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Re: "Big B." (Re: Ueberwachungskameras und "Datenschutz" ....



On Wed, May 03, 2000 at 11:38:59AM +0200,
	Heiko Recktenwald wrote:
> > > Hatte mal die Idee, der Output dieser Kameras sollte ins Netzl. Dass das
> > > kein "koeniglicher Blick" wird, wie Foucault vielleicht sagen wuerde. Man
> > 
> > Wen interessiert dies auf Dauer? Wie lange werden es die fanatischen
> > Big-Brother-Fans vor ihrem PC-Aquarium aushalten, bevor es so langweilig
> > wird wie die Erdbeer- und Kirschbusen einer Tuttifrutti-Show vor ein
> > paar Jahren?
> 
> Man sollte, btw, nicht vergessen, dass es sich bei Big B eben nicht um
> Reality handelt, sondern um eine Inszenierung. Versatzstuecke. Wie bei
> Talkshows...

Der Inszenierungsaspekt oder die Frage, inwieweit es Realitaet ist
- es ist die Realitaet des TV-Voyeurismus! - ist IMHO nicht so wichtig
dabei. BB schafft, oder stellt heraus, das Verhalten des satten Konsumenten,
der nach der staendigen neuen Sensation giert, weil es sonst keinen weiteren
Thrill in seinem eigentlichen "real life" mehr gibt. Und hier bekommt er,
ohne dass dieses von RTL2 wohl so geplant worden ist, den Spiegel vorgehalten,
wie langweilig und profan das Leben wirklich ist, obwohl sich die Veranstalter
alle Muehe geben, die Containerbewohner bei Laune zu halten und mit Spielkram
zu beschaeftigen. BB ist die Beschaeftigungstherapie fuer den Couchpotato;
leider nicht recht gelungen.

Unter diesem Aspekt muss der Skandal des oeffentlichen Busens vor Jahren
jetzt gesteigert werden durch den Blick in das Schlafzimmer einer Gruppe
von Versuchsratten im Container, und jeder Kuss, und wie ich jetzt lesen 
konnte, die vermutete Paarung der Katzen zweier der Bewohner, wird zum
Aufreisser im taeglichen Revolverblatt.

> Mich wuerd mal interessieren, wie das die Big B Teilnehmer wahrnehmen.
> Oder die Teilnehmer an solchen Talkshows.

Sie sehen es ueberhaupt nicht mehr, sind zu abgestumpft zu erkennen, wie sehr
sie sich selbet ver/entbloeden. Hauptsache, es gibt da ein paar Mark auf
die Kralle. Nicht mal mehr Warhols 15 Minuten sind bei dieser Inflation
an Selbstdarstellung interessant. Erst wenn man dies ad hominem auf die
Spitze treibt wie Raab beim Maschendrahtzaun, kommt einmal eine Spur
Erkenntnis auf, hier allerdings gleich wieder relativiert durch die
Antipathie des noergeligen alten Weibes. Mit Pamela Anderson haette man
sowas nicht machen koennen.

> Jedenfalls ginge es bei den Ueberwachungskameras im Netz nicht um show.

Die Unterscheidung wuerde den meisten gar nicht mehr gewahr werden. Auch
Talkshows sind Realitaet; die Realitaet des Trivialen, selbst wenn da
literarische Intellektuellinkskis die Kraetze kriegen. Das Leben ist
bekanntlich ein Adventuregame mit einer lausigen Handlung - aber die
Graphik und der Sound sind echt klasse gemacht. 

Die Webseite mit der Kamera auf die Fussgaengerzone von XXXX war anfangs
ganz nett, aber ist doch aecht oede auf die Dauer - bis auf das eine
Mal, wo da eine Glatze so 'ner bloeden Omma einen Scheitel verpasst hat
- aber da war ich leider nicht online, hab' das nur gehoert. Wann gibt
es endlich mal von dem Staat eine "Best-Of"-Zusammenfassung?

> Tatsaechlich angucken muss sich das auch keiner. Aber er sollte es
> koennen. Und man sollte mal das Argument "Datenschutz" als Vorwand
> fuer Herrschaft problematisieren. "Datenschutz" gibts sowieso nicht
> wirklich. Oder er ist nebensaechlich, soweit praktiziert.

Wir wollen doch beherrscht werden... Oder kannst Du es Dir etwa nicht
leisten, woanders denken zu lassen...?

Holger

-- 
"Well, from what I've read, scientific studies show men tend to be better at
dealing with visual concepts, while women are better at complex linguistic
communication." - "You mean..." - "Men are from MACs, women are from VMS"
	Erwin the AI, www.userfriendly.org