinhabern einen Ausgleich zufhren soll, l„át sich
sowas leider nie vermeiden. Deshalb gibt es ja auch beim Fotokopierer
eine Pauschalabgabe - auch wenn du deine eigenen Texte kopierst. Wann
und in welchem Umfang die Leermedienabgabe erh”ht wird, wird gerade
mit Politikern diskutiert, sich heute schon einen Hamstervorrat an
CD-Rs anzulegen, scheint jedoch etwas verfrht. Langfristig kann hier
n„mlich nur eine zumindest EU-weite Regelung greifen - in Zeiten der
Globalisierung und verschwindender Grenzen wrde es wenig Sinn machen,
im nationalen Alleingang die Preise drastisch anzuheben, wenn die
Nachbarl„nder nicht mitziehen. Und EU-Politikmhlen mahlen ja
bekanntlich nicht mit Lichtgeschwindigkeit... Bleibt als dritter Punkt
ein Kopierschutzsystem fr CDs. Hier sind zwei Ans„tze denkbar:
Entweder man versieht die CD an sich mit einem Schutzmechanismus, oder
man versucht, die Hardware, also den Brenner, entsprechend
auszursten. Die beste L”sung w„re ein intelligentes Schutzsystem, das
nur eine bestimmte Anzahl Kopien, im Gespr„ch sind vier Stck,
zulieáe. So k”nnte die Massenproduktion einged„mmt werden, was die
betroffene Industrie freut, und gleichzeitig das Recht auf Privatkopie
gewahrt werden, was natrlich dem Verbraucher zugute kommt. Die Haken
an diesem Ansatz, der dementsprechend im Hardwarebereich eingreifen
wrde, seien nicht mal so sehr die technischen Hrden, ein solches
System zu entwickeln, sondern viel mehr die Ger„tehersteller, die um
ihre Ums„tze frchten, so Tim Renner: Es gab vor einem halben Jahr
schon 23 verschiedene praktikable L”sungsm”glichkeiten, die sich aber
mehrheitlich in den CD-Recordern selbst abspielen, und hier ist die
Herstellerindustrie dieser Ger„te einfach nicht zur Kooperation bereit
und kann auch nicht dazu gezwungen werden. Die andere M”glichkeit w„re
eine Ver„nderung der CD selbst: Das Bertelsmann-Presswerk Sonopress
hat etwa ein implementiertes Schutzsystem entwickelt, das die CD beim
Einlesen in den Brenner entweder sofort wieder auswirft, oder den
Benutzer mit folgender netten Mitteilung begrát: Sie sind im Begriff,
eine CD illegal zu kopieren. Wenn sie den Datentr„ger nicht in 30
Sekunden entfernen, wird ihre Festplatte gel”scht. Ganz abgesehen
davon, dass diese Radikall”sung nun alles andere als
verbraucherfreundlich ist und nicht zwischen legalem und illegalem
Kopiervorgang unterscheidet, sind Eingriffe in die CD selbst nicht so
einfach m”glich - hier muss erst einmal der Patentinhaber zustimmen.
In diesem Fall ist das der Elektronik-Konzern Philips, der
selbstverst„ndlich ein Interesse daran hat, seine Endger„te zu
verkaufen. Eine Einschr„nkung der Vervielf„ltigungsm”glichkeiten wrde
sich natrlich auch negativ auf die zur Zeit so lukrativ boomende
Branche auswirken. 35 Millionen DM war dem Konzern die Werbe- und
Marketingkampagne zur Einfhrung des Audio-CD-Recorders wert - die,
wie es der Zufall wollte - genau zu dem Zeitpunkt begann, als sich
Philips mit dem Verkauf von PolyGram an den kanadischen Mischkonzern
Seagram aus dem Plattenfirmengesch„ft zurckzog. Kein Wunder, dass die
Plattenindustrie auf Philips nicht sonderlich gut zu sprechen ist; das
Verhalten der Firma sei ein Skandal, so Virgin-Gesch„ftsfhrer Udo
Lange, und die vorhandenen Kopierschutzsicherungssysteme, die die
Seriennummer des Recorders auf der gebrannten CD speichern, hochgradig
l„cherlich (Renner). Dass man dies im Hause Philips etwas anders
sieht, berrascht nicht wirklich. Wir untersttzen die Aktion Copy
Kills Music im Prinzip, da wir auch nicht unbedingt Freunde von
illegalen Kopien sind. Aber wir finden, dass zwischen kommerziellen
Raubkopierern, die damit illegal Geld verdienen, und der legalen Kopie
fr den Hausgebrauch unterschieden werden muss - und diesen
Unterschied macht die Kampagne nicht richtig deutlich, so Klaus Petri,
Philips-Pressesprecher im Bereich Consumer Electronics. Und weiter:
Die CD ist einfach ein Standard, der inzwischen ein paar hundert
Millionen Mal verkauft worden ist, was die Hardware angeht. Da ist es
nicht so einfach, den von heute auf morgen zu „ndern und eventuell
andere Features einzubauen. Die Kompatibilit„t zu den herrschenden
Standards, sprich den schon vorhandenen technischen M”glichkeiten,
muss immer gew„hrleistet sein, und insofern macht man es sich ein
bisschen einfach, zu sagen, wir wrden uns weigern, einen Kopierschutz
einzubauen. Wir weigern uns nur, das System CD zu killen, indem wir
seine Kompatibilit„t einschr„nken. Die Tatsache, dass die
hergestellten Audio-CD-Recorder zu illegalen Zwecken genutzt wrden,
sei ein Problem, das jeder Hardware-Hersteller hat: Ein Autohersteller
kann auch nicht verhindern, dass mit seinem Produkt zu einem Bank
gefahren wird, um dann anschlieáend einen šberfall zu machen. Insofern
sieht man hier keinen Žnderungsbedarf. Kurzes Zwischenfazit: Das
Bemhen, den Schaden zu begrenzen bzw. einzud„mmen, ist vorhanden; die
Frage, die sich stellt, ist jedoch, ob die dargestellten
Gegenmaánahmen rechtzeitig greifen werden, um den prophezeiten Kollaps
des Systems Plattenfirma, wie es heute funktioniert, zu verhindern. Im
Moment funktionieren die groáen Major-Labels nach dem Prinzip der
Mischkalkulation im Repertoirebereich, d.h. die Einnahmen, die durch
Knstler und Produkte wie Westernhagen, Lou Bega, Pur, die Bravo
Hits-Compilations oder - einer der grӇten Faktoren - die Stars von
gestern erzielt werden, werden an anderer Stelle reinvestiert, um neue
Bands aufzubauen, die dem Leser dieses Magazins zweifelsfrei mehr am
Herzen liegen als erw„hnte Megaseller. Natrlich sind haupts„chlich
die Chartsthemen, die kopiert werden und bei denen die Umsatzeinbuáen
dementsprechend stark zum Tragen kommen, sozusagen schuld an der
derzeitigen Misere, aber das Argument des Placebo-Fans, dass es ihm ja
egal sein kann, wenn die neue Spice Girls-CD zigtausendfach gebrannt
wird, da er die sowieso scheiáe findet, greift zu kurz. Plattenfirmen
sind nun mal wirtschaftlich orientierte Unternehmen und keine
selbstlosen Kulturf”rderungsbetriebe, die Risikofreudigkeit der
Branche sowieso nicht gerade stark ausgepr„gt, was neue Acts angeht,
und wenn die Umsatzzahlen bei Virgin sinken, weil sich die Spice
Girls-Platten nicht mehr so gut verkaufen, werden eben nicht Vic, Mel
& Co. vor die Tr gesetzt - dann muss sich evtl. Brian Molko nach
einem neuen Label umschauen bzw. wrde gar nicht erst gesignt werden.
Die Folge w„re ein noch einseitigeres Nummer Sicher-Programm bei den
Majors, und ob die Indie-Labels, wie vielfach argumentiert wird,
dieses Vakuum ann„hernd fllen k”nnen, sei angesichts der auch in
diesem Bereich immer schwierigeren Situation dahingestellt. Natrlich
soll hier nicht unn”tig schwarz gemalt werden, zumindest im Moment ist
es noch nicht so weit, dass hoffnungsvollen Newcomern die Chance auf
eine breite ™ffentlichkeit verbaut wird - der vielzitierte und
-geschm„hte Copy Kills Music-Slogan 10.000 Kopien vernichten eine
Nachwuchsband bleibt insofern nur warnende Zukunftsmusik. Zur Deckung
der entstandenen Verluste werden vielmehr, wie es so sch”n heiát,
betriebsinterne L”sungen gesucht: kurzfristig werden Marketingbudgets
gekrzt und Mitarbeiter freigesetzt. Die Liquidierung der Stuttgarter
Plattenfirma Intercord (die immerhin Umsatztr„ger wie Fettes Brot,
Depeche Mode, Reinhard Mey und Pur in ihrem Repertoire hatte) allein
mit der Brennerproblematik in Zusammenhang zu bringen, scheint zu weit
hergeholt, mag aber zumindest als Symptom fr den Zustand einer
Branche gelten, deren Hochzeiten sich dem Ende n„hern. Oder, wie Tim
Renner es ausdrckt: Der Plattenindustrie geht es nicht gut, aber sie
nagt auch noch nicht am Hungertuch. Das Problem ist: Wenn sie erst mal
am Hungertuch nagt, werden die Eigner sehr schnell reagieren. Das
Interesse des Eigners ist eben, Geld zu verdienen - wenn das nicht
mehr passiert, steigt er sehr schnell aus. Interessanterweise scheinen
kleine Indie-Firmen, deren Repertoire eine bestimmte Szene
repr„sentiert und bedient, am wenigsten unter CD-Brennern zu leiden -
wie beispielsweise Nannette Fleig von Fat Wreck Chords berichtet: Was
Verk„ufe angeht, kann ich mich wirklich nicht beklagen, das l„uft bei
uns besser denn je. Ich sehe das wie frher mit den Kassetten: Wir
haben damals Tapes kopiert wie bl”de - als jugendlicher Punkrocker
hatte man ja kein Geld, aber sobald die Kohle da war, musste die
Originalplatte her. Und ich denke, dass das heute - zumindest was
diese Untergrund-Szene angeht - nicht viel anders ist. J”rg Schilling,
Chef des Hannoveraner Schweinerocklabels Loudsprecher, sieht ebenfalls
keinen akuten Handlungsbedarf fr sich, und kann im Gegenteil den
neuen Kopierm”glichkeiten sogar positive Aspekte abgewinnen:
Letztendlich wird mit Copy Kills Music etwas hochgespielt, was zwar
ein Problem darstellt, aber in seinen Auswirkungen lange nicht so
dramatisch ist, wie es jetzt dargestellt wird. Ich sehe ein, dass
solche Knstler wie Britney Spears, deren Hauptklientel sich auf
Schulh”fen herumtreibt, unter gewissen Umsatzeinbrchen zu leiden
haben, und ich sehe auch ein, dass mir sicherlich dadurch die eine
oder andere verkaufte Platte durch die Lappen geht. Auf der anderen
Seite gibt es aber die M”glichkeit, zumindest die Musik der Bands, die
ich herausbringe, dadurch auch wieder verfgbar zu machen. In meinem
Bereich geht es ja darum, dass eine Band berhaupt Verbreitung findet
und sich etabliert - da ist mir das Medium eigentlich erst einmal
relativ egal. Wenn nicht heute, dann kaufen die Leute vielleicht das
n„chste oder bern„chste Album. Bei Roadrunner Records, die Bands wie
Type O Negative, Machine Head, Slipknot oder Coal Chamber unter
Vertrag haben, sieht die Lage schon wieder anders aus. Auf 20% sowohl
der Gesamtkatalogverk„ufe als auch bei Neuver”ffentlichungen beziffert
Managing Director Henk Hakker die Verluste durch die Brennerei. Aus
diesem Grund wird man bei Roadrunner dazu bergehen, die CDs
regelm„áig mit sog. Enhanced Tracks wie Fotos, Videos und Biographien
auszustatten: Viele einfache Brenner finden dann nur den
Enhanced-Part, weil der recht dominant wirkt, und beim Brennen wird
nur dieses Zusatzangebot kopiert, nicht aber die Songs. Das ist zwar
lange kein hunderprozentiger Schutz, aber es reicht doch aus, vielen
Normalsterblichen, die jetzt keine Computer-Cracks sind, das Brennen
zu erschweren. Doch Hakker hat auch einen positiven Aspekt inmitten
der dsteren Bilanzen ausgemacht: Was ich festgestellt habe, ist, dass
die Tourneen unserer Bands in diesem Winter alle sehr gut liefen. Ich
habe das Gefhl, dass die Leute nach wie vor musikinteressiert sind,
aber ihre Kohle eher fr ein Tourticket ausgeben, als fr eine CD,
weil die k”nnen sie sich ja brennen. Ich k”nnte mir vorstellen, dass
sich das alles verlagert: Die Kohle bleibt schon im
Entertainmentbereich, aber nicht unbedingt bei den Tontr„gerfirmen.
Eine These, die erst einmal plausibel klingt und fr bestimmte
Bereiche vielleicht sogar zutreffen mag, bei genauerer Betrachtung
jedoch differenziert werden muss. Denn allgemein ist zu beobachten,
dass sich der sog. Entertainment-Dollar, d.h. das Geld, das fr
Freizeitspaá ausgegeben wird, heute ganz anders verteilt als noch vor
15 oder 20 Jahren. Damals wurde das vorhandene Budget haupts„chlich
fr den Musikbereich verwendet - eben weil es keine groáartigen
Alternativen gab. Heutzutage spricht man dagegen von einem
Optionsoverkill der Freizeitgestaltungsm”glichkeiten, und die Musik
konkurriert mit Internet, PC- und Konsolenspielen und Trendsportarten
um Zeit und Budget - hinzu kommt, dass das (kostspielige)
Markenbewuátsein fr Kleidung ebenfalls viel st„rker ausgepr„gt ist.
Auch Lars O.Vogt von der Konzertagentur Lieberberg mag nicht so recht
an einen durch gebrannte CDs verursachten Konzertboom glauben - im
Gegenteil: Prinzipiell ist zwar jede Promotion gute Promotion fr den
Knstler, und das mag ganz kurzfristig betrachtet fr einige Bereiche
sogar hinhauen, aber man kann jetzt nicht belegen, dass es generelle
Anstiege bei den Ticketverk„ufen gibt, seitdem CDs gebrannt werden.
Ich sehe hier viel eher das Problem, das in dem Augenblick, wo die
Gelder der Plattenindustrie wegfallen, ein ganzes Kartenhaus
zusammenbricht, das auch das Tourneewesen betreffen wird. 80% der
Tourneen, die heutzutage laufen, tragen sich nicht selbst, sondern
funktionieren nur mit dem entsprechenden finanziellen Support der
Plattenfirmen. Was passiert, wenn der wegf„llt, kann man sich ja
leicht ausmalen... Der Stellenwert, den Musik einmal fr den
Konsumenten hatte, ist gesunken, soviel steht fest. Ob die CD-Preise
sich jedoch - wie oftmals gefordert - den neuen Gegebenheiten
anpassen, ist trotz der Tatsache, dass die gebrannte CD dadurch an
Attraktivit„t verlieren wrde, fraglich. Eine CD kostet in der
Herstellung zwar nicht einmal zwei DM, doch die Kosten fr Marketing,
Promotion, Copyrights, Risikoumlagen, Verwaltung, Vertrieb und den
Knstler selbst sind gemeinhin h”her, als der Durchschnittskonsument
glaubt - zumal ihm an allen Ecken und Enden suggeriert wird, dass der
Silberling sowieso nichts wert sei: von der AOL-Zugangssoftware, die
als CD-ROM unaufgefordert im Briefkasten liegt, zum inflation„ren
Anstieg von CD-Beilagen in Computer- und Musikzeitschriften; vom
Elektronikmarkt, der Top Ten-Hits fr 20 DM z.T. unter dem
Einkaufspreis verscheuert, um Kunden in den Laden zu locken, bis hin
zu Special Marketing-Aktionen, wenn etwa McDonalds in Zusammenarbeit
mit der Plattenindustrie Hitcompilations fr 9,90 DM anbietet. Smudo,
der die Copy Kills Music-Kampagne prominent untersttzt, sieht
zumindest im Fall des vieldiskutierten McDonalds-Sampler, auf dem die
Fantastischen Vier auch vertreten waren, eine Chance, die
tats„chlichen Dinosaurier der Branche, n„mlich Handel und Vertriebe,
zu umgehen: Natrlich ist der McDonalds-Sampler ohne H„ndler- und
Vertriebsanteil wesentlich billiger anzubieten. Allerdings setzt der
Vertrieb dann die Plattenfirma unter Druck, indem er sagt: H”r mal
Sony Music, wenn du noch einmal so eine Aktion machst wie die hier,
dann kannst du gucken, wer deine Fanta 4-CD im Laden verkauft. Aber
bei diesem Beispiel glaube ich nicht daran, dass das ein Grund fr den
Werteverfall knstlerischer Arbeit beim Musikh”rer ist. Sogenannte
Club-Verk„ufe oder andere vertriebslose Ideen gab es schon immer. Der
Fanta 4-Rapper ist optimistisch, dass auch die Plattenfirmen dem
Konsumenten in irgendeiner Form entgegenkommen werden. Etwa dadurch,
dass man auf der Original-CD ein Hologramm anbringt, welches einen als
legitimen CD-K„ufer ausweist und einem damit dann beispielsweise
verbilligten Eintritt zu Konzerten verschafft. Oder man bietet die CD,
die ganz neu erscheint, zuerst als Vollpreis-CD mit Cover, Booklet usw
an, ein halbes Jahr sp„ter in einer billigeren Variante nur mit
Blatteinlage, und nach einem Jahr dann als superbilligen
Online-Download - so „hnlich wie die Preisrutsche im Buchhandel, wo
man zuerst ein gebundenes Buch bekommt, welches sp„ter zu einem
Paperback wird. Im Rahmen der Copy Kills Music-Kampagne fanden und
finden auch Informationsveranstaltungen an Schulen statt, und es ist
den um Verst„ndnis werbenden Knstlern mehr als einmal passiert, dass
ihnen Totschlagargumente wie Da kommt so ein Scheiámillion„r und
erz„hlt mir, dass ich seine CD nicht brennen soll. Ich muss aber
nachher mein Straáenbahnticket bezahlen oder Die Plattenfirmen haben
jahrelang riesige Summen verdient, und jetzt jammern sie herum, wenn
wir uns die total berteuerten CD-Preise nicht mehr bieten lassen um
die Ohren geknallt wurden. Smudo kennt diese Sprche: Natrlich hat
der Konsument den Eindruck, dass die Plattenbranche jammert, vergisst
dabei aber, dass sie auch im Sinne der mit ihnen verbundenen Knstlern
jammert. Klar juckt es einen Musik-Groáverdiener weniger, wenn er ein
paarmal kopiert wird, zumindest rein finanziell. Ich finde das
gezielte illegale Kopieren von uns deshalb nicht gut, weil ich mich
knstlerisch hintergangen fhle. Die Musikerkollegen von Such A Surge
scheinen dieses Problem nicht zu haben, wie Bassist und Manager Axel
Horn ausfhrt: Uns kann es ziemlich egal sein, wie die Menschen an
unsere Musik kommen, ob sie die CD gekauft, gebrannt oder geklaut
haben, denn wir sind eine Liveband. Uns geht es darum, dass die Leute
zu unseren Shows kommen, und je mehr Leute die Musik kennen, desto
mehr Leute kommen auch zu den Konzerten. Wie man auch hier wieder
feststellt, gehen die Meinungen bezglich der Auswirkungen, Chancen
und Bedrohungen des neuen Volkssports CD-Brennen weit auseinander.
šberhaupt steht im Grunde nur eines fest: Der kleine runde Silberling,
um den hier so heftig gestritten wird, ist mittelfristig sowieso ein
Auslaufmodell, und wenn man in Betrachtung zieht, welche M”glichkeiten
neue Medien wie das Internet (siehe MP3-Reportage in VISIONS Nr. 74 u.
75) oder die n„chste Handygeneration offenbaren, wird klar, welcher
Kampf hier ausgetragen wird: ein Rckzugsgefecht auf traditionellem
Schlachtfeld, mit dem Ziel, die Weichen fr die Zukunft zu stellen.
Ingo Neumayer